Pulmonale Rehabilitation – Long-COVID

COVID-19

Long-COVID – die unterschätzten Folgen

Nachuntersuchungen zeigen, dass viele Erkrankte weit über die Dauer der eigentlichen SARS-CoV-2-Infektion hinaus symptomatisch sind. Eine kürzlich im Lancet Journal publizierte Nachbeobachtungsstudie von 1.733 Patienten mit gesicherter COVID-19-Infektion (Durchschnittsalter 57 Jahre) zeigt, dass Betroffene auch noch sechs Monate nach Symptombeginn nicht beschwerdefrei sind. Zu den häufigsten Symptomen zählten Fatigue oder Muskelschwäche (63 Prozent) und Schlafstörungen (26 Prozent), gefolgt von Angst und Depression (23 Prozent) [1].

Anhand des zeitlichen In-Erscheinung-Tretens der Symptome wird zwischen drei Phasen der Erkrankung unterschieden [3]:

·         » Akute COVID-19-Erkrankung:
Anzeichen und Symptome von COVID-19 bis zu vier Wochen

 ·       » Anhaltende COVID-19-Symptome:
Anzeichen und Symptome von COVID-19 von vier bis zwölf Wochen

·         » Post-COVID-19-Syndrom:
Anzeichen und Symptome, die sich während oder nach einer SARS-CoV-2-Infektion entwickeln und länger als zwölf Wochen anhalten.

Zusätzlich zu diesen klinischen Definitionen wird der Begriff Long-COVID häufig verwendet, um Anzeichen und Symptome zu beschreiben, welche die akute COVID-19-Erkrankung überdauern oder sich erst danach entwickeln. Dieser Begriff beinhaltet sowohl die Phase anhaltender ­COVID-19-Symptome als auch des Post-COVID-19-Syndroms [3].

Aktuell wird zudem eine Kategorisierung versucht, die in nachweisbare Organmanifestationen im Rahmen der COVID-19-Erkrankung (zum Beispiel fibrosierende Lungenerkrankung, myokardiale Veränderungen, diabetogene Wirkung) und in eine Gruppe, wo kein Nachweis einer Organmanifestation (zum Beispiel Fatigue-Symptomatik) gelingt, unterteilt [2]. Die Fatigue-Symptomatik scheint wesentlich häufiger vorzukommen als Organmanifestationen und umfasst neben einem allgemeinen Krankheitsgefühl mit Mattigkeit, Antriebslosigkeit, schneller Erschöpfung und mangelnder Belastbarkeit auch neurokognitive Störungen, wie vermehrter Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen [2]. Pathophysiologisch lässt sich die Fatigue-Symptomatik bislang nicht überzeugend erklären. Es gibt Hinweise, dass das Post-COVID-Syndrom unabhängig der Erkrankungsschwere ausgelöst werden kann [2].

Pulmonale Rehabilitation als effektive Maßnahme bei Long-COVID

Persistierende Symptome nach einer SARS-CoV-2-Infektion, welche die Erwerbs- oder Selbstversorgungsfähigkeit gefährden, stellen wichtige Kriterien für einen Rehabilitationsbedarf dar. Die Rehabilitation von COVID-19-Patienten wird erfreulicherweise als zunehmend sinnhafte Maßnahme erkannt und stellt aktuell nicht selten die häufigste Diagnosegruppe in pneumologischen Rehakliniken dar. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie hat in einer Empfehlung die notwendigen strukturellen und personellen Voraussetzungen für die Durchführung einer Post-COVID-Rehabilitation ausführlich beschrieben [4]. So sollten der leitende Arzt Pneumologe sein, notwendige Diagnostik bereitstehen (unter anderem Body­plethysmografie, Blutgasanalyse, Belastungstests, Bildgebung), als auch therapeutische Inhalte (unter anderem medizinische Trainingstherapie, Atemphysiotherapie, Ergotherapie, Sauerstofftherapie) angewandt werden. Psychologische Einzel- und Gruppeninterventionen oder Sozialberatung werden ebenfalls als sinnvolle Inhalte einer Post-COVID-Rehabilitation angesehen.

Aktuell liegen erste internationale Studien vor, welche die Machbarkeit, Sicherheit und Effektivität einer (Früh-)Rehabilitation bei COVID-19-Patienten nach einem schweren Akutverlauf mit Krankenhauseinweisung zeigen [5, 6, 7]. Pneumologische Rehabilitation konnte dazu beitragen, die körperliche Funktionsfähigkeit sowie lungenfunktionelle Einschränkungen zu verbessern. In einer kürzlich veröffentlichten eigenen Studie wurden die Effekte nicht nur von COVID-19-Patienten mit schwerem Akutverlauf, sondern auch nach ambulant behandelter COVID-19-Erkrankung untersucht [8]. Trotz eines milden bis moderaten Krankheitsverlaufs wiesen diese Patienten persistierende Krankheitsfolgen (wie zum Beispiel vermehrte Dyspnoe und Fatigue) auch noch sechs Monate nach ihrer SARS-CoV-2-Infektion auf und wurden in eine pneumologische Rehabilitation überwiesen.

Nach dreiwöchiger Reha verbesserten sich die Lungenfunktion (zum Beispiel forcierte Vitalkapazität von 80 Prozent auf 88 Prozent/Soll), die körperliche Leistungsfähigkeit (Sechs-Minuten-Gehtest: 70 Prozent auf 81 Prozent/Soll) und die Fatigue Symptomatik (73 Prozent auf 58 Prozent).

Fazit

Persistierende Krankheitsfolgen im Sinne eines Long-COVID können sowohl bei Patienten nach einem kritischen, aber auch nach einem milden Akutverlauf, bestehen. Nach derzeitiger Evidenzlage kann pneumologische Rehabilitation dazu beitragen, diese Symptome zu verbessern. Deshalb sollte nicht nur bei Krankenhausentlassung, sondern bei fortbestehenden symptomatischen Long-COVID-Patienten durchaus auch Monate später an die Verordnung einer pneumologischen Rehabilitation gedacht werden.

Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-aerzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.


Bayerisches Gesundheits­ministerium legt Fokus auf das Post-COVID-Syndrom

Studien zeigen, dass nach einer akuten COVID-19-Erkrankung – sowohl bei schweren als auch bei leichteren Verläufen – oft eine Vielzahl von Beschwerden (Post-COVID-Syndrom) lange anhalten und so Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit verringern. Dabei können organspezifische, zum Beispiel pulmonale oder unspezifische Beschwerden wie Fatigue führend sein. Dies erfordert eine, dem Bedarf entsprechende Rehabilitation sowie eine ambulante Nachsorge, möglichst interdisziplinär.

Bei dem von Staatsminister Klaus Holetschek einberufenen Runden Tisch zum Thema „Stärkung der Rehabilitation und Nachsorge nach COVID-19-Erkrankung in Bayern“ wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die Betroffene und Experten, Leistungserbringer und Kostenträger zusammenbringt. Ziel ist, Betroffenen einen zeitnahen Zugang zu bedarfsgerechter Rehabilitation und Nachsorge zu ermöglichen. Die Arbeitsgruppe hat bereits erste Lösungsstrategien mit dem Schwerpunkt stationäre Versorgung und Rehabilitation erarbeitet. Diskutiert wurde auch, welche Bedeutung niedergelassenen Ärzten bei der Behandlung von Post-COVID-Patienten zukommt, nicht zuletzt deren Rolle beim Zugang zur Rehabilitation aus dem ambulanten Bereich heraus.

Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege

 

Autoren

Professor Dr. Andreas Rembert Koczulla 1,2,3

Tessa Schneeberger 1,2

Dr. phil. Rainer Glöckl 1,2,

1 Abteilung für Pneumologische Rehabilitation, Philipps-Universität Marburg

2 Forschungsinstitut für pneumologische Rehabilitation, Schön Klinik Berchtes­gadener Land, Schönau am Königssee

3 Lehrkrankenhaus der Paracelsus ­Medizinischen Privatuniversität Salzburg, Österreich

 

Korrespondenzadresse:

Professor Dr. Andreas Rembert Koczulla, Chefarzt,

Schön Klinik Berchtesgadener Land, Malterhöh 1, 83471 Schönau am Königssee,
Forschungsinstitut für Pneumologische Rehabilitation, Professur für Pneumologische Rehabilitation Philipps-Universität Marburg

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