Die Probleme mit der Geburtshilfe in Krankenhäusern außerhalb der Zentren

Schwangerschaftsuntersuchung

Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht die Forderung nach wohnortnaher geburtshilflicher Versorgung. Dabei tritt in den Hintergrund, dass wohnortnahe Versorgung nicht gleichzusetzen ist mit hoher Qualität. Die Schließung von kleinen Abteilungen hat zu Engpässen geführt, die Kapazität der großen Geburtskliniken ist überschritten, weil diese nicht parallel zur Schließung kleiner Abteilungen zum Ausgleich erweitert wurde. Statt politischer Schnellschüsse mit Förderung kleiner geburtshilflicher Stationen und sogar außerklinischer Geburtshilfe bedarf es eines krankenhausplanerischen Gesamtkonzeptes mit Hochleistungszentren und Kliniken, die eine adäquate Versorgung, auch bei nicht vorhersehbaren Komplikationen, gewährleisten können.

Zunächst waren es Einzelfälle, doch dann – im Laufe des vergangenen Jahres – häuften sich Meldungen, dass Frauen, welche zur Entbindung eine Geburtsklinik aufsuchten – abgewiesen worden seien, und das nicht etwa von kleinen Abteilungen, nein gerade auch die Zentren in Berlin, München und Hamburg hatten keine Aufnahmekapazitäten mehr. Für die Schwangeren begann eine wahre Odyssee auf der Suche nach einer Geburtsklinik, in der sie ihr Kind auf die Welt bringen konnten. Manche haben außerhalb von Kliniken, zum Beispiel auf dem Parkplatz im Auto, geboren.

Die Berichte waren alarmierend, sodass die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) gemeinsam mit dem Berufsverband der Frauenärzte e. V. (BVF) und der Bundesarbeitsgemeinschaft Leitender Ärzteinnen und Ärzte in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe e. V. (BLFG) im November 2017 eine Blitzumfrage an den geburtshilflichen Abteilungen in Deutschland durchführte. Diese ergab, dass gut ein Drittel der Kliniken in den letzten sechs Monaten Schwangere unter der Geburt abgewiesen hatten und zwar zu 65 Prozent aus Mangel an Hebammen, 54 Prozent aus Mangel an Raumkapazität und zu 65 Prozent wegen Überlastung der neonatologischen Intensivstationen. Wie lässt sich das Defizit an Hebammenbetreuung im Kreißsaal erklären, denn tatsächlich hat die Zahl der Hebammen in Deutschland nicht ab-, sondern zugenommen. In Bayern gab es 2003 2.388 Hebammen und Entbindungspfleger, 2015 3.591, das heißt rund 50 Prozent mehr. Die Zahl der festangestellten Hebammen hat allerdings nur um fünf Prozent zugenommen (2003: 683; 2015: 719), die der freiberuflichen Hebammen um 70 Prozent (2003: 1.705; 2015: 2.872). Von den Hebammen arbeitet jedoch nur rund ein Drittel aktiv in der Geburtshilfe – und das auch zu einem sehr großen Teil in Teilzeit. Die meisten betätigen sich in der Vor- und Nachsorge und geben Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse. Diese Diskrepanz zwischen aktiv im Kreißsaal tätigen Hebammen und tatsächlicher Anzahl von Hebammen hat die DGGG veranlasst, in einem Neujahrsgespräch den direkten Austausch mit den Hebammenverbänden, unter der Fragestellung „Was hält Hebammen von der Arbeit im Kreißsaal ab“, zu suchen. In einer Pressemitteilung wurden die Maßnahmen bekanntgegeben, die die Verbände für absolut notwendig erachten, um die Situation zu verbessern:

- Hebammen sollen maximal zwei Frauen gleichzeitig während der Geburt betreuen, denn gerade die angestellten Hebammen sind häufig mit drei bis vier Geburten parallel belastet, sie müssen von fachfremden Tätigkeiten entlastet werden.

- Die Arbeitsbedingungen müssen hinsichtlich Vereinbarkeit von Beruf und Familie, beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten sowie angemessener Vergütung verbessert werden. Letzteres betrifft in erster Linie festangestellte Hebammen.

- Der Wiedereinstieg in die Geburtshilfe muss durch geeignete Wiedereingliederungsmaßnahmen erleichtert und gefördert werden.

Der Mangel an aktiv in der Geburtshilfe tätigen Hebammen kollidiert in drastischer Weise mit der seit 2011 wieder ansteigenden Geburtenzahl in Deutschland um rund 120.000 von 2011 mit 642.000 auf 762.000 in 2016. Zuvor fiel die Geburtenzahl seit 1991 mit 823.000 permanent um 22 Prozent ab, die Zahl geburtshilflicher Abteilungen verminderte sich seither um mehr als 40 Prozent (1991: 1.186, 2016: 690). Allein in den vergangenen zehn Jahren schlossen in Bayern 28 Geburtshilfestationen. Das geschah weniger aufgrund mangelnder Rentabilität als aufgrund der Tatsache, dass vor allem kleinere Abteilungen nicht in der Lage sind, die geforderten Qualitätsstandards auf der Basis der in Leitlinien und vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) formulierten Strukturanforderungen zu erfüllen. Die Auswertungen der Bayerischen Arbeitsgemeinschaft für Qualitätssicherung (BAQ) zeigen deutlich, dass kleine Abteilungen zwar die höchsten Kaiserschnittraten haben, aber trotzdem die höchste Zahl schlechter perinatologischer Outcomes, gemessen am Qualitätsindex zum kritischen Outcome bei Reifgeborenen. Auch der Grenzwert von 20 Minuten für die Zeit von Entscheidung bis zur Entbindung (EE-Zeit) im Falle eines Notkaiserschnittes wird in kleineren Abteilungen öfter überschritten. Der Qualitätsindex zum kritischen Outcome bei Reifgeborenen und die EE-Zeit sind zwei der fünf planungsrelevanten Qualitätsindikatoren, welche das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) im Auftrag des G-BA für die Geburtshilfe erstellt hat. So soll Qualität zunehmend eine Rolle bei der Krankenhausplanung spielen. Es ist zu erwarten, dass noch mehr kleine geburtshilfliche Abteilungen geschlossen werden, weil sie den Qualitätsanforderungen wiederholt nicht genügen. Sie sollen deshalb auch nicht von den im April 2018 beschlossenen Sicherstellungszuschlägen profitieren, welche eine flächendeckende wohnortnahe geburtshilfliche Versorgung durch finanzielle Unterstützung kleiner Abteilungen garantieren sollen.

Es liegt derzeit im Trend, dass sich die Politik bundesweit für eine flächendeckende wohnortnahe, geburtshilfliche Versorgung stark macht. Dabei besteht die Gefahr, dass der Aspekt der Qualität und der Patientensicherheit zunehmend aus dem Blickfeld gerät. Nicht mehr als 40 Minuten zur nächsten Geburtsstation soll die Fahrt zur Entbindung dauern. Dass die Entfernung aber für die Qualität der geburtshilflichen Versorgung keine Rolle spielt, zeigen die Perinatalstatistiken anderer Länder mit großen Entfernungen zur nächsten Entbindungsklinik. Gerade die skandinavischen Länder, mit wenigen geburtshilflichen aber großen Zentren, weisen eine im Vergleich zu Deutschland niedrigere perinatale Mortalität und Säuglingssterblichkeit auf (3,3 Promille) und das bei erheblich niedrigeren Kaiserschnittraten als bei uns (über 30 Prozent). Beispielsweise hat Schweden 42 Geburtskliniken, 2015 eine Säuglingssterblichkeit von 1,5 Promille bei einer Kaiserschnittrate von unter 20 Prozent.
In Deutschland hatten 2017 nur 21 Zentren mehr als 3.000 Geburten, 11,7 Prozent über 2.000, dagegen fast 60 Prozent unter 1.000 Geburten pro Jahr und sogar 18 Prozent unter 500.

Große Zentren sind in der Lage, wissenschaftliche und medizinische Expertise zu bündeln, durch Vorhaltung der erforderlichen Strukturen eine sofortige Intervention bei unerwarteten Komplikationen möglich zu machen und bei erwarteten Risiken eine interdisziplinäre Versorgung auf höchstem Niveau zu gewährleisten. Dazu gehören – das darf man nicht vergessen – neben Hebammen auch hochqualifizierte Ärzte und Geburtsmediziner. Das können kleine Abteilungen in der Regel wegen mangelnder Ressourcen nicht leisten. Genau das spiegeln die Daten der BAQ wieder. Es ist also der falsche Weg, kleine geburtshilfliche Abteilungen aufrechtzuerhalten, um damit eine wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten, wenn die Qualität nicht stimmt. Es ist aber auch der falsche Weg, sie zu schließen, ohne die Kapazität der übrigen großen Kliniken und Zentren zu erweitern.

Wenn man nun noch berücksichtigt, dass die meisten Perinatalzentren die vom G-BA in der QFR-RL geforderte 1:1-Betreuung für intensivtherapiepflichtige Frühgeborene unter 1.500 Gramm nicht gewährleisten und den Stellenschlüssel für das Pflegepersonal nicht einhalten können, sodass Risikoschwangere aus Angst vor Sanktionen abgewiesen werden, zeigt sich auch an diesem Beispiel, dass in den vergangenen Jahren einiges schiefgelaufen ist.
Es ist nicht damit getan, Geburtshilfe auf niedrigem Niveau überall vorzuhalten. Weder in kleinen Belegabteilungen noch in Geburtshäusern oder in der Hausgeburtshilfe. Was wir brauchen, ist ein umfassendes Versorgungskonzept mit Bündelung der Kräfte in großen Zentren, die in erster Linie eine Versorgung der High-Risk-Schwangeren bieten, aber auch Low-Risk-Schwangere versorgen können. Darüber hinaus müssen Kliniken, die Geburtshilfe anbieten, eine neonatologische Grundversorgung rund um die Uhr vorhalten.

Dieses Ziel ist nur durch Regionalisierung zu erreichen.

Hinweis
Aufgrund einer Leserzuschrift zur Problematik „Geburtshilfe in Kliniken außerhalb der Zentren“ haben wir die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) um einen Beitrag gebeten. Die Redaktion

Autorin
Professorin Dr. Birgit Seelbach-Göbel, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), Direktorin und Chefärztin, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe – Lehrstuhlinhaberin der Universität Regensburg, Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg – Klinik St. Hedwig, Steinmetzstraße 1-3, 93049 Regensburg

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