Weihnachten 2019

Dr. med. Gerald Quitterer

Welcher Wunsch erfüllt sich, was wird am Heiligen Abend wohl auf dem Gabentisch liegen? Das fragten wir uns vielleicht als Kinder. Bezogen auf die Lieferengpässe bei Arzneimitteln bleiben für viele Patientinnen und Patienten seit einigen Jahren die „Gabentische“ leer, sind doch in Deutschland vermehrt Lieferengpässe bei Arzneimitteln registriert worden. Das geht aus einer Mitteilung des Deutschen Bundestags „Heute im Bundestag Nr. 1308“ hervor. Der Mitteilung nach liegen Daten zu Lieferengpässen seit 2013 vor. In dem Jahr wurden 42 Fälle gemeldet, 2017 waren es 108 Fälle, 2018 bereits 268, und 2019 waren es bislang 216 Fälle. 2019 waren aktuell 127 als versorgungsrelevant eingestufte Wirkstoffe von Lieferengpassmeldungen betroffen. Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind in Deutschland derzeit gar 287 Medikamente betroffen.

Es ist nicht hinnehmbar, dass immer wieder Impfstoffe und Medikamente nicht verfügbar sind. Arzneimittel-Lieferengpässe können die Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten gefährden und stellen somit ein viel drängenderes Problem dar, als so manch anderes derzeit heiß diskutiertes gesundheitspolitisches Thema. Europäische Pharmafirmen müssen wieder forschen und investieren, insbesondere in die Entwicklung neuer Antibiotika. Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind – zwar nicht immer – häufig auch mit therapeutisch relevanten Versorgungsengpässen gleichzusetzen, so etwa bei Blutdrucksenkern, verschiedenen Antibiotika und Impfstoffen. Manchmal stehen keine geeigneten Alternativen zur Verfügung.

Lieferengpässe bei Arzneimitteln haben unterschiedliche Gründe. So können globale Lieferketten mit einer Konzentration auf wenige Herstellungsstätten für Arzneimittel und Wirkstoffe eine Ursache darstellen. Ebenso können Qualitätsmängel bei der Herstellung oder Produktions- und Lieferverzögerungen bei Rohstoffen ursächlich für die Engpässe sein. Ein wesentlicher Grund liegt sicherlich an dem erheblichen Kostendruck, der dazu geführt hat, dass viele Arzneimittelgrundstoffe im Ausland hergestellt werden und das vor allem in Fernost. Wenn es in diesen zentralisierten Herstellungsbetrieben dann plötzlich zu Produktionsstörungen kommt beziehungsweise Verunreinigungen auftauchen, dann kommt es ganz schnell zu Lieferengpässen.

Lieferengpässe sind somit auch eine Konsequenz des ökonomischen Denkens und des Wettbewerbs im Gesundheitswesen, ganz so, wie es der Ökonom Adam Smith (1776) in der „Der Wohlstand der Nationen“ beschrieben hat. Es sind die grundlegenden Wirkungsmechanismen der verschiedenen Märkte, die hier zum Tragen kommen. Rechnet sich eine Produktion für eine Firma nicht mehr, wird sie ins Ausland verlagert, um Kosten zu sparen beziehungsweise ganz eingestellt.

Gerade hat die Monopolkommission ihren dritten „Policy Brief“ vorgelegt, der sich mit dem Regierungsentwurf des Faire-Kassenwettbewerb-Gesetzes und dessen Auswirkungen auf die Entwicklung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung befasst. Der Entwurf des Faire-Kassenwettbewerb-Gesetzes sei zu begrüßen, heißt es da, und stärke in mehreren Punkten die Wettbewerbsbedingungen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Sieht so ein Wettbewerb um die beste Gesundheitsversorgung aus?

Was hat uns bewegt?

Weihnachten ist die Zeit des Innehaltens und des Nachdenkens. Zeit, das vergangene Jahr anzuschauen und sich zu fragen: „Was hat uns bewegt?“ Zweifelsohne der Deutsche Ärztetag in Münster mit der Wahl des Präsidiums der Bundesärztekammer. Zweifelsohne eine nie dagewesene Gesetzesflut aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG).

Aber auch der Galopp in die Digitalisierung, ohne die Deutschland auf dem internationalen Markt nicht mithalten könne, wenn man gerade auf dem Gesundheitsmarkt nicht kräftig investiere.Auf der anderen Seite haben wir in den Praxen veraltete Konnektoren für die Telematikinfrastruktur und müssen Strafzahlungen über uns ergehen lassen, wenn wir den IT-Anschluss nicht zeitgerecht durchführen.

» Heilkundeübertragung an Notfallsanitäter
» Impfen durch Apotheker
» Versorgungsangebote für Versicherte mit Gesundheits-Apps
» Reform der Notfallversorgung
» Aufbrechen der Versorgungsstrukturen
» Ökonomisierung in der Medizin
» Übernahme der Telematikinfrastruktur durch das BMG

Kaum jemand schenkt dem, was wir Ärztinnen und Ärzte in Deutschland täglich leisten, Beachtung. Mit Kritik ist man indes schnell bei der Hand. Man schafft neue Versorgungsebenen, wenn man das Gefühl hat, medizinische Versorgung stehe nicht schnell und nah genug zur Verfügung.

Da tut der Ruf nach mehr Studienplätzen in der Medizin gut und die Tatsache, dass die medizinische Fakultät in Passau zur Chefsache gemacht wurde.

Ich wünsche Ihnen, Ihren Familien und Ihren Lieben ein besinnliches Weihnachtsfest und einen schönen Jahreswechsel.

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