Gemeinsam für die Freiberuflichkeit!

Dr. Max Kaplan, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, im Gespräch mit Dr. Wolfgang Krombholz, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (v. li.).

Die Bundesregierung hat den Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) vorgelegt. Auch nach den vom Kabinett vorgenommenen Änderungen am VSG bleibt die Kritik auf der Seite der ärztlichen Selbstverwaltungskörperschaften weitgehend bestehen. Dr. Max Kaplan, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK), und Dr. Wolfgang Krombholz, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), im Kurzinterview mit dem „Bayerischen Ärzteblatt“.

Was macht diesen Gesetzesentwurf so problematisch für die Ärztinnen und Ärzte?
Kaplan: Unsere Kritik am GKV-VSG richtet sich insbesondere gegen die Aushöhlung der ärztlichen Freiberuflichkeit. Denn auch der Kabinettsentwurf setzt in vielen Bereichen weiterhin auf mehr staatliche Regulierung sowie auf eine weitere Kompetenzausweitung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).

Krombholz: Aus meiner Sicht wird durch das geplante Gesetz in der jetzt vorliegenden Form eine Misstrauenskultur gegenüber der Ärzteschaft, aber auch gegenüber ihren Standesorganisationen in Gang gesetzt. Dabei bringt mehr staatliche Einflussnahme immer nur noch mehr Bürokratie, Kontrollen und Dokumentationspflichten. Das kostet genau die Zeit, die den Haus- und Fachärzten in den Praxen dann für ihre Patienten fehlt.

Warum entzündet sich Ihre Kritik an der „Aufkaufregelung“ für Arztpraxen in überversorgten Gebieten?
Kaplan: Die Aufkaufregelung – von der ja ausschließlich die Vertragsarztpraxen (MVZ sind ausgenommen) betroffen sind – ist exemplarisch für die zunehmend zentrale Steuerung unseres Gesundheitswesens mit dem immer weiter drohenden Ausverkauf der Freiberuflichkeit. Wir müssen grundsätzlich darüber reden, inwieweit so eine Aufkaufregelung die wohnortnahe ärztliche Versorgung durch niedergelassene Ärzte noch sicherstellen kann oder, wie ich meine, gar verschlechtert. Viel besser wäre es doch, den Versorgungsbedarf neu zu definieren angesichts der medizinischen Entwicklung mit dem Trend hin zu „mehr ambulant“ sowie unter der Berücksichtigung der veränderten Morbidität unserer Patienten.

Krombholz: Kollege Kaplan hat völlig recht. Statt auf der Basis eines angeblichen Bedarfs aus dem letzten Jahrhundert neue Regelungen für den Praxisaufkauf zu erstellen, wäre es viel sinnvoller, sich den echten, aktuellen Bedarf vor Ort anzusehen und dann mit allen Beteiligten gemeinsam sinnvolle Lösungen zu finden. Uns allen ist klar, dass ein Aufkauf von bis zu 4.600 Praxen in Bayern verheerende Folgen für die Patientenversorgung hätte. Der Gesetzgeber muss in diesem Bereich nachbessern. Das wird ja momentan auch in Berlin so diskutiert.

Ein rotes Tuch sind auch die Termin-Servicestellen, oder?
Krombholz: Hier wurde eine populistische Lösung für ein Problem gefunden, das in der Realität zumindest in Bayern eigentlich gar keines ist. Diverse Patientenumfragen zeigen, dass die Terminvergabe in Bayerns Praxen gut und schnell klappt. Für uns in den KVen stellen die Termin-Servicestellen natürlich einen bürokratischen Zusatzaufwand dar, den die Kolleginnen und Kollegen aus ihrer Verwaltungskostenumlage zu tragen haben.

Kaplan: Arztsitze in vermeintlich überversorgten Gebieten abbauen zu wollen und gleichzeitig Terminservicestellen einzurichten ist zunächst mal ein Paradoxon. Patienten, die bei dringender Indikation einen Termin benötigen erhalten diesen heute schon, direkt oder über ihren Hausarzt. Bei einer weiteren Regelung gilt es einerseits die freie Arztwahl und andererseits den bürokratischen Aufwand, wie Kollege Krombholz schon ausführte, zu berücksichtigen.

Können die Krankenhäuser immer dort, wo Arztsitze nicht besetzt sind, künftig die Versorgung sicherstellen?
Krombholz: Nein, denn gerade da, wo die Haus- und Fachärzte fehlen, steht es auch mit der stationären Versorgung nicht zum Besten. Ich bin der Meinung, dass sich das System der Arbeitsteilung zwischen Kliniken und niedergelassenen Haus- und Fachärzten als Grundpfeiler unseres Gesundheitssystems bewährt hat. Daran wird niemand wirklich rütteln, der die Patientenversorgung in der bisherigen Form erhalten möchte.

Kaplan: Die Krankenhäuser sind auf ganz andere Krankheitsbilder ausgerichtet, sodass die Kollegen unter ungleich größerem Aufwand sich mit den Krankheitsbildern befassen und mit der Anamnese vertraut machen müssen. Außerdem arbeiten unsere Kollegen in den Kliniken bereits am Anschlag. Wie sollten sie die ambulante Versorgung auch noch schultern können?

Noch ein Wort dazu, dass der Gesetzgeber ein Zweitmeinungsverfahren etablieren will?
Kaplan: Gegen das Einholen einer Zweitmeinung habe ich gar nichts einzuwenden; das geschieht doch auch schon vielfach und reibungslos. Warum sollte auch ein Patient daran gehindert werden, einen weiteren ärztlichen Rat nachzufragen? Das haben wir auch in unserer Berufsordnung geregelt. Aber hier geht es doch um etwas ganz anderes. Der Gesetzgeber glaubt, durch eine Zweitmeinung bei „mengenanfälligen planbaren Eingriffen“ eine angebliche „Indikationsausweitung“ verhindern zu können.

Krombholz: Außerdem muss klar sein, dass für ein fest vorgegebenes Zweitmeinungsverfahren auch zusätzliche Geldern von den Krankenkassen kommen. Aus der Sicht des Hausarztes stellt sich dabei natürlich auch die Frage, ob ein solches Verfahren wirklich gut ist für ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis oder ob die Patienten dadurch nicht eher verunsichert werden könnten.

Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Dagmar Nedbal (BLÄK)

Top