Was Bayerns Ärztinnen und Ärzte (nicht) brauchen

Dr. Quitterer


Wenn Sie dieses Heft in Händen halten, liegt die Landtagswahl in Bayern schon hinter uns *, und es wird spannend werden, welche Zeichen die Regierung für eine gute medizinische Versorgung der Bevölkerung setzt und ob unsere ärztlichen Anliegen in diesem Zusammenhang angemessen berücksichtigt werden – hier nenne ich zum wiederholten Male die neue Approbationsordnung oder mehr Studienplätze für Humanmedizin.

Der für die bayerische Ärzteschaft wichtige Temin steht hingegen noch bevor: das im Februar dieses Jahres neu konstituierte Parlament trägt einen neuen Namen: Der 82. Bayerische Ärztinnen- und Ärzte­tag (BÄT) findet in diesem Jahr in meinem Heimatbezirk Niederbayern statt. Dabei werden wir die Möglichkeit haben, gesundheits- und ­berufspolitische Fragen, die auch im Wahlkampf Thema waren, zu diskutieren und entsprechende Beschlüsse zu fassen. Es wird um die aktuell drängenden Versorgungsfragen gehen.

Allen voran: Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie ihre medizinischen Fachangestellten werden in der Gesundheits­planung völlig ignoriert. Wir werden mit einer völlig unzureichenden Steigerung des Honorars im Regen stehen gelassen. Junge Ärztinnen und Ärzte für die Selbstständigkeit zu motivieren, sieht anders aus. Statt des geplanten Versorgungsgesetzes I, das einen flächendeckenden Ausbau von Gesundheitskiosken und Primärversorgungszentren sowie der Einrichtung von Gesundheitsregionen vorsieht, brauchen wir vielmehr ein Praxisstärkungsgesetz, das nachhaltig unsere Leistungen, aber auch Investitions- und Vorhaltekosten berücksichtigt. Denn in der Tat, die bayerische Ärzte­schaft leistet einen unverzichtbaren Beitrag für den Erhalt der Gesundheit der Bevölkerung unseres Landes.

Trotz aller Beteuerung der Politik ersticken wir weiterhin in Büro­kratie. Der zeitliche Aufwand, eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) oder ein elektronisches Rezept ­(eRezept) auszustellen bedeutet bei der aktuell dysfunktionalen Telematik-Infrastruktur (TI) einen Mehraufwand von Millionen Arztarbeitsstunden, während andererseits funktionierende Strukturen, wie die elektronische Gesundheitskarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber nicht ausgestellt werden. Jeder Berechtigungsschein muss deshalb in den Praxen umständlich und mit hohem Zeitaufwand Buchstabe für Buchstabe in das Praxisverwaltungssystem eingegeben werden. Hier werden wir mit fadenscheinigen Argumenten abgespeist.

Darüber hinaus wird uns Ärztinnen und Ärzten im Entwurf des ­Digitalgesetzes (DigiG) die Befüllung der elektronischen Patienten­akte (ePa) vorgeschrieben. Man mag sich ausmalen, was es heißt, die Daten didaktisch und semantisch interoperabel aufzubereiten. Hier wird jede Menge unvergütete Arbeitszeit auf die Ärzteschaft abgewälzt, die uns in der Patientenversorgung fehlt. Seitens der Patientinnen und Patienten ist zu fordern, dass nicht nur der Widerspruch gegen die ePA einfach und barrierefrei in Textform – also elektronisch genauso wie schriftlich – möglich ist, sondern auch gegen die Sekundärnutzung von darin bereits gespeicherten Daten. Dies vor allem, weil wir Ärztinnen und Ärzte in der Verantwortung stehen, den Patienten darüber aufzuklären, ob möglicherweise stigmatisierende Befunde im Zusammenhang mit der Gesundheitsdatennutzung übertragen werden.

Mit der neuen Krankenhausplanung versucht Bundesgesundheitsminister Lauterbach, die stationäre Versorgung im Land als zentrales Element der Daseinsvorsorge zukunftssicher zu machen. Ob der Paradigmenwechsel einer Abkehr vom Planbett zugunsten von Leistungsbereichen und Leistungsgruppen für unser Flächenbundesland Bayern eine Lösung sein kann, ist fraglich. Entscheidend ist für mich, dass die Zuständigkeit für die Krankenhausplanung bei den Ländern bleibt, dass der Bund nicht weitere Kompetenzen an sich zieht und, dass die ärztliche Expertise der in der Versorgung tätigen Ärztinnen und Ärzte angemessen berücksichtigt wird. Denn schließlich geht es um die konkrete Verbesserung der stationären Patientenversorgung und um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der in den Kranken­häusern Beschäftigten. Es ist unverständlich, dass es zu diesem Reformgesetz bereits eine 9. Stellungnahme der Regierungskommission gibt, die sich jetzt auch mit nicht abgestimmten Vorschlägen der Notarztversorgung annimmt.

Mit Sicherheit wird der Klimawandel auf dem 82. BÄT wichtiges Thema sein. 2023 war der wärmste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen. Der Neusiedler See soll aus der Donau gespeist werden, der Gardasee wurde um einen Meter abgesenkt. Wir brauchen dazu Lösungen und werden uns einmischen. Wir werden deshalb weiter Vorschläge vorlegen, wie die natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen erhalten und der Schutz vor klimawandel­bedingten Erkrankungen verbessert werden kann.

Das alles und noch Vieles mehr werden wir während des 82. BÄT diskutieren, der mit dem Impulsreferat „Ich bin so frei! Ärztliche Freiberuflichkeit und Verantwortung“ von Peter Müller, Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, starten wird. In der Arbeitstagung am Samstag und Sonntag befassen wir uns mit der aktuellen Sozial-, Gesundheits- und Berufspolitik, dem ­Tätigkeitsbericht und den Finanzen der BLÄK, sowie mit Fragen der ärztlichen Weiterbildungs- und Berufsordnung und der ärztli-chen Fortbildung.

In diesem Sinne freue ich mich auf spannende und informative Tage in Landshut; auf einen interessanten 82. BÄT mit anregenden Diskussionen und richtungsweisenden Beschlüssen.

* Ein Teil der Auflage wird bereits vor der Landtagswahl ausgeliefert und die Online-Veröffentlichung erfolgt am 5. Oktober 2023


Top