Spitzenmedizin braucht gute Arbeitsbedingungen

Dr. Andreas Botzlar, Vizepräsident der BLÄK

Hochspezialisierte Krankenversorgung rund um die Uhr – dafür stehen die sechs bayerischen Universitätskliniken und dafür stehen vor allem auch die dort tätigen Ärztinnen und Ärzte. Zusätzlich zur medizinischen Versorgung leisten sie wichtige Beiträge zur universitären Forschung und übernehmen Aufgaben in der Lehre, um Medizinstudenten auf den Arztberuf vorzubereiten.

Der Berufsalltag der Ärztinnen und Ärzte ist geprägt von dieser Mehrfachbelastung, die sich in einer hohen Anzahl von Überstunden und Zusatzdiensten niederschlägt. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit inklusive Diensten und Überstunden beträgt laut Mitgliederbefragung des Marburger Bundes 56,5 Stunden, ein Drittel der Uniklinikärzte (32 Prozent) arbeitet im Schnitt sogar 60 Stunden und mehr pro Woche (MB-Monitor 2019).

Vor allem die hohe Anzahl an Nacht- und Wochenenddiensten raubt nicht nur die Zeit für Fortbildung und persönliche Entfaltung, sondern vor allem auch die Zeit für Erholung und körperlichen Ausgleich, kurz, für die eigene Gesunderhaltung. Ärztinnen und Ärzte mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen sind zudem mit der oft kaum lösbaren Aufgabe konfrontiert, Beruf und Familie zu vereinbaren. So sagen 80 Prozent der im MB-Monitor befragten Klinikärzte, ihr Privat- und Familienleben leide durch überlange Arbeitszeiten.

Gerade die freie Zeit am Wochenende und an Feiertagen ist sozial wertvoll und kann für Freizeitgestaltung, Freunde und Familie genutzt werden. Fehlt diese Zeit, dann ist mit Beeinträchtigungen der Gesundheit zu rechnen. Drei Viertel der Ärztinnen und Ärzte in den Unikliniken sehen ihre Gesundheit durch die Gestaltung der Arbeitszeiten beeinträchtigt.

Es besteht kein Zweifel, dass Klinikärzte von diesen Risiken weit mehr betroffen sind als die Gesamtbevölkerung. Praktisch alle Klinikärzte erbringen Arbeitsleistungen außerhalb der typischen Tagesarbeitszeiten, während dies in der Gesamtbevölkerung „nur“ für jeden fünften Arbeitnehmer gilt.

Nachtarbeit kann die Schlafqualität verschlechtern und auch auf diesem Weg langfristig Burn-out und Depression begünstigen. Gerade in der Versorgung von Patienten können Fehler infolge von Müdigkeit und Erschöpfung schwerwiegende Folgen haben. Die aktuelle Arbeitszeitgestaltung von Ärztinnen und Ärzten in den Kliniken berücksichtigt diese arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse jedoch kaum.

Aus den Arbeiten unter anderem der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) wissen wir, dass lange Arbeitszeiten gesundheitlich besonders risikobehaftet sind, insbesondere dann, wenn sie zu ungünstigen Zeiten stattfinden. Dazu zählen sowohl Schichtarbeit als auch Nachtarbeit oder Wochenendarbeit. Alle diese gesundheitlich negativen Einflussfaktoren kumulieren bei den Ärztinnen und Ärzten in den Unikliniken.

Eine Neuordnung der entsprechenden tarifvertraglichen Vorschriften ist unumgänglich, um Arbeitszeitexzesse zu verhindern sowie Ärztinnen und Ärzte vor psychischer und physischer Überforderung zu schützen und dadurch letztlich auch eine bessere Sicherheit für Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Deshalb fordert der Marburger Bund in den aktuellen Tarifverhandlungen mit den Ländern unter anderem neue Höchstgrenzen für Bereitschaftsdienste und eine Begrenzung der Wochenenddienste auf maximal zwei Wochenenden pro Monat.

In den kommunalen Krankenhäusern werden neue Höchstgrenzen aufgrund des im vergangenen Jahr geschlossenen Tarifvertrages mit dem Marburger Bund bereits umgesetzt. Die Ärztinnen und Ärzte in den Unikliniken erwarten nun zu Recht, dass auch ihren Belangen Rechnung getragen wird – durch mehr Planbarkeit und Verlässlichkeit bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeiten sowie durch eine spürbare Verringerung der Gesamtarbeitsbelastung.

Dafür haben am 4. Februar 2020 bei einer zentralen Warnstreikkundgebung auch mehrere Hundert Ärztinnen und Ärzte aus den bayerischen Universitätskliniken demonstriert. In ihrem Kampf für bessere Arbeitsbedingungen wissen die Kolleginnen und Kollegen die Bayerische Landesärztekammer an ihrer Seite: Die Solidaritätserklärung unseres Präsidenten Dr. Gerald Quitterer wurde von ihnen dankbar aufgenommen. Es geht um mehr als nur einen neuen Tarifvertrag: Gute Arbeitsbedingungen sind Voraussetzung für eine gute Patientenversorgung.

Es bleibt zu hoffen, dass die Länder als Träger der Universitätskliniken diesem Anspruch nun endlich gerecht werden. An der großen Entschlossenheit der Kolleginnen und Kollegen an den Unikliniken in Bayern und darüber hinaus dürfte nach dem Warnstreik am 4. Februar kein Zweifel bestehen. Auch das Verständnis der Patienten für die Anliegen der Klinikärzte war allenthalben spürbar. Sie wissen, dass der Streik nicht gegen sie gerichtet war, sondern auch und gerade ihren Interessen gilt. Es liegt nun an den Ländern, den Konflikt zu befrieden und auf die Ärztinnen und Ärzte zuzugehen. Hier kommt dem Freistaat Bayern mit seinen sechs Universitätskliniken eine besondere Verantwortung zu.

 

 

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