Selbstbestimmung bis zum Lebensende

Der BLÄK-Präsident Dr. Max Kaplan im Gespräch mit Professor Dr. Georg Marckmann und Till-Christian Hiddemann (v.re.).

Aus über 15 Nationen kamen Wissenschaftler und Akteure aus dem Gesundheitswesen Anfang September zur „5th International Conference on Advance Care Planning and End of Life Care“ (ACPEL) nach München. Der Kongress fand erstmals in Europa statt und thematisierte die aktuellen Entwicklungen in der Hospiz- und Palliativmedizin, mit dem Ziel, das in den USA entwickelte Advance Care Planning (ACP) länderübergreifend zu installieren. Unter ACP ist die Selbstbestimmung von Patientinnen und Patienten in der letzten Lebensphase zu subsumieren, die zukünftig gestärkt und vor allem ausgebaut werden soll. Namhafte Referenten präsentierten Behandlungsmöglichkeiten für eine bessere und gezieltere Begleitung von Schwerstkranken und Sterbenden.

Anlässlich der Eröffnung sprachen Referenten, unter ihnen auch Dr. Max Kaplan, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK), über die aktuelle Situation der Versorgung von Schwerstkranken in ihren jeweiligen nationalen Gesundheitssystemen. Kaplan berichtete aus seiner über 30-jährigen Tätigkeit als Hausarzt. Während dieser Zeit habe er über 500 Patienten in ihrer terminalen Lebensphase betreut, die sich ihm anvertraut und Beistand gesucht hatten. „Gerade angesichts der aktuellen Diskussion in Deutschland über die Sterbehilfe will ich betonen, dass die Sterbebegleitung eine ganz wesentliche Aufgabe von uns Ärztinnen und Ärzten ist, aber nie als Hilfe zum Sterben verstanden werden kann“, mahnte Kaplan. Er berichtete auch von Situationen, in denen vor allem den Angehörigen und Pflegenden der mutmaßliche Wille des Patienten nicht klar gewesen sei und er sich eine schriftliche Festlegung gewünscht hätte. Kaplan begrüßte die Regelung im Patientenrechtegesetz zur Patientenverfügung, wonach die getroffene Willenserklärung für alle nun eine gesetzliche Verbindlichkeit darstellt. Weiter appellierte der BLÄK-Präsident, mehr Patienten zur Anfertigung einer Patientenverfügung zu ermuntern und sich rechtzeitig zu überlegen, wie eine ärztliche Behandlung am Ende ihres Lebens aussehen soll. Genauso wichtig sei es, den Patientenwillen möglichst konkret zu dokumentieren. Kaplan lobte das Konzept des ACP, die darin enthaltene Vorausverfügung und das begleitende informierende Gespräch. „Gerade in einer Gesellschaft des langen Lebens in Verbindung mit fast unerschöpflichen Möglichkeiten einer modernen medizinischen Behandlung ist es wichtig, dass jeder von uns qualifiziert beraten seine Betreuung am Lebensende unter Berücksichtigung seiner individuellen Situation plant“, schloss Kaplan.

Vernetzung und Rahmenbedingungen

Stellvertretend für die parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz sprach Till-Christian Hiddemann, Referat Grundsatzfragen der gesetzlichen Krankenversicherung, aus dem Bundesministerium für Gesundheit. Er mahnte an, dass im Rahmen der geplanten Verbesserungen der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland die Grundlagen geschaffen werden müssten, ACP auch in Deutschland zu etablieren und zu nutzen. „Es geht darum, die Strukturen unseres Gesundheitswesens so zu verändern, dass gründlich überlegte und aussagekräftige Vorausplanungen in Klinik und Praxis auch zuverlässig wahrgenommen werden und Beachtung finden“, betonte Hiddemann. Er mahnte, vor allem auf eine bessere Vernetzung der Menschen an den unterschiedlichen Orten im Gesundheitswesen hinzuarbeiten. „Die Politik kann nur Rahmenbedingungen setzen. Es sind die Verantwortlichen vor Ort in den Städten und Regionen, die die neuen Regelungen mit Leben füllen und ausgestalten“, so Hiddemann.

„ACP hilft Menschen, die schwer erkrankt sind, insbesondere in der letzten Lebensphase. Das Konzept ermöglicht, Patientenwünsche für künftige medizinische Behandlung auch dann zu berücksichtigen, wenn sich die Patienten selbst nicht mehr äußern können“, sagte Professor Dr. Georg Marckmann, Vorstand des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Tagungspräsident des ACP-Kongresses. Er verwies auf den aktuellen Gesetzentwurf zur Hospiz- und Palliativversorgung, der die Finanzierung von ACP-Programmen, die individuelle Gesprächsbegleitungen durch qualifiziertes Personal ermöglichen, in Einrichtungen der Seniorenpflege vorsieht. Der Bedarf bei Bewohnern von Pflegeheimen sei hier am größten. Allerdings sollte ACP langfristig nicht auf diesen Personenkreis beschränkt bleiben. „Es macht auch bei gesunden jüngeren Personen Sinn, vorauszuplanen, etwa für den Fall eines Unfalls, vor allem aber bei Menschen, die das Rentenalter erreicht haben und unter bestimmten Umständen eine Maximaltherapie mit dem Ziel der Lebensverlängerung kritisch sehen“, so der Medizinethiker. Langfristiges Ziel sei, durch ACP das Instrument der Patientenverfügung zu stärken. „Künftig werden immer mehr Menschen am Lebensende nicht für sich selbst entscheiden können, da die Zahl der Älteren steigt und auch die Verbreitung von Demenzerkrankungen zunehmen wird“, konstatierte Marckmann.

 

 

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