Neu in der Schmerzmedizin

Schmerzmedizin

Im Folgenden werden drei Fälle aus der (ambulanten) Schmerzmedizin vorgestellt. Der erste Fall befasst sich mit topischen Strategien in der Therapie der Post-Zoster-Neuralgie, die insbesondere auch bei älteren Menschen mit teils vielfältigen Vorerkrankungen Anwendung finden können. Im zweiten Fall werden medikamentöse Optionen in der Therapie der Migräne vorgestellt, die teilweise erst in den vergangenen Jahren eine Zulassung erhalten haben und noch nicht in den entsprechenden Leitlinien verankert sind. Im dritten Fall dreht es sich um die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Therapie bei einem Patienten mit einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS) der unteren Extremität.

Gürtelrose ‒ Capsaicin-Pflaster

Ein 78-jähriger Patient wird durch seinen Hausarzt 2018 erstmals in der interdisziplinären Schmerzambulanz vorgestellt mit anhaltenden Schmerzen rechts thorakal insbesondere im Bereich unterhalb der rechten Mamma sowie der mittleren Brustwirbelsäule bei Zustand nach Varizella-Zoster-Infektion 2017. Die typischen Effloreszenzen begleitet von intensiven Schmerzen in den Segmenten Th3-5 rechts traten damals nach einem länger anhaltenden grippalen Infekt im Herbst auf. Es wurde ambulant erst nach einigen Tagen mit einer oralen antiviralen Therapie reagiert. Die topische Applikation einer trocknenden, auch lokalanästhetisch wirkenden, Zink-Lotion unterstützte damals die Abheilung der Bläschen.

Anamnestisch bestand ein erhöhtes kardiovaskuläres Risikoprofil mit einem langjährigen arteriellen Bluthochdruck, einer mit Statinen behandelten Hypercholesterinämie sowie ein anhaltender Nikotinabusus (40 py). Neben einer stabilen Angina pectoris mit Herzinsuffizienz NYHA II war auch eine vorübergehende cerebrale Ischämie (TIA) 2016 eruierbar, eine orale Plättchenaggregationshemmung war etabliert. Erfreulicherweise bestand nach einem erfolgreich exzidiertem Prostata-Ca mit adjuvanter Chemotherapie bis 2015 eine anhaltende Remission mit regelmäßiger, unauffälliger Tumor-Nachkontrolle.

Epidemiologie und Risikofaktoren der Varizella-Zoster-Virus-Infektion

Nach der Primärinfektion, meist im Kindes- bis Jugendalter mit dem klinischen Bild der Windpocken, persistieren die Varizella-Zoster-Viren latent bis zur Reaktivierung in den Spinal- oder Hirnnervenganglien. Ein wesentlicher Risikofaktor hierfür ist ein erhöhtes Lebensalter: während unter 20-Jährige eine Inzidenz von 1 pro 1.000 Personenjahre aufweisen, steigt diese ab dem 50. Lebensjahr deutlich an (5 pro 1.000 Personenjahre) und liegt bei über 85-Jährigen bei > 12 pro 1.000 Personenjahren [1]. In dieser Gruppe haben bereits mehr als die Hälfte einen Herpes Zoster. Bei ca. 20 Prozent der über 60-Jährigen persistieren die Beschwerden länger als ein Jahr als Post-Zoster-Neuralgie (PZN) [2]. Mit Beginn einer virustatischen Therapie wird die Virusreplikation gestoppt und ein Fortschreiten der Erkrankung gehemmt. Prädiktive Faktoren für die Entwicklung einer PZN sind neben dem Lebensalter auch Schmerzen bereits vor dem Auftreten des typischen Exanthems, das zudem stark ausgeprägt ist, und ein hohes Schmerzniveau von Beginn der Infektion an [3]. Begünstigend wirken sich neben dem Lebensalter über 50 Jahre auch eine Immunsuppression durch Tumorerkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Diabetes mellitus, hämatologische Erkrankungen, immunsupressive Therapie (Chemo- oder Strahlentherapie) oder chronische Infektionen (zum Beispiel HIV-Infektion) aus [4].

Der Patient schilderte im Erstkontakt kribbelnd-brennende Schmerzen rechts thorakal, intermittierend auch mit einschießenden, als „elektrisch“ beschriebenen Sensationen. Die Schmerzintensität wurde tagsüber mit NRS 4-5 (numerische Rating-Skala) im Durchschnitt angegeben, gegen Abend lag das Schmerzniveau bereits bei NRS 6 von 10. Der Nachtschlaf war schmerzbedingt erheblich beeinträchtigt mit Ein- und Durchschlafstörungen, eine Bettdecke wurde nicht toleriert, liegen war nur auf der linken Körperseite möglich.

Die Schmerzen wurden durch das Tragen eines Hemdes deutlich verstärkt, sodass dies tagsüber in der Wohnung häufig vermieden wurde. Zusammen mit einer depressiven Verstimmung bedingt durch die chronische Schmerzsituation mündete dies bei einem eigentlich rüstigen und vielfältig interessierten älteren Herrn auch in einem sozialen Rückzug.

In der Untersuchung waren neben den narbigen Veränderungen nach Herpes-Effloreszenzen am rechten Brustkorb, eine ausgeprägte, schmerzhafte Überempfindlichkeit der Haut auf Berührung und Druck (Allodynie) sowie leichtes Kratzen mit einem Holzspatel (Hyperalgesie) im betroffenen und den angrenzenden Segmenten kranial und kaudal zu finden, bei ansonsten unauffälligem körperlichen Status.

Neben der spontanen, klassischen Schmerzempfindung bei neuropathischen Schmerzsyndromen mit kribbelnden („Ameisenlaufen“) oder schmerzhaften Missempfindungen (Dysästhesie), oberflächlichen Brennschmerzen (verstärkt in Ruhe) und „elektrisch“ einschießenden Schmerzattacken, können in der Untersuchung auch Minus- und Plus-Symptome eruiert werden. Dazu gehören das Taubheitsgefühl bezüglich Berührung (Hypästhesie), Vibration (Pallhypästhesie) und Schmerz (Hypalgesie) sowie ein reduziertes Temperaturempfinden (Thermhypästhesie). Die Plus- oder Positiv-Symptomatik zeigt sich in der Auslösung von Schmerzen bei normalerweise nicht schmerzhaften Reizen (Allodynie) sowie auch (stark) schmerzhafte Reaktion auf Kälte- oder Wärme-Reize sowie leicht stechende Reize (Hyperalgesie).

Noch während des ersten ambulanten Kontakts wurde mit einer topischen Therapie begonnen. Die Applikation von Lidocain-Salbe 5 % im zuvor ausgetesteten, empfindlichen Bereich zeigte ­eine unmittelbare analgetische Wirkung mit einer Schmerzreduktion bis NRS 1-2 nach ca. 30 Minuten. Aufgrund des positiven Ansprechens wurde zeitnah ein Termin für die Anwendung eines Capsaicin-Pflasters (Qutenza® 8 %) vereinbart.

Capsaicin ist ein natürlicher Wirkstoff, der in Pflanzen der Gattung Capsicum vorkommt (Chili-, Pfeffer- und Paprika-Pflanzen). Je nach Konzentration und Dauer der Anwendung hat es eine brennend-wärmende, durchblutungsfördernde und gefäßerweiternde bis zu einer schmerzstillenden, antinozizeptiven und juckreizlindernden Wirkung [5]. Das lipophile Vanillylamid setzt am TRPV1 (Transient Receptor Potential Vanilloid 1) in der Zellmembran von sensiblen Nerven an und stimuliert an diesem Kationenkanal die Freisetzung von Neuropeptiden wie Substanz P. Dies führt in einem ersten Schritt zu schmerzhaften brennenden Sensationen zusammen mit einer deutlichen Durchblutungsförderung mit Rötung und Überwärmung der Haut. In der Folge tritt eine Refraktärphase in Abhängigkeit von der Capsaicin-Konzentration mit einer länger anhaltenden Desensibilisierung und damit einhergehender Reduktion der schmerzhaften Beschwerden auf [6].

Capsaicin-haltige Salbe wird traditionell bei Muskelschmerzen und -verspannungen des Nackens bzw. der in der Lumbalregion auch aufgrund der durchblutungsfördernden Eigenschaften als „Wärme-Salbe“ angewendet. Hochkonzentriertes Capsaicin-Pflaster (8 %) kann bei peripheren neuropathischen Mono- und Polyneuropathien wie zum Beispiel Schmerzen nach einer Post-Zoster-Neuralgie sowie auch zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen im Rahmen einer diabetischen Polyneuropathie der Füße angewendet werden [7].

Eine Capsaicin-Applikation setzt eine intakte Haut ohne Effloreszenzen voraus. Vor der Anwendung des achtprozentigen Capsaicin-Pflasters wird zunächst das schmerzhafte Haut-Areal sorgfältig ausgetestet (PinPrick und dynamisch) und mit einem Hautmarker angezeichnet sowie eine Schablone auf Klarsichtfolie erstellt. Im nächsten Schritt wird flächendeckend eine Lidocain-Salbe (5 %) für ca. 60 Minuten als Okklusivverband aufgetragen, wodurch zusammen mit einer optio­nalen oralen Analgetika-Gabe die unmittelbare nozizeptive Reaktion auf den scharfen Wirkstoff gelindert wird.

 
Abbildung 1: Die Bilderserie zeigt die Austestung und Anzeichnung des schmerzhaften Areals (a), die Erstellung einer Schablone (b), das Übertragen auf ein Capsaicin-Pflaster (c), die Fixierung des zugeschnittenen Capsaicin-Pflasters (d) sowie die Hautrötung im behandelten Bereich nach Entfernung des Pflasters (e).

Im nächsten Schritt wird das nach Schablone ­exakt zugeschnittene Pflaster aufgeklebt und ­fixiert. Je nach Körperregion beträgt die Einwirkzeit 60 Minuten am Körperstamm und 30 Minuten an Händen und Füßen. Danach wird die behandelte Haut mit einem speziellen Reinigungsgel behandelt, um Rückstände des Wirkstoffs soweit wie möglich zu entfernen. Während der Applikation von Capsaicin ist darauf zu achten, dass auch das therapeutische Personal keinen direkten Kontakt mit dem Wirkstoff hat, insbesondere ein Kontakt mit Augen und Schleimhäuten ist dringend zu vermeiden. Eine ausreichende Lüftung im Behandlungsraum ist vorteilhaft, da bei Verwirbelung und Einatmung von Capsaicin eine Reizung der Atemwege bis hin zu Asthma-Anfällen ausgelöst werden kann. Dementsprechend muss Schutzkleidung (Personal: doppelte Nitril-Handschuhe, Schutzbrille, Mundschutz, Schutzkleidung; Patient: Mundschutz, Schutzbrille) getragen werden.

Die Nebenwirkungen Rötung, Juckreiz und brennender Schmerz an den behandelten Stellen klingen häufig innerhalb von ca. 24 Stunden ab. Die Anwendung von Cold Packs und lokalanästhetisch wirkender Salbe kann die Beschwerden lindern, ebenso die Einnahme von Nicht-Opioid-Analgetika für ein bis zwei Tage. Häufiger lässt sich auch eine vorübergehende Kreislaufreaktion im Sinne einer Hypertonie finden, eine intermittierende Blutdruckmessung sollte deshalb durchgeführt werden. Allerdings ist eine antihypertensive Medikation nur selten indiziert [8].

Drei Tage nach der Capsaicin-Pflaster-Anwendung stellte sich der Patient zur Evaluation in der Schmerzambulanz vor und berichtete über eine Reduktion des Schmerzniveaus bis NRS 1-2, intermittierend waren bei Ablenkung die Beschwerden auch für längere Zeit vollständig regredient. Aufgrund der über einen Zeitraum von ca. acht bis zwölf Wochen nachlassenden Wirkung wird in regelmäßigen Abständen eine erneute Anwendung des Capsaicins durchgeführt.

In der Folge konnte er durch die Reaktivierung seiner unterschiedlichen Hobbies und Wiederaufnahme seiner sozialen Beziehungen wieder neue Lebensqualität gewinnen.

Gerade bei älteren Menschen bestehen neben der Schmerzerkrankung weitere, vielfältige Vorerkrankungen, die einer spezifischen, auch medikamentösen Therapie bedürfen. Die Polypharmazie ist dabei ein unabhängiger Risikofaktor für weitere Komplikationen. Deshalb wird versucht, durch die Anwendung der topischen Wirkstoffe soweit möglich potenzielle Interaktionen und unter Umständen nachteilige Neben- bzw. Wechsel­wirkungen zu vermeiden.

In der geschilderten Situation sollte aufgrund des kardiovaskulären Risikoprofils mit Verdacht auf eine Koronare Herzerkrankung bei stabiler Angina pectoris NYHA II und arterieller Hypertonie sowie einer vorübergehenden cerebralen Ischämie (TIA) 2016 auf den Einsatz von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAID) verzichtet werden, um nicht die Wahrscheinlichkeit für weitere kardiovaskuläre Ereignisse zu erhöhen. Zudem zeigen NSAID ebenso wie Metamizol bei einer Post-Zoster-Neuralgie kaum eine Wirkung. Grundsätzlich ist bei einem neuropathischen Schmerz die Gabe eines Antikonvulsivums wie Gabapentin oder Pregabalin in allmählich ansteigender Dosierung zur Symptomkontrolle indiziert, kann im höheren Lebensalter unter anderem jedoch auch mit einem erhöhten Sturzrisiko assoziiert sein. Die im Erleben des Patienten sehr gute Schmerzkontrolle führte auch zu einer Reaktivierung der sozialen Beziehungen, eine medikamentöse antidepressive Therapie konnte dadurch vermieden werden.

Durch die Anwendung topischer Wirkstoffe bei neuropathischen Schmerzsyndromen können ­adjuvante orale Medikamente niedriger dosiert bzw. teilweise auch vermieden werden. Ausschlag­gebend ist dabei eine regelmäßige Wiederholung der Capsaicin-Anwendung nach ca. acht bis zwölf Wochen bei nur reversiblen Funktionsverlust an den sich regenerierenden, nozizeptiven Nerven­endigungen.

Chronische Migräne – stufenweise Eskalation der medikamentösen Prophylaxe

Eine 35-jährige Patientin entwickelte während einer ambulant durchgeführten Abrasio eine ausgeprägte Migräneattacke mit starkem Erbrechen, sodass ein schmerztherapeutisches Konsilium zur raschen Symptomkontrolle angefordert wurde. Die Akuttherapie gelang mit Novalgin und Metoclopramid (MCP) intravenös sowie der einmaligen Applikation von Sumatriptan 6 mg subcutan. Drei Tage später stellte sie sich geplant in der Schmerzambulanz vor, auf die sie durch das Konsilgespräch aufmerksam wurde.

In der Anamnese-Erhebung wird deutlich, dass die Patientin bereits während ihrer Adoleszenz eine Migräne mit Aura entwickelt hatte, die zunächst hormonell bedingt im Rahmen der Menstruation einmal pro Monat auftrat und mit der bedarfsweisen Einnahme von Ibuprofen zuverlässig begrenzt werden konnte.

Während der beruflichen Ausbildung zur Dentallaborantin entwickelte sie zusätzlich Spannungskopfschmerzen als Auslöser für Migräne-Anfälle, sodass die Frequenz allmählich auf ca. ein bis zwei Anfälle pro Woche anstieg. Eine Betablockade mit Metoprolol in ansteigender Dosierung wurde versucht, von der jungen Frau jedoch nicht toleriert mit Schwindel und hypotensiver Dysregulation als Nebenwirkung.

Nach ihrer Heirat und der Geburt dreier Kinder war sie für neun Jahre nicht berufstätig. Parallel begann sie regelmäßig unter der Woche zu Joggen. In diesen Jahren trat die Migräne insbesondere während der Schwangerschaften deutlich in den Hintergrund und auch im Verlauf selten und meist nur in abgeschwächter Form auf.

Zunächst geringfügig und in der Folge nach beruflicher Weiterqualifikation war die Patientin mit 24 Stunden pro Woche im Drei-Schicht-Betrieb als Betreuungskraft in einer Wohngruppe für Menschen mit leichteren körperlichen und psychischen Einschränkungen wieder berufstätig. In diesem Zeitraum hatte sie begonnen, das Antikonvulsivum Topiramat allmählich aufdosiert bis
75 mg täglich als Prophylaktikum zu nehmen. Nach einer Nephrolithiasis mit Kolik und invasiver Steinentfernung wurde diese Therapieoption trotz initial guter Wirksamkeit wieder verlassen. Inwieweit andere prädisponierende Faktoren zur Ausbildung der Nierensteine beigetragen hatten, konnte retrospektiv nicht sicher eruiert werden, eventuell kommt hier eine parallele Elektrolytsubstitution als additiver Faktor in Betracht.

Seit 2019 ist sie in Vollzeit in der Betreuungseinrichtung beschäftigt, auch aufgrund einer längeren Arbeitsunfähigkeit ihres Ehemanns. Eine Einnahme von Amitriptylin 10 mg zur Nacht konnte durch die Tätigkeit im Schichtbetrieb nicht sinnvoll etabliert werden.

Trotz einer dringenden und wiederholten Empfehlung für eine multimodale Therapie in einer Schmerztagesklinik konnte sich die Patientin nicht für eine Abwesenheit vom Arbeitsplatz für einen Zeitraum von ca. fünf bis sechs Wochen entscheiden. Im Rahmen der SARS-CoV-2-­Pandemie wurde außerdem dieser nicht-medikamentöse Ansatz zur multimodalen Vermittlung von Entspannungsverfahren sowie unterschiedlichen Strategien zur Stressbewältigung und Selbstfürsorge in vielen Kliniken aufgrund der Infektions-Schutzbestimmungen auch nicht mehr angeboten. Parallel nahm die berufliche und familiäre Stressbelastung auch aufgrund finanzieller Sorgen in der Familie der Patientin deutlich zu.

Migräne ist eine der häufigsten und am stärksten beeinträchtigenden neurologischen Krankheitsbilder. In den westlichen Industrieländern sind ca. 11 Prozent der erwachsenen Bevölkerung an Migräne erkrankt. Frauen sind zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Männer, insbesondere zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Aber auch bei Kindern und Jugendlichen ist eine zunehmende Prävalenz zu beobachten. In Deutschland ist von ca. 10 Millionen Betroffenen auszugehen [9, 10]. Migränekopfschmerzen sind charakterisiert durch ein meist einseitiges Auftreten von häufig pochend-pulsierenden Kopfschmerzen mit hoher Schmerzintensität über vier bis 72 Stunden. An Begleitsymptomen treten Übelkeit, Erbrechen, Licht- und/oder Lärmscheu mit Rückzugsbedürfnis sowie auch Geruchsempfindlichkeit auf. Im akuten Anfall führen Bewegung und körperliche Belastung zu einer unmittelbaren Verstärkung der Beschwerden. Bei ca. 20 Prozent der Migräne­patienten ist eine Aura mit verschiedenen neurologischen Ausfallerscheinungen vorhanden. Eine episodische Migräne kann in eine chronische Migräne übergehen, wenn an 15 und mehr Tagen im Monat Kopfschmerzen auftreten, die an mehr als acht Tagen migränetypisch sind. Die chronische Migräne tritt mit einer Häufigkeit von 0,2 bis 1,5 Prozent in der Bevölkerung auf, dabei besteht bei ca. 80 Prozent eine begleitende psychiatrische Komorbidität wie Depression und Angsterkrankung [11]. Für die Entwicklung einer chronischen Migräne werden Übergewicht, Insomnie, Schädel-Hirn-Traumen und traumatische Erlebnisse in der Anamnese benannt. Parallel findet sich häufig auch ein Spannungskopfschmerz, zudem sind oft die Kriterien für einen Medikamenten-Übergebrauch-Kopfschmerz (MÜK) erfüllt [12].

Grundsätzlich sollte vor einer Medikation eine Bildgebung (zum Beispiel CT oder MRT des Schädels) zum Ausschluss einer sekundären Migräne­ursache erfolgen. Parallel zur Etablierung der medikamentösen Prophylaxe ist das Führen eines Kopfschmerzkalenders angezeigt. Gemäß der Leitlinie zur Therapie und Prophylaxe der Migräne sind die Wirkung der Betablocker Metoprolol und Propranolol, des Kalziumantagonisten Flunarizin und der Antikonvulsiva Topiramat und Valproinsäure sowie von Amitriptylin am besten durch randomisierte Studien belegt. Die Anwendung von Onabotulinumtoxin A erfolgt in der Regel erst, nachdem zwei bis drei leitliniengerechte, orale Medikamente zur Prophylaxe in ausreichender Dosierung und Dauer ohne Erfolg geblieben sind. Die Applikation erfolgt an 31 definierten Injektionspunkten am Kopf bzw. Nacken und bleibt spezialisierten Versorgungsstrukturen vorbehalten. Grundsätzlich erfolgt nach zwei bis drei Monaten eine Evaluation der Wirksamkeit der Prophylaxe. Ungefähr nach sechs bis zwölf Monaten kann die Notwendigkeit einer weiteren Prophylaxe überprüft werden [10].

 
Tabelle 1: Übersicht über medikamentöse Migräneprophylaxe (nach [10]).

Migräne ist genetisch verankert und wird durch komplexe pathophysiologische Prozesse ausgelöst [13, 14]. Vor ca. 40 Jahren wurde das Neuropeptid Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) mit den zwei Isoformen α-CGRP und β -CGRP entdeckt, das sowohl im zentralen als auch peripheren Nervensystem exprimiert wird [15]. Es führt zu einer deutlichen Gefäßdilatation und verursacht eine neurogene Entzündungsreaktion. Zudem wird dadurch auch eine Sensibilisierung an Schmerzrezeptoren in der Gefäßwand ausgelöst. Durch die Infusion von CGRP können bei Migräne­patienten Anfälle ausgelöst werden [16, 17]. Seit 2018 sind monoklonale Antikörper in Deutschland zugelassen, die direkt an den CGRP-Rezeptor (Erenumab) oder an das Neuropeptid (Fremanezumab, Galcanezumab, Eptinezumab) binden und somit eine Entzündungsreaktion und Gefäßerweiterung verhindern können. Eine Aufstellung der verfügbaren Wirkstoffe sowie einige Charakteristika der verschiedenen Substanzen können der entnommen werden.

 
Tabelle 2: Monoklonale anti-CGRP-Antikörper zur Prophylaxe der episodischen und chronischen Migräne.

Die Indikationsstellung für eine Anwendung der anti-CGRP-(Rezeptor-) Antikörper ist auf eine ­exakte Diagnose der Migräne nach den Kriterien der 3. Auflage der Internationalen Kopfschmerzklassifikation (IHCD-3) zu stützen. Hierbei stehen im Vordergrund Patientinnen und Patienten mit Kopfschmerzen und Migräneanfällen mit und ohne Aura an mehr als vier bzw. acht Tagen pro Monat über einen Zeitraum länger als drei Monate (episodische bzw. chronische Migräne).

Vor einer Verordnung monoklonaler Antikörper wurden zumindest zwei für die leitliniengerechte Migräneprophylaxe zugelassene Wirkstoffe angewendet und dokumentiert, die entweder nicht wirksam oder nicht verträglich waren bzw. für die beim individuellen Patienten Kontraindikationen bestehen.

Bei der oben genannten Patientin bestand zum Zeitpunkt der Vorstellung in der Schmerzambulanz eine episodische Migräne mit ca. fünf bis sieben Migränetagen pro Monat, in Abhängigkeit von der hormonellen Situation als auch von beruflichen Belastungen. Bei vermehrten Nachtschichten stieg trotz der frühzeitigen Einnahme der Akutmedikation mit Ibuprofen 800 mg als auch Almotriptan 12,5 mg p. o. die Anfallshäufigkeit an. Neben der Behandlung eines zusätzlichen Spannungskopfschmerzes wurde auch die drohende Entwicklung eines Medikamenten-Übergebrauch-Kopfschmerzes thematisiert. Aufgrund der langjährigen Vorgeschichte und den vielfältigen prophylaktisch eingesetzten medikamentösen Wirkstoffen wurde nach dem Ausschluss einer sekundären Migräne mittels Schädel-MRT mit der Applikation von anti-CGRP-Antikörpern (Erenumab 140 mg) begonnen. Aufgrund der langen Halbwertszeit erfolgt dies in einem Rhythmus von 28 Tagen als subkutane Injektion in der Praxis. An Nebenwirkungen traten bisher ein Erythem an der Injektionsstelle sowie ein leichter Juckreiz auf. Durch das weiterhin sorgfältige Führen eines Kopfschmerzkalenders konnte bereits nach ca. 14 Tagen eine Reduktion der Migräne-Anfälle dokumentiert werden, inzwischen bis zu einer Anfallshäufigkeit von zwei bis drei pro Monat. Parallel konnte die Einnahme der Akutmedikation erheblich reduziert werden.

Verschiedene multizentrische, randomisierte, placebo-kontrollierte Phase-III-Studien mit monoklonalen Antikörpern gegen CGRP bzw. CGRP-Rezeptoren zeigen sowohl für episodische als auch chronische Migräne neben einer Reduktion von Migränetagen um ca. 50 Prozent bei Respondern bei guter Verträglichkeit mit wenigen Nebenwirkungen auch eine Verringerung der Einnahme von Akutmedikation sowie eine Besserung einer parallel bestehenden depressiven Symptomatik und einen Rückgang der kopfschmerzbedingten Beeinträchtigung auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität [18 bis 27].

Inzwischen hat die Patientin auch mit Nordic Walking als regelmäßigem Ausdauersport im aeroben Bereich begonnen und setzt mit Hilfe einer App intermittierend Entspannungstechniken wie Progressive Relaxation nach Jacobson ein. Die Anwendung von nicht-medikamentösen Strategien wurde durch das Ansprechen auf die Prophylaxe teils erst ermöglicht und soll auch durch eine engmaschige Begleitung in der Schmerzambulanz weiter unterstützt und gefestigt werden.

Auch wenn durch die Applikation von monoklonalen CGRP-Antikörpern bei der überwiegenden Anzahl der Patienten keine vollständige Beschwerdefreiheit erzielt werden kann, steht damit zumindest eine weitere, wirksame therapeutische Option in der Migräne-Prophylaxe zur Verfügung. Aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren stellen dabei auch klassische, nicht-medikamentöse Behandlungsansätze wie stressreduzierende Lebensstilmodifikationen, ein regelmäßiger Tagesablauf, die Durchführung von Ausdauersportarten sowie der gezielte Einsatz von Entspannungstechniken und Methoden zur Schmerzbewältigung wertvolle Bausteine im multimodalen Behandlungskonzept dar.

CRPS Typ I – TENS und SCS-Implantation

Auf Anraten der BG-Unfallambulanz wird ein 55-jähriger Patient mit anhaltenden Schmerzen im Bereich des linken Fußes und des oberen Sprunggelenks (OSG) bei Zustand nach einer ­Weber-C-Fraktur vorgestellt, die er sich beim Aussteigen aus einem LKW zugezogen hatte. Es erfolgte eine unmittelbare operative Versorgung mittels Schraubenosteosynthese der Fibula im März 2019.

 


Abbildung 2 (links): Weber-C-Fraktur am linken oberen Sprunggelenk. Abbildung 3 (rechts): Zustand nach operativer Versorgung mittels Schraubenosteosynthese

Bei den Verlaufskontrollen war ein lokaler Wundinfekt evident, sodass ein operatives Debridement über dem lateralen oberen Sprunggelenk (OSG) links erfolgte. Bei weiterhin bestehenden Wundheilungsstörungen wurde sechs Monate nach dem Unfall eine Metall­entfernung durchgeführt. Im Verlauf entwickelte sich ein anhaltender, starker, brennend-stechender Schmerz im gesamten Fuß- und Sprunggelenksbereich, wobei sich die Schmerzintensität durch die Einnahme von Ibuprofen (bis 3 x 800 mg pro Tag) und Metamizol (bis 4 x 1 g pro Tag) nur wenig beeinflussen ließ.

Nach einer probatorischen Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit im Januar 2020 kam es zu einer deutlichen Verstärkung der Schmerzsymptomatik mit weiterer Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit. Ambulante Maßnahmen wie Physiotherapie (EAP) und Lymphdrainage zeigten keinen anhaltenden schmerzlindernden Effekt, auch die Funktion war weiterhin deutlich eingeschränkt, ein Gehen nur an Unterarmgehstützen mit nahezu vollständiger Entlastung des linken Beins möglich.

In der Schmerzambulanz zeigten sich bei persistierenden Brennschmerzen im Bereich des OSG und des distalen Fußes links eine deutliche ­Hyperalgesie und Allodynie bis zu den Zehen, eine livide Verfärbung und kalte Hauttemperatur, ein mäßiges Ödem sowie eine Hyperhidrosis und praktisch nicht mehr vorhandenes Nagelwachstum bei ausgeprägtem Haarwachstum über dem Fußrücken. Die Beweglichkeit war sowohl im gesamten Fußgelenk als auch in den Zehengelenken stark eingeschränkt. Anamnestisch bestanden diese Symptome bereits seit fast einem Jahr. Anhand der Budapest-Kriterien wurde ein komplexes, regionales Schmerzsyndrom (complex regional pain syndrom, CRPS Typ I mit kaltem Subtyp) diagnostiziert.

 
Tabelle 3: Modifizierte Budapest-Kriterien (28) für die Diagnose eines Komplexen Regionalen Schmerzsyndroms (CRPS): für die Diagnose müssen alle vier Kriterien erfüllt sein.

Das Schmerzniveau wurde mit einer Intensität von NRS 5-6 in Ruhe und NRS 8 bei bereits geringen Belastungen angegeben. Durch Hochlagerung des Fußes konnte der Patient dem Schmerz etwas entgegenwirken. Zudem traten intermittierend einschießende, „elektrische“ Schmerzen im Bereich des Sprunggelenks auf, die in Richtung Achillessehne und lateralseitig am Fuß entlang bis in die Zehen ausstrahlten.

Seit dem Beginn der medikamentösen Therapie mit Pregabalin (bis 300 mg pro Tag) sowie Amitriptylin 10 mg zur Nacht konnte die Attackenintensität etwas gelindert sowie auch der Nachtschlaf gebessert werden. Eine weitere Steigerung der Medikation war limitiert durch eine deutliche Gewichtszunahme und Tagesmüdigkeit. Es bestand allerdings ein erheblicher Leidensdruck durch die nicht-vorhersehbare, einschießende Schmerzsymptomatik („Stromschläge“ bis zu 15 x/Stunde) sowie durch die weiterhin stark eingeschränkte Belastbarkeit des linken Fußes mit konsekutiver Arbeitsunfähigkeit.

Ein CRPS (früher Morbus Sudeck, nach dem Erstbeschreiber Paul Sudeck benannt) entwickelt sich nach Verletzung einer Extremität bei zwei bis fünf Prozent der Patienten, zumeist nach einer distalen Radiusfraktur [29]. Die Inzidenz liegt zwischen 5,5 bis 26,2/100.000 Patienten und Jahr [29, 30]. Es besteht ein Häufigkeitsgipfel zwischen 40 bis 70 Jahren, allerdings können auch Kinder ein CRPS entwickeln [31]. Frauen sind häufiger betroffen, allerdings kann dies auch daran liegen, dass Frauen zwischen 50 und 70 Jahren ca. dreimal häufiger Frakturen erleiden [30]. Es wird zwischen einem CRPS Typ I ohne nachweisbare Nervenläsion und CRPS Typ II mit zugeordneter Nervenläsion unterschieden. Außerdem kann noch eine Einteilung nach einem „primär warmen“ Subtyp (ca. 70 Prozent) und einem „primär kalten“ Subtyp (ca. 30 Prozent) erfolgen.

Die Prognose ist schwierig, nach einem Jahr haben sich jedoch bei ca. 70 Prozent der Patienten die sichtbaren Symptome sowie die Funktion signifikant gebessert. Beschwerdefrei sind nach diesem Zeitraum jedoch nur ca. fünf Prozent der Betroffenen [32].

Pathophysiologisch besteht zunächst eine akute Entzündung postraumatisch mit den klassischen klinischen Zeichen Rubor, Tumor, Calor, Dolor und Functio laesa. Zytokine sensibilisieren periphere sowie zentrale Schmerzrezeptoren und zeichnen damit für die Schmerzentstehung bis zur Hyperalgesie verantwortlich. Parallel steigern die Zytokine auch die Produktion von Neuropeptiden wie CGRP und Substanz P, die wiederum zu einer Rötung, Überwärmung und ödematösen Schwellung beitragen sowie für die Hyperhidrosis und das vermehrte Haarwachstum verantwortlich sind [33]. Eine Endothelin-1-Überproduktion sensibilisiert C-Fasern und verursacht wahrscheinlich zusammen mit einem Stickstoffmonoxid-Mangel die kalte, livide und feuchte Haut beim primär kalten CRPS-Subtyp.

Gleichzeitig werden durch das Trauma Keratinozyten stimuliert, die eine Proliferation von Bindegewebszellen mit Kontrakturneigung und konsekutiver Funktionseinschränkung in den Gelenken induzieren sowie durch aktivierte Osteoklasten eine Osteoporose bedingen [34].

Im Verlauf der Erkrankung treten die entzündlichen Prozesse eher in den Hintergrund und zentralnervös bedingte Veränderungen prägen jetzt das klinische Bild mit Symptomen wie Allodynie und Bewegungsstörungen, zudem Körperrepräsentationsstörungen und kognitiv-emotional geprägtes Vermeidungsverhalten [35].

Der Patient wandte zusätzlich zur oralen medikamentösen Therapie noch eine Lidocain-Creme topisch mehrfach täglich an und konnte dadurch schrittweise auch die Dysästhesien reduzieren. Im Rahmen einer multimodalen Schmerztherapie im tagesklinischen Setting konnten neben Stressbewältigung auch Entspannungsverfahren etabliert werden. Zusätzlich wurde eine spezialisierte Physiotherapie, Spiegeltherapie, Ergotherapie und medizinische Trainingstherapie unter Wahrung der Schmerzgrenzen durchgeführt und damit eine gezielte Nutzung und Verwendung des linken Beins unterstützt. Dabei konnten Fortschritte erzielt werden, sowohl in Bezug auf eine Reduktion des Schmerzniveaus als auch in einer schrittweisen Steigerung der Belastbarkeit der unteren Extremität.

Während der Arbeitserprobung im Betrieb war allerdings bereits während des Kursprogramms absehbar, dass für den Patienten einerseits außer Frage stand, dass er wieder in seinem Beruf als Maschinenführer und LKW-Fahrer tätig bleiben würde, sämtliche Angebote in Bezug auf Umschulung, alternativen Arbeitsplatz innerhalb der Firma sowie auch EU-Rente wurden strikt abgelehnt. Andererseits wurde offensichtlich, dass eine Belastung der unteren Extremität über ein bis zwei Stunden sowohl schmerzlimitiert war als auch mit einer starken Schwellung und dunkellividen Verfärbung des linken Fußes einherging. Zusätzlich traten erneut Gewebedefekte im Bereich der Operationsnarben mit deutlich verzögerter Wundheilung auf.

 


Abbildung 4: Rezidivierende Wundheilungsdefekte im Narbengebiet.

In den vergangenen Jahren wurde die Bedeutung des sympathischen Nervensystems in der Pathophysiologie des CRPS relativiert und der Fokus auf neurogene Entzündungsprozesse gesetzt, die die initial als vegetativ gedeuteten Symptome wie Rötung, Schwellung, Überwärmung und Hyperhidrosis auslösen. Allerdings ist bei einem chronischen CRPS die Entzündungsreaktion lokal praktisch nicht mehr vorhanden und es spricht einiges für eine zentralnervöse Dysregulation. Beispielsweise kann bei einem CRPS mit primär kalten Subtyp die Durchführung einer Sympathikusblockade nicht nur zu einer unmittelbaren Normalisierung der Hautfarbe und -temperatur führen, sondern auch zu einer sofort einsetzenden gebesserten Belastbarkeit und Funktion sowie zu einer ausgeprägten Reduktion der Schmerzen bis hin zur temporären Schmerzfreiheit beitragen. Im therapeutischen Verlauf treten dann die invasiven Blockaden allmählich in den Hintergrund. Gleichzeitig kann die Anwendung von Transkutaner Elektrischer Nerven-Stimulation (TENS) durch den Patienten selbst und damit therapeutenunabhängig zur Schmerzreduktion eingesetzt werden. Diese Methode, bei der niedrige Spannungsmodulationen über epikutane Silikonelektroden appliziert werden, wurde Anfang der 70er-Jahre auf der Grundlage der Gate-Control-Theorie entwickelt [36]. Im Prinzip wird eine Schmerzlinderung erreicht durch eine Minimierung oder sogar komplette Ausschaltung von myelinisierten afferenten A-β-Fasern, die die Transmission nozizeptiver Inputs über Aktivierung der A-δ-Fasern und nicht-myelinisierte sympathische Afferenzen der C-Fasern unterdrücken.

Aufgrund einer subjektiv sehr guten Wirksamkeit der TENS wurde in enger Absprache und Zusammenarbeit mit den Kollegen der neurochirurgischen Abteilung die Anlage einer Spinal Cord Stimulation (SCS) mit programmierbarer Steuerung zusammen mit dem Patienten diskutiert und in Erwägung gezogen. Aus psychologischer Sicht bestanden keine Bedenken gegen die Implantation einer periduralen Stimulationselektrode. Im Verlauf erfolgte die Implantation eines entsprechenden Systems unter Analgosedierung, um eine sichere perioperative Platzierung der Elektroden mit Abdeckung des schmerzhaften Bereichs am Fußgelenk und den gesamten Fuß links durch die Stimulation zu erreichen.

 

 
Abbildung 5 und 6: Spinal Cord Stimulation – Lage der Stimulationselektrode und des Generators.

 

Die SCS ist eine Option in der Behandlung des CRPS entsprechend der S3-Leitlinie Epidurale Rückenmarkstimulation zur Therapie chronischer Schmerzen. Sollte durch die multimodale Therapie in Kombination mit einer medikamentösen Therapie und intensiver physikalischer Therapie kein ausreichender Erfolg erzielt werden, soll eine entsprechende Implantation unter Beibehaltung einer intensiven physikalischen Behandlung angeboten werden (B-Empfehlung, [37]).

Nach der Abheilung der Generator-Tasche und exakter Einstellung der Stimulationselektroden und -bereiche in Zusammenarbeit mit einem Techniker der Herstellerfirma konnte der Patient nach einer Wiedereingliederungsphase inzwischen wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren und das BG-Verfahren erfolgreich abgeschlossen werden.

Abschließend soll noch einmal betont werden, dass die oben ausgeführten Falldiskussionen aus der Sicht der Schmerzambulanz beschrieben wurden. Eine multimodale Therapie auf dem Boden des Bio-Psycho-Sozialen Schmerzmodells ist dabei eine selbstverständliche Grundlage und sollte angepasst sowohl im ambulanten Bereich als auch im Rahmen einer stationären Behandlung bzw. Schmerztagesklinik durchgeführt werden. Auf eine ausführliche Beschreibung wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit teilweise verzichtet.

Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-aerzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.

Die Autorin erklärt, dass sie keine finanzielle oder persönliche Beziehung zu Dritten hat, deren Interessen vom Manuskript positiv oder negativ betroffen sein könnten.

Das Wichtigste in Kürze

Neuropathische Schmerzen stellen in der Schmerzambulanz eine tägliche Herausforderung dar. Antikonvulsiva und Antidepressiva sind Medikamente der Wahl bei neuropathischen Schmerz­situationen.

Die „klassischen“ Analgetika wie Metamizol und Nicht-Steroidale Analgetika (NSAID) sind bei einer Post-Zoster-Neuralgie zumeist wenig hilfreich.

Durch die Anwendung von topischen Präparaten wie beispielsweise Lidocain-Pflaster oder hochkonzentriertes Capsaicin-Pflaster gelingt es, gerade bei geriatrischen Patientinnen und Patienten, neben einer effektiven Schmerzkontrolle auch zu einer Reduktion der Polypharmazie mit kaum zu überblickenden Nebenwirkungen und Interaktionspotenzial beizutragen.

Migräne ist eine weit verbreitete Kopfschmerzerkrankung mit erheblicher Beeinträchtigung der Betroffenen in allen Lebensbereichen. Neben der etablierten Akuttherapie mit – inzwischen sogar rezeptfrei beziehbaren – Triptanen, stehen unterschiedliche medikamentöse Ansätze für eine Prophylaxe zur Verfügung, die je nach Lebenssituation und individueller Patientensituation angepasst verordnet werden kann.

Bei hochfrequenter, episodischer und chronischer Migräne kann durch die Applikation von monoklonalen CGRP-(Rezeptor)-Antagonisten auch bei bisher therapierefraktärer Prophylaxe eine ­Reduktion der Migräne-Episoden um ca. 50 Prozent bei insgesamt guter Verträglichkeit und geringem Nebenwirkungsprofil erzielt werden.

Das komplexe, regionale Schmerzsyndrom (CRPS) stellt eine interdisziplinäre Herausforderung dar. Eine frühzeitige Zusammenarbeit und enge Absprache mit den unterschiedlichen therapeutischen Disziplinen beeinflusst den Heilungsprozess positiv und trägt neben der effektiven Schmerzkontrolle dazu bei, die Funktion der betroffenen Extremitäten zu verbessern.

Neben der Medikation, den physio- und ergotherapeutischen Ansätzen und der multimodalen Schmerztherapie tragen auch invasive Therapieoptionen wie beispielsweise die Spinal Cord Stimulation (SCS) idealerweise dazu bei, die Lebensqualität zu verbessern und die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen.

Autorin


Doris M. Wagner, DESA

Ärztliche Leitung, Abteilung für Schmerztherapie Klinikum Kempten, Klinikverbund Allgäu gGmbH, c/o Klinikum Kempten, Robert-Weixler-Straße 50, 87439 Kempten, Tel. 0831 530-2500, Fax 0831 530-2501, E-Mail: doris.wagner@klinikverbund-allgaeu.de, Internet: www.kv-keoa.de

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