Neu in der Frauenheilkunde/speziellen gynäkologischen Onkologie

Frauenheilkunde

In jüngster Vergangenheit konnten in der Erforschung der Therapie der gynäkologischen Malignome entscheidende neue Erkenntnisse gewonnen werden. Mit zunehmender Kenntnis über die Biologie dieser Erkrankungen gewinnen auch Diagnostik und Therapie zunehmend an Komplexität. Im Folgenden sollen Einblicke in die Neuerungen der speziellen gynäkologischen Onkologie gegeben werden.

Zervixkarzinom

Das Zervixkarzinom stellt weltweit das dritthäufigste Malignom der Frau dar. In Deutschland ist die Inzidenz dank Früherkennungsprogrammen und Vorsorge sowie Primärprävention mittels Impfung, welche seit 2018 auch für Jungen zugelassen ist, rückläufig [1, 2].

Präkanzerosen und Zervixkarzinom bis FIGO IIB

Im nationalen Screening hat seit 2020 die Dia­gnostik der Humanen Papillomviren (HPV) ­einen festen Stellenwert in Deutschland. Bei auffälligen Befunden der Zytologie im Sinne des Papanicolaou-Abstrichs (PAP-Abstrich) sowie der HPV-Testung ist eine Abklärungskolposkopie empfohlen. In diesem Zusammenhang via Biop­sie diagnostizierte Präkanzerosen der Zervix uteri können beispielsweise mittels Exzision, in der Regel als ambulanter Eingriff, kurativ therapiert werden [2].

Die Therapie des Zervixkarzinoms sollte für jede Patientin individuell erfolgen. Grundsätzlich stehen zahlreiche verschiedene Behandlungsoptionen zur Auswahl, welche grob skizziert werden sollen. Beim operativen Vorgehen früher Stadien des Zervixkarzinoms besteht ein stadienabhängiges Konzept unter Beachtung von histologischen Risikofaktoren. Frühe Karzinome können bei Fehlen von entsprechenden Risikofaktoren und möglicherweise bestehendem Kinderwunsch der Patientin unter Umständen uteruserhaltend therapiert werden. Die reguläre Behandlung der Stadien IB und IIA nach FIGO (Fédération Internationale de Gynécologie et d´Obstétrique – siehe Tabelle 1) besteht jedoch aus der radikalen Hyster­ektomie nach erfolgtem chirurgischem Staging der pelvinen Lymphknoten [1]. Gemäß der Daten der Laparoscopic-Approach-to-Cervical-Cancer (LACC)-Studie, sollte die radikale Hyster­ektomie per Laparotomie und nicht minimalinvasiv erfolgen [3]. Bei primär operativer Therapie kann in ausgewählten Fällen die Sentinellymphknoten­biopsie (SNB) angeboten und so die Rate an radikalen pelvin-paraaortalen Lymphonodektomien (LNE) reduziert werden. Im Fall von Lymphknotenmetastasen ist in der Regel die kombinierte Radiochemotherapie (RCHT) durchzuführen. Ab einem Stadium IIB ist nach Leitlinie auf Grundlage von Expertenkonsens normalerweise die RCHT zu bevorzugen [1].


Hinsichtlich der operativen Therapie des ­Zervixkarzinoms zeigen sich aktuell verschiedene Entwicklungsansätze. Einerseits gibt beispielsweise die SHAPE-Studie Hinweise darauf, dass bei Zervixkarzinomen mit geringem ­Risikoprofil bereits die einfache Hysterektomie mit pelviner LNE, anstelle der sonst üblichen radikalen Hyster­ektomie mit pelviner LNE, vergleichbare onkologische Ergebnisse bei geringer ausgeprägtem Nebenwirkungsprofil generieren kann [4]. Dies würde einen Trend hin zu weniger radikalen Therapieansätzen unterstützen. Andererseits indizieren bisherige Ergebnisse der (Totale mesometriale Resektion-Registerstudie) nach Buderath et al., dass bei Zervixkarzinomen im Stadium IB1 bis IIB die Totale mesometriale Resektion (TMMR) mit pelviner und paraaortaler therapeutischer Lymphonodektomie (tLNE) nach Höckel et al. eine adäquate Therapie ohne Radio(chemo)therapie ermöglichen kann [5, 6].

Neuerungen und Aussichten der Systemtherapie

Im Bereich der Systemtherapeutika zeigen sich zunehmend neue Entwicklungen mit vielversprechendem Potenzial. Für die nicht metastasierte Situation wurde der Einsatz des Immuncheckpointinhibitors Pembrolizumab bei lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom (FIGO Stadium IB2 bis IIB mit positivem Nodalstatus oder Stadium III bis IVA) in Kombination mit einer Radiochemotherapie untersucht (siehe Tabelle 2). Patientinnen im Interventionsarm erhielten fünf Zyklen Pembrolizumab 200 mg alle drei Wochen (q3w) mit Radiochemotherapie. Nach der Radio­chemotherapie erhielten die Patientinnen 15 Zyklen Pembrolizumab 400 mg q6w. Durch die Addition von Pembrolizumab konnte eine ­signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens und ein Trend zur Verbesserung des Gesamtüberlebens gezeigt werden [7].


Der neoadjuvante Einsatz von Carboplatin und Paclitaxel vor einer RCHT gegenüber einer RCHT alleine konnte in der INTERLACE-Studie bereits positive Einflüsse für ein ähnliches Patientenkollektiv darstellen. Auch der positive Einfluss von Bevacizumab, welches 2014 erstmals in den USA für lokal fortgeschrittene Karzinome zugelassen worden war, konnte auch hinsichtlich der Langzeitdaten einen signifikanten Benefit für die Patientinnen generieren [8]. Auch die Addition von Pembrolizumab bei PD-L1-Positivität zu konventionellen Chemotherapieregimen in der fortgeschrittenen oder metastasierten Situation, mit oder ohne Bevacizumab, zeigte in der Keynote 826-Studie eine Verlängerung von Progression Free Survival (PFS) und Overall Survival (OS) [9]. Für die Zweitlinientherapie in der Metastasierung sind das gegen Tissue-Factor gerichtete Antibody-Drug-Conjugate (ADC) Tisotumab-Vedotin und der PD-1-Antikörper Cemiplimab zu nennen. Ersteres wird in der Studie innovaTV 301 geprüft [10]. Cemiplimab wurde aufgrund der Daten der EMPOWER Cervical1-Studie bereits zugelassen [11]. Auch das in der Behandlung des Mamma- und Magenkarzinoms etablierte Her2-gerichtete ADC Trastuzumab Deruxtecan wird in der Phase-2-Studie DESTINY-PanTumor02 für das metastasierte Zervixkarzinom evaluiert [12].

Kasuistik

2021 stellte sich eine 39-jährige Patientin mit dem Zufallsbefund einer höhergradigen Harntransportstörung rechts in domo vor. 2019 war die Patientin extern bei Diagnose eines Adeno­karzinoms der Zervix uteri mittels radikaler Hyster­ektomie nach Piver II mit Salpingektomie beidseits, laparoskopischer Lymphadenektomie pelvin und Ovaropexie, behandelt worden. Die damalige Tumorformel lautete:
pT1b1 FIGO 1B1 pN0 (0/14) L0 V0 Pn0 G2 R0

In der durchgeführten Staging-Untersuchung mittels CT-Thorax-Abdomen wurde ein Beckenwandrezidiv festgestellt mit Ummauerung des distalen rechten Ureters sowie hochgradiger Kompression der A. iliaca externa rechts. Eine Operabilität war nicht gegeben. Die Kompression des Ureters wurde durch Ureterschieneneinlage behoben. Durch die Kollegen der ­interventionellen Radiologie konnte ein Stent in die A. iliaca externa eingebracht werden.

Die primäre Therapie bestand aus einer Gabe von Carboplatin/Paclitaxel und Bevacizumab. Parallel dazu wurde das Pathologie-Präparat von extern eingeholt und eine PD-L1-Testung für spätere Therapielinien durchgeführt, da sich zu diesem Zeitpunkt eine frische Gewinnung von Gewebe als technisch schwierig darstellte. Die Testung ergab folgendes Ergebnis:

PD-L1-Immunhistochemie: TPS: <1 Prozent,
IC-Score: 1 CPS: 1-2.

Nachdem die oben genannte Chemotherapie abgeschlossen war, folgte eine Radiatio der ­Rezidivregion an der rechten Beckenwand und der benachbarten Lymphabflusswege iliakal mit Boost auf die Tumorregion. Zudem wurde Bevacizumab als Erhaltungstherapie fortgeführt.

Im März 2023 musste ein Progress der Erkrankung festgestellt werden mit Verdacht auf eine multiple lymphogene Metastasierung auch außerhalb des Beckens, Peritonealkarzinose und neu aufgetretene pulmonale Metastasen. Aus diesem Grund wurde die Therapie mit Cemi­plimab begonnen.

Leider zeigte sich bereits drei Monate nach Therapiebeginn ein Progress. Bei deutlich zugenommener Tumorlast konnte eine frische Histologie gewonnen werden, sodass bei hoher Tissue-Factor-Expression die Empfehlung zu Tisotumab Vedotin Off-Label ausgesprochen wurde.

Bei bestehendem Therapiewunsch der Patientin wurde bis zum Vorliegen des finalen Pathologiebefundes und des Krankenkassenantrags die Re-Induktion mit Carboplatin/Taxol durchgeführt. Mittlerweile lag überdies eine Infiltration des Neuroforamen S2 mit entsprechender Schmerzsymptomatik vor. Aus diesem Grund erfolgte die Gabe der oben genannten Chemotherapie in wöchentlichen Gaben und parallel dazu in enger Abstimmung mit den Kollegen der Strahlentherapie die gezielte erneute Radiatio des Beckens. Die Therapie mit Tisotumab Vedotin erfolgt derzeit noch.

Endometriumkarzinom

Das Endometriumkarzinom stellt mit knapp 11.000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland das vierthäufigste Karzinom der Frau dar und betrifft vor allem Frauen ab dem 75. Lebensjahr.


Frühes Endometriumkarzinom

Früherkennungsuntersuchungen mittels Sonografie sind jedoch weiterhin nicht empfohlen. Bei vaginalen Blutungen einer postmenopausalen Frau kann in Abhängigkeit der sonografischen Endometriumsdicke ein Stufenschema mit engmaschiger Verlaufskontrolle beziehungsweise hysteroskopischer Abklärung diskutiert werden.

In der pathologischen Diagnostik des Endometriumkarzinoms haben sich in den letzten Jahren wesentliche Änderungen ergeben. Die über viele Jahre verwendete binäre Einteilung in endometrioide und seröse Karzinome wurde zugunsten einer molekularen Klassifikation ergänzt. Für diese erfolgt leitlinienkonform (www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/endometriumkarzinom) die Bestimmung des MMR (Mismatch repair)-Status sowie eine p53-Mutationen bereits aus dem Endometriumabradat. Die Ermittlung einer eventuell vorhandenen POLE (Polymerase Epsilon)-Mutation (verantwortlich für die Proofreading-Aktivität der DNA-Polymerase), sowie des EMT-Promotors L1CAM (unabhängiger Prognosefaktor) kann dann am Resektat bestimmt werden. Diese molekularen bzw. immunhistochemischen Parameter sind entscheidend für die Prognose, die Prädiktion sowie die Prädisposition für die Erstellung eines individuellen Therapiekonzeptes.

Beim operativen Vorgehen besteht weiterhin ein stadienabhängiges Konzept mit Hysterektomie und Adnexektomie sowie gegebenenfalls ein operatives Staging der regionalen Lymphknoten. Die in der Vergangenheit häufiger durchgeführte pelvine und paraaortale Lymphadenektomie wurde durch ein Indocyaningrün (ICG)-gestütztes Sentinel-Konzept ersetzt. Bei der ICG-Technik handelt es sich um ein spezielles Infrarot-Fluoreszenz-Verfahren, zur Verbesserung der Visualisierung von Organsystemen. Mithilfe dieses Vorgehens konnte die Morbidität für die vielen betroffenen Patientinnen deutlich reduziert werden [13].

Fortgeschrittenes Endometriumkarzinom

Für den Einsatz von Checkpointinhibitoren beim fortgeschrittenen Endometriumkarzinom liegt mittlerweile eine breite Evidenz vor. Dostarlimab ist ein PD-1-Inhibitor, der bei Patientinnen mit forgeschrittenem Endometriumkarzinom in Kombination mit Carboplatin AUC5 und Paclitaxel 175 mg/m2 eingesetzt werden kann. Es zeigte sich durch die Hinzunahme der Immuntherapie eine Verbesserung des Zwei-Jahre-progressionsfreien Überlebens (PFS) von 36,1 vs. 18,1 Prozent und eine signifikante Verbesserung des 2a-Overall Survival (OS) von 71,3 vs. 56,0 Prozent für die Subgruppe der MMR-­defizienten (dMMR) Patientinnen [14]. Zudem scheinen auch p53-mutierte Patientinnen von der Hinzunahme des Checkpointinhibitors zu profitieren. Vergleichbare Studienkonzepte mit dem Checkpointinhibitor Pembrolizumab und Atezolizumab konnten die positiven Daten der RUBY-Studie bestätigen [15, 16].

Für die pMMR-Population erscheint die Hinzunahme des PARP-Inhibitors (Poly[ADP-ribose]-Polymerasen) Inhibitors Olaparib zum Checkpoint­inhibitor Durvalumab eine möglichen Option [17]. Erste Ergebnisse zeigen hier einen positiven Trend, wobei natürlich das Nebenwirkungsspektrum dieser Triplette (Chemotherapie, Checkpointinhibitor, PARP-Inhibitor) bedacht werden muss.

Die Bedeutung der Strahlentherapie beim fortgeschrittenen Endometriumkarzinom ist auf der Basis der GOG258 in Frage gestellt, da sich in dieser Studie kein additiver Nutzen einer Strahlentherapie zur Chemotherapie im Gesamtüberleben gezeigt hat [18].

Für die Rezidivkonstellation nach platinhaltiger Therapie, in der eine erneute platinhaltige Chemo­therapie nicht angedacht ist, stellt die alleinige Checkpointinhibition mittels Dostarlimab oder Pembrolizumab für die dMMR Population eine mögliche Behandlungsoption dar [19, 20].

Für die profiziente Subgruppe ist die Chemotherapiefreie Therapie aus dem Checkpointinhibitor Pembrolizumab und dem Tyrosinkinaseinhibitor (TKI) Lenvatinib eine mögliche aber durchaus nebenwirkungsreiche Option (häufig auftretende Diarrhoen) [21]. In weiteren ­Therapielinien bieten die Antibody-drug conjugates (ADCs) Trastuzumab-Deruxtecan im Falle einer HER2-Expression [22] sowie Sacituzumab Govitecan zielgerichtete, ADC-basierte, Behandlungsoptionen [23].

Kasuistik

Im Jahr 2015 stellte sich eine 67-jährige Patientin mit neu aufgetretener Postmenopausenblutung bei einem niedergelassenen Gynäkologen vor. Nebenbefundlich litt die Patientin an einem ­arteriellen Hypertonus, einer Hypercholesterinämie sowie an Diabetes mellitus. In der durchgeführten vaginalen Sonografie zeigte sich ein
15 mm aufgebautes Endometrium. Bei der ambulant durchgeführten Hysteroskopie und fraktionierten Abrasio ergab sich ein endometrioides Karzinom des Corpus uteri. Es wurde ein Staging CT-Thorax/Abdomen ergänzt. Die damalige Tumorformel lautete: cT1b cN0 G3 L1 endometrio­ides Adenokarzinom. Bei der primären Behandlung wurde zunächst eine Hysterektomie und Adnexektomie beidseits durchgeführt. In der pathologischen Befund-Begutachtung zeigte sich eine Ausdehnung bis auf die Zervix, es ergab sich somit folgende pathologische Klassifikation: pT2 cN0 G3 L1 V0. Adjuvant erhielt die Patientin eine Tele- sowie Brachytherapie in Kombination mit einer „Sandwich“-Chemotherapie bestehend aus sechs Zyklen Taxol und Carboplatin. Im Dezember 2023 stellte sich die Patientin erneut bei ihrem niedergelassenen Gynäkologen mit Bauchumfangszunahme sowie erneut aufgetretener vaginaler Blutung vor. Die durchgeführten Staging-Untersuchungen zeigten ein Lokalrezidiv sowie eine ausgedehnte Peritonealkarzinose sowie einen pelvinen und paraaortalen Lymphknotenbefall. Eine Operabilität des fortgeschrittenen Tumors war zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben. Es wurde eine ergänzende immunhistochemische Untersuchung des primären Gewebes durchgeführt. Hierbei ergab sich folgende molekulare Subklassifikation: MMRd, p53 mutiert, POLE unmutiert. Auf Basis der immunhistochemischen Ergebnisse der MMR-Defizienz wurde eine Chemotherapie aus Paclitaxel und Carboplatin in Kombination mit Dostarlimab begonnen. Hierbei zeigte sich nach vier Gaben eine Komplettremission des ­Befundes. Die Gabe des Immuncheckpointinhibitors wird aktuell fortgeführt.

Ovarialkarzinom

I) Primäres Ovarialkarzinom

Das Ovarialkarzinom ist nach dem Mamma­karzinom die häufigste tödliche gynäkologische Krebserkrankung. Die Operation stellt grundsätzlich die Therapie der ersten Wahl dar. Dabei ist es das oberste Ziel, die makroskopische Tumorfreiheit zu erreichen. Beim frühen Ovarialkarzinom gehört zu einem optimalen operativen Staging die Längsschnittlaparotomie mit Inspektion und Palpation der gesamten Bauchhöhle, Entnahme einer Peritonealzytologie, Biopsie aus allen auffälligen Stellen, die beidseitige ­Adnexexstirpation mit Hysterektomie, mindestens infrakolische meist jedoch infragastrische Omentektomie, bei muzinösem oder unklaren Tumortyp die Append­ektomie sowie die beidseitige systematische pelvine und paraaortale Lymphonodektomie. Um bei fortgeschrittenen Tumorstadien das Ziel der makroskopischen Tumorfreiheit zu erreichen, sind häufig multiviszerale Eingriffe notwendig. Damit geht auch eine entsprechend hohe Morbidität einher. Die Strategie der Operation hat sich bezüglich der systematischen Lymphonodektomie beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom nach entsprechender Auswertung der LION-Studie geändert. In der LION-Studie konnte gezeigt werden, dass die pelvine und paraaortale LNE bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarial­karzinom (IIB bis IV), welche eine R0-Resektion aufwiesen und vor und während der OP einen unauffälligen Lymphknotenstatus zeigten, mit keinem verlängerten Gesamtüberleben oder progressionsfreiem Überleben vergesellschaftet war. Mittlerweile ist hier bei bildmorphologisch und intraoperativ klinisch unauffälligem Lymphknotenstatus der Verzicht auf die systematische Lymphonodektomie Standard [24, 25].

In aller Regel erfolgt nach der primären ­Operation eine adjuvante Chemotherapie, die meist aus der Kombination von Carboplatin und Paclitaxel besteht, die sechsmal in einem Abstand von drei Wochen gegeben wird. In den fortgeschrittenen Stadien schließt sich meist eine zielgerichtete Erhaltungstherapie (Angiogenese-, PARP- oder Immuncheckpoint-Inhibitoren – siehe Tabelle 3) an, wobei diese allermeist für die high-grade serösen Karzinome evaluiert wurden. Als erster konnte sich der monoklonale Antikörper Bevacizumab als Angiogenesehemmer durchsetzen. Die Erhaltungstherapie, die während der Chemotherapie bereits begonnen wird, wird über 15 Monate durchgeführt [26]. Eine neuere Substanzgruppe stellen die PARP-Inhibitoren dar, die bis über 24 Monate gegeben werden. Sie wirken über eine Blockade der DNA-Reparatur und führen damit selektiv zum Absterben von Tumorzellen. Klinische Studien bewiesen durch die Verwendung eines PARP-Inhibitors eine signifikante Verlängerung des rezidivfreien Überlebens von 32 bis 40 Prozent, bei BRCA-Mutationsträgerinnen sogar um 70 Prozent. Daher wird den Patientinnen die humangenetische Beratung und BRCA-Testung angeboten sowie die Untersuchung des Tumors auf eine Defizienz in der homologen Rekombination (HRD), die ebenfalls auf einen Defekt in der Gen-Reparatur hinweist. Bei einem Nachweis einer BRCA-Mutation oder einer HRD ist mittlerweile der PARP-Inhibitor Olaparib in Kombination mit Bevacizumab als Erhaltungstherapie zugelassen [27]. Unabhängig von einer Mutation bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarial­karzinom kann Niraparib eingesetzt werden, in diesem Fall ohne zusätzliche Bevacizumab Erhaltungstherapie [24, 28, 29].


Es zeichnet sich ab, dass die Zukunft der ­Erhaltungstherapie in der Mehrfachkombination zielgerichteter Therapeutika liegt. So wird zum Beispiel in der DUO-O-Studie gezeigt, dass die Kombination aus Bevazizumab, Olaparib und dem Immuncheckpoint-Inhibitor (Anti-PD-L1) Durvalomab mit einem verlängerten progressionsfreien Überleben bei Patientinnen mit fortgeschrittenem, BRCA-unmutiertem Ovarialkarzinom assoziiert ist [30].

Aufgrund der hohen Morbidität der beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom durchgeführten multiviszeralen operativen Eingriffe gab es immer wieder Bestrebungen, die Morbidität über ein neoadjuvantes Therapiekonzept zu reduzieren. Auch wenn nach neoadjuvanter Chemotherapie die Rate an tumorfrei operierten Patientinnen gesteigert werden konnte, zeigte sich jedoch kein Vorteil bezüglich des Gesamt- bzw. rezidivfreien Überlebens einer primären Chemotherapie gefolgt von einer Intervall-Operation. Möglicherweise liegt die Zukunft der Neoadjuvanz in Checkpoint-Inhibitoren. In der NOW-Studie wurden BRCA-mutierte Ovarialkarzinom-Patientinnen neoadjuvant mit Olaparib vor initialer maximal zytoreduktiver Chirurgie behandelt. Die Studie war als Machbarkeits-Studie aufgelegt, ­konnte jedoch bei den mit Olaparib neoadjuvanten ­behandelten Patientinnen eine Effektivität mit einem Teilansprechen von über 50 Prozent zeigen [31]. Ebenso sind die Ergebnisse der TRU-D-Studie vielversprechend. Es wurde neoadjuvant die Kombination aus zwei unterschiedlichen Checkpoint-Inhibitoren (Durvalumab/Anti-PD-L-1 und Tremelimumab/Anti-CTLA-4) in Kombination mit der neoadjuvanten Chemotherapie bei fortgeschrittenem Ovarialkarzinom-Patientinnen getestet. Die Responserate lag bei 95,6 Prozent. Eine histologisch komplette Remission wurde bei 17,4 Prozent erreicht [32]. Auch wenn die Aussagekraft beider Studien aufgrund der geringen Fallzahlen limitiert ist, können sie doch als zukunftsweisend für die Auflage von Folgestudien sein, die möglicherweise auch die Wirksamkeit des Einsatzes von Checkpoint-Inhibitoren in der Primärtherapie belegen.

II) Ovarialkarzinomrezidiv

Auch beim Rezidiv kann die Operation ein Therapiebestandteil sein. Hierbei ist zu bedenken, dass das Rezidiv eine palliative Situation darstellt, in der es gilt, die Lebensqualität der Patientin so hoch wie möglich zu halten. Daher sollten selbstverständlich unnötige Operationen vermieden werden [24]. Die Desktop-III-Studie zeigte beim platinsensiblen Ovarialkarzinomrezidiv (Rezidiv über sechs Monate nach Abschluss der primären Chemotherapie) und einem positiven AGO-Score (Tumorfreiheit nach Primär-OP, Aszites < 500 ml, Operabilität), dass eine Debulking-Operation mit erneuter Tumorfreiheit mit einem verlängerten progressionsfreien Überleben und auch einem verlängerten Gesamtüberleben einherging [33].

Die adjuvante Therapie des platinsensiblen Ovarialkarzinomrezidivs sieht eine Reinduktion mit Carboplatin in Kombination mit zum Beispiel pegyliertem liposomalem Doxorubicin, Gemcitabin oder erneut Paclitaxel mit anschließender Erhaltungstherapie vor. Falls noch nicht in der Erstlinientherapie gegeben, kann Bevacizumab eingesetzt werden. Alternativ, falls Bevacizumab bereits appliziert wurde, kann ein PARP-Inhibitor gegeben werden. Wurde bereits in der Erstlinien­therapie ein PARP-Inhibitor verwendet, kann trotzdem ein PARP-Inhibitor erneut zum Einsatz kommen. Studiendaten belegen die Wirksamkeit bei Patientinnen mit BRCA-Mutation, die im Rahmen einer vorherigen Behandlung mindestens 18 Monate und Patientinnen ohne BRCA-Mutation mindestens zwölf Monate unter der PARP-Inhibition rezidivfrei waren [24, 34].

Die erweiterte Erhaltungstherapie in der Rezidivsituation wird in Studien getestet. Die AGO-OVAR 2.29-Studie zum Beispiel testet die Kombination vom Immuncheckpoint-Inhibitor Atezolizumab (Anti-PD-L1) mit Bevacizumab. Ergebnisse hierzu sind ausstehend [35].

In der platinresistenten Rezidivsituation erfolgt eine Behandlung durch eine Monochemotherapie (zum Beispiel pegyliertes Doxorubicin, Topotecan, Gemcitabin oder Paclitaxel). Sollte noch nicht mit Bevacizumab behandelt worden sein, kann dies als Erhaltungstherapie gegeben werden [24].

Zielgerichtete Therapiekombinationen sind auch in der Platinresistenz Gegenstand der aktuellen Forschung. In einer Studie von Jiang et al. wurde ein Überlebensvorteil für Patientinnen gefunden, die mit einer Kombination vom PD-L1-Antikörper Pembrolizumab und dem multi-Tyrosinkinase-Inhibitor Anlotinib behandelt wurden [36].

III) Fazit

Die operative Therapie ist nach wie vor fester Bestandteil in der Therapie des Ovarialkarzinoms. In den letzten Jahren haben sich zusätzlich zur etablierten platinhaltigen Chemotherapie neue Optionen durch zielgerichtete Therapieformen (Anti-Angiogenese, Checkpoint-Inhibitoren, Immuntherapien) als Erhaltungstherapie ergeben. Hier liegt sicherlich die Zukunft der medikamentösen Therapie vor allem in Hinblick auf neue Therapiekombinationen und individuelle Behandlungsansätze, die potenziell auch etablierte Therapieformen ersetzen werden.

Kasuistik

Im September 2020 stellte sich eine 64-jährige Patientin – von ihrer Fachärztin geschickt – in domo mit Abdomenumfangszunahme vor. Die niedergelassene Kollegin hatte im Vaginalultraschall tumoröse Veränderungen beider Ovarien sowie Aszites festgestellt. In der gynäkologischen Untersuchung bestand der Verdacht auf Peritonealkarzinose im Douglas. Im Staging mittels CT-Thorax-Abdomen wurde der klinische Verdacht eines lokal fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms weiter unterstützt.

Die Situation wurde als operabel eingestuft. In Rücksprache mit der Patientin und nach ausführlicher Risikoaufklärung erfolgte die Indikation zur Explorativlaparotomie. Intraoperativ bestätigte sich die Operabilität auch nach operativem Staging. Es wurde die Entnahme einer Peritonealzytologie, Biopsie, teilweise Peritonektomie, die beidseitige Adnexexstirpation mit Hysterektomie und die infragastrische Omentektomie durchgeführt. Bei makroskopischem Befall des Colon descendens an einer Stelle erfolgte zusammen mit den Kolleginnen/Kollegen der Allgemein­chirurgie die Darmteilresektion mit End-zu-End-Anastomose. In Zusammenschau aller Aspekte konnte bei intraoperativ klinisch unauffälligem Lymphknotenstatus auf eine beidseitige systematische pelvine und paraaortale Lymphonod­ektomie verzichtet werden. Makroskopisch wurde die R0-Resektion erzielt.

Nach der primären Operation erfolgte eine adjuvante Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel, welche sechsmal in einem Abstand von drei Wochen appliziert wurde. Aufgrund der Darmanastomose und bei Z.n. Lungen­arterienembolie wurde von der Gabe von Bevacizumab abgesehen. Bei Therapieansprechen und entsprechend der biologischen Testungen in der Pathologie wurde die Erhaltungstherapie mit Niraparib begonnen. Insgesamt drei Jahre nach Abschluss der adjuvanten Therapie zeigte sich in der klinisch orientierten Nachsorge der Verdacht auf ein lokales Rezidiv, was mittels CT-Thorax-Abdomen bestätigt wurde. Die Situation wurde erneute ausführlich mit der Patientin und ihren Angehörigen evaluiert. Bei gutem Allgemeinzustand der Patientin und in Zusammenschau aller Parameter wurde die gemeinsame Entscheidung zur Rezidiv-OP getroffen. Hier konnte erneut eine Tumorfreiheit erreicht werden. Nach unauffälliger Rekonvaleszenz wurde nach vier Wochen mit der erneuten adjuvanten Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel begonnen, welche zur Zeit noch anhält.

Das Wichtigste in Kürze

Zervixkarzinom

Unter Umständen könnte in Zukunft für lokal begrenzte Stadien die Radikalität der chirurgischen Therapie angepasst werden. Dem gegenüber steht nach wie vor die zum Teil komplexe Entscheidungsfindung bei lokal fortgeschrittenen Befunden. Hier muss individuell entschieden werden, wann radikal operiert und wann radiochemotherapiert werden sollte. Die Neuerungen der Systemtherapien in der metastasierten Situation eröffnen neue Handlungsräume, wo bisher überschaubare konservative Möglichkeiten bestanden.

Endometriumkarzinom

Die Implementierung der molekularen Klassifikation ermöglicht einen großen Schritt hin zur individualisierten Therapie für jede einzelne Patientin. Voraussetzung hierfür ist die translationale Kooperation zwischen allen beteiligten Fachdisziplinen. Sofern möglich, stellt weiterhin die Hysterektomie mit Adnexektomie beidseits die grundlegende Säule der Therapie dar. In der metastasierten Situation ergeben sich auch hier weiterhin zahlreiche Neuerungen und Therapieansätze.

Ovarialkarzinom

Bei bestehender Operabilität stellt die Explorativlaparotomie mit dem Ziel der kompletten ­Tumorreduktion den grundlegenden Therapiepfad dar. Im Bereich der Systemtherapie ergeben sich weiterhin neue Therapeutika, sodass Patientinnen auch für diese Tumorentität weitere Therapielinien angeboten werden können.


Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten haben, deren Interessen vom Manuskript positiv oder negativ betroffen sein könnten.

Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-aerzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.


Autoren


Privatdozent Dr. Matthias Kiesel


Privatdozent Dr. Joachim Diessner


Dr. Jessica Salmen


Privatdozentin Dr. Tanja Schlaiß, MHBA


Professorin Dr. Christine Wulff


Professor Dr. Achim Wöckel

Universitätsklinikum Würzburg, Frauenklinik, Josef-Schneider-Str. 4, 97080 Würzburg


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