Nach seiner Wiederwahl: Dr. Andreas Botzlar im Interview

Dr. Andreas Botzlar

Mitte Februar wurde Dr. Andreas Botzlar im MOC Veranstaltungs- und Ordercenter in München von den Delegierten der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) in seinem Amt als 1. Vizepräsident der BLÄK bestätigt. Im Interview mit dem Bayerischen Ärzteblatt spricht er über die Handlungsfelder und gesundheitspolitischen Themen, welche er sich für die kommende Amtsperiode 2023 bis 2028 vorgenommen hat.

Herr Dr. Botzlar, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wiederwahl zum 1. Vizepräsidenten der BLÄK. Sind Sie enttäuscht, dass Sie sich bei Ihrer Kandidatur für das Präsidentenamt nicht gegen Dr. Gerald Quitterer durchsetzen konnten?

Botzlar: Enttäuscht ist aus meiner Sicht der falsche Begriff, denn das Ergebnis war aufgrund der Zusammensetzung der Konstituierenden Vollversammlung erwartbar. Außerdem ist es selten von Erfolg gekrönt, wenn man gegen den amtierenden Präsidenten antritt. Warum habe ich mich dennoch zur Wahl gestellt? Vor allem, weil Demokratie von Entscheidungsmöglichkeiten lebt – ich wollte den Delegierten ein gutes Gegenangebot machen. Als Präsident hätte ich in der Kammer einen partizipativeren Führungsstil angestrebt. Unsere verschiedenen Funktionsträger und Mitglieder haben große Expertise und viele gute Ideen. Deshalb kommen wir als BLÄK aus meiner Sicht am besten voran, wenn wir diese möglichst gut einbinden.

Für welche Ressorts sind Sie im neuen Präsidium der BLÄK zuständig?

Botzlar: Ich bin aktuell für die stationären Angelegenheiten der Koordinierungsstelle Fachärztliche Weiterbildung sowie für die stationären Themen in den Bereichen „Weiterbildung“, „Prävention“, „Palliativmedizin“ und „Krankenhausplanung“ zuständig. Außerdem vertrete ich unser Präsidium im „Ausschuss angestellte Ärztinnen und Ärzte“, im „Ausschuss für Hochschulfragen“, in der „Kommission Menschenrechte und Migration“ sowie – gemeinsam mit unserer 2. Vizepräsidentin Dr. Marlene Lessel – im „Ausschuss ambulant stationäre Versorgung“. Weitere Ressorts werden in den nächsten Wochen noch unter den Präsidiumsmitgliedern verteilt – es können also noch ein paar Aufgabengebiete hinzukommen.

Welche gesundheitspolitischen Themen wollen Sie in den nächsten Jahren voranbringen?

Botzlar: Es ist für mich seit Jahren eine Art Mantra geworden, aber das Thema ist zu wichtig, um es zurückzustellen: Ich werde mich in dieser Amtsperiode wieder für mehr humanmedizinische Studienplätze an deutschen Universitäten stark machen. Es ist seit langem bekannt, dass die zunehmende Alterung der deutschen Bevölkerung zu einem höheren Bedarf an medizinischer Versorgung führt. Gleichzeitig werden bis 2030 auch immer mehr ärztliche Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand treten. Leider hat die Politik bisher nicht adäquat auf diese Entwicklungen reagiert. Nun gilt es zu retten, was zu retten ist. Wenn
unsere Gesundheitsversorgung nicht gegen die Wand fahren soll, brauchen wir so schnell wie möglich mehr ärztlichen Nachwuchs. Dies ist umso dringlicher, wenn man bedenkt, dass es – Studium und Weiterbildung zusammengerechnet – ungefähr 15 Jahre dauert, bis ein Medizinstudierender im 1. Semester in der Versorgung ankommt.

Eine große Gefahr sehe ich auch im zunehmenden Einstieg von Fremdkapitalgebern in den ambulanten Sektor. Denn deren primäres Ziel ist, Rendite abzuschöpfen. Natürlich wollen auch wir Ärzte für unsere Tätigkeit suffizient bezahlt werden, der Unterschied ist aber: Wir möchten Medizin machen und dafür fair entlohnt werden, die Investoren wollen hingegen vor allem Geld verdienen und machen dafür alles, was sich
anbietet – und wenn es sein muss, Medizin. Und wenn eine Behandlung nicht lukrativ genug ist, wird sie nicht angewandt. Ich werde mich deshalb dafür einsetzen, eine marktbeherrschende Stellung von Privatinvestoren im ambulanten Sektor zu verhindern.

Ein Generalthema ist sicherlich auch die Krankenhausreform. Vorhaltekosten, etwa für Personal und Technik, sollten bei der Krankenhausfinanzierung unbedingt besser berücksichtigt werden. Wichtig wäre mir auch eine vernünftige Bedarfsermittlung im Gesundheitssystem. Man kann nicht alles bezahlen, was irgendjemand anbietet. Deshalb ist die Bedarfsermittlung so wichtig.

Wo sehen Sie dabei besondere Herausforderungen?

Botzlar: Ein großes Problem ist, dass man uns Ärztinnen und Ärzten oft nicht zuhört, über unseren Kopf hinweg entscheidet. In vielen Expertenkommissionen, die Reformvorschläge für unser Gesundheitssystem erarbeiten, sind keine tätigen Ärzte, Ärzte aus unseren Berufsverbänden oder der Kammerwelt vertreten. Und dann wundert man sich, wenn es zu massiven Interferenzen kommt, etwa mit der Weiterbildungsordnung.

Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Krankenhausärztinnen und -ärzte liegt Ihnen besonders am Herzen. Welche Veränderungen braucht es im stationären Sektor, um hier Fortschritte zu erzielen?

Botzlar: Vor allem bräuchte es eine Veränderung der Grundhaltung der Arbeitgeber, die in den vergangenen Jahren die Tendenz entwickelt­ haben, mit ihnen abgeschlossene Tarifverträge nur noch als unverbindliche Empfehlung, aber keineswegs als bindend zu betrachten – jedenfalls bei allen Regelungen, die über die Festsetzung des Gehalts hinausgehen. Regeln wie etwa die Limitierung der Wochenenden, an denen gearbeitet werden muss, werden dagegen vielfach nicht eingehalten. Das muss sich unbedingt ändern. Ein weiteres Problem ist die Zunahme der Arbeitsdichte im stationären Sektor in den vergangenen Jahren, welche aus der prekären Personallage in den Kliniken resultiert. Um diese Situation zu entspannen, braucht es aus meiner Sicht unbedingt ein adäquates Personalbemessungsinstrument. Auf der Ebene der Bundesärztekammer werden wir in nächster Zeit einen Vorschlag für ein solches Tool vorlegen.

Welche Handlungsfelder sehen Sie in den kommenden Jahren innerhalb der Kammer?

Botzlar: Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Alter des Führungspersonals der Kammer inzwischen relativ fortgeschritten ist. Diese Führungspersönlichkeiten, die nun Schritt für Schritt in den Ruhestand treten, durch geeignete Nachfolger zu ersetzen, wird eine große Herausforderung für uns. Außerdem müssen wir die Digitalisierung unserer Arbeitsabläufe vorantreiben, insbesondere in unserem „Kronjuwel“, der Weiterbildung. Darüber hinaus ist es mir ein besonderes Anliegen, die Klimaneutralität der Kammer bis zum Jahr 2030 zu erreichen. In diesem Zusammenhang müssen wir uns aber auch die Gretchenfrage stellen, ob wir uns eine andere Unterkunft für das Ärztehaus Bayern suchen müssen, da das derzeitige Gebäude aufgrund seines Alters und seiner Gebäudestruktur wohl nur schwerlich energetisch sanierbar ist. Überdies sehe ich es als Aufgabe der Kammer an, das Bewusstsein von Praxen und Kliniken für das Thema „Klimaneutralität“ weiter zu schärfen.

Sie sind auch 1. Vorsitzender des Marburger Bundes Bayern und 2. Vorsitzender des Marburger Bund Bundesverbandes. Bleibt da noch genügend Zeit für die Kammerarbeit übrig?

Botzlar: Es gibt sehr viele Synergieeffekte, was meine Tätigkeiten für den Marburger Bund und die BLÄK betrifft. Das Wissen aus dem Verband hilft mir bei meiner Arbeit in der Kammer weiter und umgekehrt. Natürlich ist meine zeitliche Belastung nicht unerheblich, aber die Vorteile meiner Doppelfunktion überwiegen eindeutig.

Gibt es neben all der Berufspolitik auch noch den privaten Andreas Botzlar?

Botzlar: Den gibt es! Zwar muss meine Familie aufgrund meiner verschiedenen Funktionen des Öfteren auf mich verzichten – trotzdem erhalte ich dort Rückendeckung und Unterstützung für meine Arbeit.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Florian Wagle (BLÄK)

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