Moderne Hausarztmedizin

Dr. Wolfgang Krombholz, Dr. Max Kaplan, Professor Dr. Richard Roberts und Professor Dr. Antonius Schneider (v.li.).

Aus „Was macht moderne Hausarztmedizin aus?“, titelte am 21. September ein Symposium, das die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) und das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM) gemeinsam mit dem Bayerischen Hausärzteverband (BHÄV) ausrichteten, zu dem rund 50 Teilnehmer kamen. Hausarztzentrierte Versorgungsmodelle, Medizinische Versorgungszentren, Ärztemangel, interprofessionelle Gesundheitsberufe, Delegation statt Substitution – Hausärztinnen und Hausärzte seien mit diesen politischen Schlagworten, die die aktuellen gesundheitspolitischen Diskussionen prägen, bestens vertraut. Dies sei auch Ausdruck, dass eine arbeitsteilige Versorgung immer notwendiger werde, vor allem aufgrund der demografischen Entwicklungen. Dieser Wandel und die Fortschritte in der Medizin stellten auch Hausärzte vor neue Herausforderungen. Ganz konkret ging es um Fragen wie „Ist der Beruf des Hausarztes bedroht?“ oder „Welche Herausforderungen müssen Hausärzte annehmen, um die gesundheitliche Versorgung der breiten Bevölkerung gewährleisten zu können?“.

Dr. Max Kaplan, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK), nutzte in seinem Grußwort die Gelegenheit, die für ihn wichtigsten „Stellschrauben der modernen Allgemeinmedizin“ anzusprechen: die modernen Versorgungsformen und den sorgsamen Einsatz der Ressource Arzt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für moderne Versorgungsformen seien mittlerweile recht flexibel, was die Organisationsform der Praxis und vor allem das Arbeiten im Team betreffe. „Wo früher der niedergelassene Arzt in seiner Einzelpraxis die Regel war, gibt es heute ganz unterschiedliche Praxisformen und Möglichkeiten der Kooperation. Bei einer wohlüberlegten Struktur und Ausrichtung ergibt sich eine ‚Win-Win-Situation‘ für alle Beteiligten: Für die Ärztinnen und Ärzte, die Angehörigen der anderen Gesundheitsberufe und insbesondere für unsere Patienten“, so Kaplan. Langfristig gesehen sei es auch notwendig, die Ressource Allgemeinarzt möglichst effizient einzusetzen. „Dazu gehört auch zu überlegen, wie Ärzte von nichtoriginären ärztlichen Tätigkeiten befreit werden können – Stichwort Bürokratie und Dokumentation“, so der BLÄK-Präsident weiter. Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten sowohl in die Patientenversorgung als auch in das Case Management eingebunden werden. Es müsse eben nicht bei jedem Praxisbesuch automatisch auch ein Arzt-Patient-Kontakt erfolgen. „Hier müssen wir beginnen umzudenken und sicher auch in dem einen oder anderen Bereich mehr loslassen. Gerade in der Praxis können wir ärztliche Delegation leben“, ist Kaplan überzeugt. Ein Arztbesuch dürfe zwar zu keinem Privileg werden, doch gerade Allgemeinärzte müssten ein neues Arzt-(Selbst-)Bewusstsein entwickeln.

Professor Dr. Richard Roberts, Immediate Past President des Weltverbandes der Allgemeinmedizin (WONCA), University Wisconsin, USA, widerlegte in seinem Referat „Better Health for All – Family Doctors and Primary Care” insbesondere drei Mythen die fachärztliche versus die hausärztliche Medizin betreffend. Roberts widersprach, dass „fachärztliche Versorgung besser als hausärztliche Versorgung“, 2. „fachärztliche Medizin komplex und hausärztliche einfach“ und 3. „fachärztliche Versorgung an Krankheiten orientiert, hausärztliche an Personen orientiert“ sei. Roberts plädierte dafür, Brücken zu bauen. Es komme darauf an, in der Gemeinschaft zu arbeiten und umfassend zu wirken, was er mit „Continuity and Comprehensive“ beschrieb.

Professor Dr. Antonius Schneider, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der TUM, stellte die vier Grundprinzipien der Allgemeinmedizin vor: 1. Niederschwelliger Zugang – Erstkontakt, 2. Langzeitbeziehung/Langzeitbetreuung, 3. umfassende, bio-psycho-soziale, Versorgung und 4. Koordination der Versorgung. „Gerade die Koordination ist ein Kernmerkmal der hausärztlichen Versorgung“, ist auch Schneider überzeugt. Unkoordinierte Versorgung käme teurer als koordinierte; insbesondere für ältere Patienten mit chronischen Erkrankungen. Es käme zu einem erheblichen „doctor-shopping“, wenn keine Steuerung bzw. Überweisung erfolge. Eine bessere Koordination wäre besser für die Patienten und wäre „gewinnbringend für alle an der Versorgung Beteiligten“.

Dr. Wolfgang Krombholz, Vorsitzender des Vorstandes der KVB, schloss das Symposium mit einer Betrachtung der Hausarztmedizin im Zusammenhang mit Versorgungsauftrag, Honorarpolitik und Strukturpolitik. Er machte klar, dass „eine konkrete Beschreibung des Versorgungsauftrages“ fehle. Für Krombholz bedeutet ein „modernes Bild des Hausarztes, dass die Ärzte es selbst in die Hand nehmen müssen und den Versorgungsauftrag definieren“. Die Koppelung der Honorarentwicklung an die Messung der Morbidität (Summe von Diagnosen) widerspreche aber der Logik der primären Versorgung.

 

 

Top