Mit Hitze keine Witze

Dr. Gerald Quitterer

Wir müssen aufhören, darüber zu reden, wir müssen anfangen zu handeln. Gesundheitsberufen kommt eine zentrale ­Funktion in der präventiven Stärkung von Hitzekompetenz sowie bei der Behandlung von Hitzeerkrankungen zu. So steht diese Ausgabe des „Bayerischen Ärzteblatts“ aktuell im Zeichen des Hitzeschutzes und nimmt Bezug auf Stellungnahmen der Bundesärztekammer wie auch Aussagen von Expertinnen und Experten. Beiträge der Ärzteschaft und zusammengefasste Hitzeaktionspläne runden das Thema ab.

Der Klimawandel ist die größte Bedrohung für die menschliche Gesundheit im 21. Jahrhundert. Die zunehmenden Hitzetage sind das größte klimawandelbedingte Gesundheitsrisiko für Menschen in Deutschland. Die Anzahl heißer Tage mit Temperaturen über 30 °C hat sich im Vergleich zu den 1950er-Jahren in Deutschland verdreifacht. Von häufigeren, längeren und damit deutlich gefährlicheren Hitzewellen ist meteorologischen Prognosen zufolge auszugehen. Darauf müssen wir uns und unsere Patientinnen und Patienten einstellen. Dennoch ist Deutschland auf die Herausforderungen durch Hitzewellen bisher strukturell nicht ausreichend vorbereitet. Obwohl Hitzeschutz öffentlich und politisch mehr und mehr Gehör findet, stockt die Umsetzung. Die 93. Gesundheitsministerkonferenz rief schon 2020 zu einer flächendeckenden Erstellung und Umsetzung von Hitzeaktionsplänen in deutschen Kommunen bis 2025 auf.

Das Gutachten des Sachverständigenrates Gesundheit & Pflege „Resilienz im Gesundheitswesen. Wege zur Bewältigung künftiger Krisen“ von Januar 2023 weist auf die mangelnde Anpassungs- und Reaktionsfähigkeit des deutschen Gesundheitswesens gegenüber Krisen wie Hitzewellen hin. ­Diese zentrale Rolle des Gesundheitssektors ist in den seit 2004 in Frankreich umgesetzten Plänen beispielhaft ausgeführt. Davon können wir in Deutschland lernen. Die bei der Bundespressekonferenz durch Bundesärztekammer, Pflegerat und KLUG vorgestellten „Forderungen an Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Bund, Ländern und Kommunen für eine hitzeresiliente Gesellschaft“ sollen dies unterstützen.

In Bayern stellen wir uns als Gesundheitsberufe den zunehmenden Hitzegefahren und haben auf Initiative der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) nach dem Vorbild des „Hitze­aktionsbündnis Berlin“ mit Unterstützung der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V. (KLUG) im ­Februar 2023 das Bündnis Hitzeschutz Bayern ins Leben gerufen. Dabei arbeiten wir mit folgenden Positionen, die wir auf einer Veranstaltung anlässlich des bundesweiten Hitzeaktionstages am 14. Juni 2023 unterstrichen haben:

1.    Wir übernehmen Verantwortung für Hitzeschutz.

Wir verstehen die zunehmenden Hitzegefahren für große Teile der Bevölkerung und bekennen uns klar zum gesundheitlichen Hitzeschutz. Wir setzen ihn auf unsere Agenda – im ambulanten und stationären Bereich, in der ­Langzeitpflege, im öffentlichen Gesundheitsdienst, der Prävention, bei der multiprofessionellen Zusammenarbeit, in Berufsverbänden, Fachgesellschaften und Kammern.

2.    Wir informieren uns über hitzeassoziierte Erkrankungen, ihre Behandlung und Prävention und sensibilisieren Kolleginnen und Kollegen.

Um während Hitzewellen adäquat handeln zu können, stärken wir unsere Kompetenz. In unseren Einrichtungen überprüfen wir den Fortbildungsbedarf, bieten Fortbildungen an beziehungsweise setzen uns für die Etablierung solcher Fortbildungen ein.

3.    Wir setzen Maßnahmen zum Hitzeschutz im eigenen Handlungsbereich um.

Wir stellen Hitzeschutzpläne und weiterführende Informatio­nen für die einzelnen Institutionen im Gesundheitswesen zur Verfügung und setzten auf den besonderen Schutz vulnerabler Gruppen wie beispielsweise Kinder, chronisch Erkrankte, alleinlebende Seniorinnen und Senioren sowie Menschen mit Behinderungen. Das Spektrum der möglichen Maßnahmen ist dabei vielfältig und reicht von organisatorischen und strukturellen Aspekten der Behandlungspraxis bis hin zu langfristigen Maßnahmen im Bereich Bau und Technik. Dabei vergessen wir den Eigenschutz sowie Schutz der ­Kolleginnen und Kollegen nicht. Von zentraler Bedeutung ist die Priorisierung der Maßnahmen.

4.    Wir initiieren und beteiligen uns aktiv an lokalen Hitzeschutzbündnissen.

Wir fördern den Aufbau lokaler gesundheitsbezogener Hitze­schutzbündnisse von wichtigen Gesundheitsakteurinnen und -akteuren wie Krankenhäusern, stationären Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten, therapeutischen Praxen, niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Apotheken, Rettungsdiensten sowie dem Katastrophenschutz. Dabei suchen wir auch die Zusammenarbeit mit Akteurinnen und Akteuren und Institutionen anderer Bereiche wie Stadtplanung, Sportvereine, Schulen und Kitas, Arbeitswelt, Sozialverbänden, Kommunalverwaltungen usw. In Hitzeschutzbündnissen kann von- und miteinander gelernt werden. Schlüssel für das Gelingen ist dabei die kontinuierliche Zusammenarbeit und Verstetigung solcher Bündnisse.

5.    Wir stehen als Expertinnen und Experten in Gesundheitsbelangen für den politischen Diskurs zur Verfügung und fordern politische Akteurinnen und Akteure sowie Verantwortungstragende zum
       entschlossenen Handeln auf.

Der Schutz der Bevölkerungen vor den gesundheitlichen Folgen der Klimakrise und insbesondere vor Hitze muss auf der politischen Agenda als Priorität verankert sowie umfassend und schnell umgesetzt werden. Die feste Verankerung von Hitzeschutzkonzepten in den Einrichtungen des ­Gesundheitswesens, der Langzeitpflege aber auch in Kinderbetreuungseinrichtungen bedarf erheblicher gesellschaftlicher und politischer Anstrengungen, um die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Für effektive und gelingende Hitzeschutzkonzepte ist die Expertise der Gesundheitsberufe unverzichtbar. Wir stehen zum Schutz der Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sowie Expertinnen und Experten für Politikerinnen und Politiker und Verantwortungstragende zur Verfügung und fordern Möglichkeiten zur ­Mitgestaltung der Prozesse ein.

Das Bündnis Hitzeschutz Bayern ist ein Zusammenschluss der BLÄK, der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, der Bayerischen Landeszahnärztekammer, der Bayerischen Landesapothekerkammer, der Psychotherapeutenkammer Bayern und der Arbeitsgemeinschaft der Zweckverbände für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung in Bayern. Ebenfalls sind die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, die Vereinigung der Pflegenden in Bayern, das Gesundheitsreferat der Landeshauptstadt München, der Landesverband Bayern von Physio Deutschland sowie die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V. (KLUG) Teilnehmer des Bündnisses. Es ist offen für die Beteiligung weiterer Akteure.

Der diesem Heft in einer Teilauflage beiliegende Flyer des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege bietet viele Anregungen zum Hitzeschutz. Darüber hinaus bedarf es jedoch gesetzliche Regelungen im kommunalen Raum, wie verpflichtende Hitzeschutzpläne. Ohne diese können wir auf die geschilderten Herausforderungen des Klimawandels nicht reagieren.


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