Leben – mit Corona

Professor Dr. Dr. rer. nat. Dr. h. c. mult. Dieter Adam

Virusinfektionen „loszuwerden“ oder eine Viruskrankheit gar auszurotten bedarf extremer Anstrengungen und großen logistischen Aufwands. Manchmal gelingt es, manchmal nicht. Bei den Pocken ist deren Ausrottung durch weltweite erhebliche Anstrengungen über viele Jahre mit Hilfe von Impfprogrammen und strikten Quarantänemaßnahmen gelungen, bei der Polio auch. Bei Masern hat man gehofft, diese durch weltweite Impfkampagnen auszurotten. Gelungen ist es bisher nicht. Die Gründe dafür sind hinlänglich bekannt. Gegen HIV gibt es nach 30 Jahren immer noch keinen wirksamen Impfstoff. Influenza-Viren kommen jedes Jahr in veränderter Form wieder. Viele (pandemische) Virusinfektionen (zum Beispiel Vogelgrippe-H5N8-Virus oder MERS-CoV und SARS) lassen sich durch Hygienemaßnahmen, oder teilweise durch Impfungen, lokal eindämmen.

Künftige Koexistenz mit Corona-Viren weltweit

Viele andere sogenannte „harmlose“ Viren sind immer unter uns. Dazu gehören auch die Coronaviren. An den üblichen Erkältungskrankheiten sind schon seit jeher zu 10 bis 25 Prozent Coronaviren beteiligt. Das jetzt pandemisch verbreitete SARS-CoV-2-Virus hat ein paar Besonderheiten, die man bei den bisher vorkommenden Erkältungs-Coronaviren nicht kannte: Sie können sich vom unbemerkten asymptomatischen Verlauf hochinfektiös ausbreiten, sie können minimale Symptome verursachen bis hin zu schwersten Krankheitsverläufen mit beatmungspflichtigen Pneumonien, sie können zahlreiche andere Organe befallen (Lunge, Herz, Hirn, ZNS, Gefäßsystem, Niere, etc.), sie können sich vom infizierten Patienten schon vor dessen erster klinischer Symptomatik auf andere Menschen ausbreiten und diese infizieren. Und sie verursachen in einem relativ hohen Maße Spät- und Dauerschäden, wie zum Beispiel chronische Müdigkeit, Ateminsuffizienz und chronische Kreislaufbeschwerden, manchmal bis zu einem Jahr und länger.

Auch der Geruch- und Geschmacksinn können für längere Zeit nach einer COVID-19-Erkrankung ausfallen. 

Nachdem SARS-CoV-2-Infektionen bislang nur symptomatisch behandelbar sind und es (noch) keine spezifische Therapie gibt, sind AHA-Regeln und Kontaktsperren die einzigen Möglichkeiten, das Infektionsgeschehen einigermaßen in Schach zu halten und das Gesundheitssystem nicht zu überfordern. Ihr Übertragungsweg über Aerosole ist mittlerweile gut erforscht, ebenfalls die Dauer ihrer Überlebensfähigkeit in den Aerosolen. Lüften und Durchzug sind ein probates Mittel, diese Viren von sich fernzuhalten.

Alle Hoffnungen beruhen auf der Impfung. ­Eine Impf-Herdenimmunität kann erst bei einer Durchimpfungsrate von etwa 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung erreicht werden. Damit wird das Virus zurückgedrängt, da es keinen Wirt mehr findet.

Die Möglichkeit, das Virus eines Tages gänzlich auszurotten, erscheint eher unwahrscheinlich. Es wird möglicherweise – wie alle anderen Corona-Viren – unter uns bleiben und zwar weltweit. Demnach müssen wir uns auf (vielleicht jährliche) Wiederholungs-, das heißt Auffrisch-Impfungen wie bei der Influenza-Impfung, einstellen. Wie lange die Antikörper gegen SARS-CoV-2 nach einer Impfung nachweisbar und effektiv bleiben, bleibt abzuwarten.

Impfungen bringen uns ein Stück weiter in die Normalität – aber los werden wir SARS-CoV-2 wahrscheinlich nie mehr.

In Zukunft wird unser Alltagsleben nicht mehr so sein wie vorher. In der Pandemie haben wir viel über Kontakte und Umgang mit anderen Menschen gelernt. Die Maske wird uns noch lange begleiten und das „Social Distancing“ in gewisser Weise auch. Man gibt sich kaum noch die Hand. In Fernost sind Maske und Abstand schon seit Jahrzehnten völlig alltagsnormal. Dort hat man längst gelernt mit hochinfektiösen Viren zu leben, ohne sich über die Maßen einschränken zu müssen. Bleibt auch die Frage, welche Folgen die Kontaktverluste der Menschen untereinander auf die nachwachsenden Generationen haben werden. Von der Bussi- und Umarmungsgesellschaft geht es direkt in die Distanzgesellschaft, das heißt wir entfremden uns voneinander.

Darüber hinaus gibt es noch viele Unklarheiten im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 und dessen Mutanten, zum Beispiel auch, ob die diversen derzeit verfügbaren Impfstoffe die sich mehr und mehr ausbreitenden Virusmutanten erfassen. Testen kann künftiges Zusammenleben besser ermöglichen. Auto-Schnelltests oder ultraschnelle PCR-Tests können – sofern sie eine hohe Treff­sicherheit haben – das Reisen und Zusammenkünfte aller Art (Theater, Kino, Sportveranstaltungen) wieder ermöglichen und gleichzeitig erleichtern.

Fazit: Zunehmende Impf-Aktivitäten und sichere einfach ausführbare Schnelltestverfahren können, trotz immerwährender Anwesenheit von SARS-CoV-2, eine weitgehend infektionsfreie Zukunft ermöglichen. Voraussetzung ist allerdings, dass möglichst viele mitmachen und sich impfen lassen. Für die Politik wird es auf dem Gesundheitssektor ungewöhnlich mehr zu tun geben als dies bisher der Fall war. Man denke nur an die neuen Schlagworte wie „Wechselunterricht“, „Homeschooling“, „Zoom-Konferenzen“, „Webinar“, „Homeoffice“ unter anderem „Selbsttestverfahren“ – sie werden zum Normalfall. Der Corona-Impfpass wird zum wichtigsten Reisedokument.

Anordnung von Hygienemaßnahmen, Einbau von Lüftungssystemen, Verbesserung der Digitalisierung in den Schulen und vieles andere mehr werden zum politischen Dauerthema.

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Professor Dr. Dr. rer. nat. Dr. h. c. mult. Dieter Adam

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