Klimawandel-spezifische Erkrankungsbilder: Gebiet Haut- und Geschlechtskrankheiten

Klimawandel-spezifische Erkrankungsbilder

Eine der drängendsten Umweltfragen des 21. Jahrhunderts ist der globale Klimawandel, ein Begriff, der auf Veränderungen im Klima in einer bestimmten Region oder weltweit über einen bestimmten Zeitraum hinweg verweist. Ein allgemein akzeptierter wissenschaftlicher Konsens besagt, dass die beträchtlichen Emissionen von Treibhausgasen in die Atmosphäre eine Hauptursache für den Klimawandel darstellen. Diese Veränderung im Klima geht einher mit einer Erhöhung der Temperatur, Verschiebungen bei der relativen Luftfeuchtigkeit, einem Anstieg des Meeresspiegels und einem vermehrten Auftreten extremer Wetterereignisse [1]. Schätzungsweise etwa die Hälfte aller humanpatho­gener Erkrankungen kann durch die klimatischen Veränderungen verstärkt werden [2], was auch für dermatologische Erkrankungen gilt, insbesondere solche deren Auslösung mit Infektionen, durch Exposition gegenüber UV- und Umweltreizen sowie aquagener Übertragungswege in Verbindung stehen (Abbildung 1).


Abbildung 1: Klimawandel und sein Einfluss auf dermatologische Erkrankungen

Klimatische Veränderungen und infektiöse Hauterkrankungen

Höhere Temperaturen beeinflussen die Inzidenz infektiöser Hauterkrankungen durch die Vermehrung und geografische Ausweitung von Mikroorganismen. Dies betrifft insbesondere durch Viren, Pilze oder Vektoren verursachte Dermatosen [3, 4, 5].

Wärmere Durchschnittstemperaturen und veränderte Windmuster sind hauptsächlich verantwortlich für die Ausdehnung der geografischen Verteilung und der Inzidenz von pilzbedingten Hauterkrankungen wie der Kokzidioidomykose [3, 4, 5]. Veränderungen in Umweltbedingungen beeinflussen auch das Verhalten und den Lebensraum von Krankheitsüberträgern, was zu neu erweiterten Endemiegebieten in den Vereinigten Staaten für sowohl durch die durch Zecken übertragene Lyme-Borreliose als auch die parasitäre Leishmaniose, übertragen durch die Sandfliege, geführt hat [4, 6]. Durch Veränderungen der Temperatur und der Habitatqualität beeinflusst der Klimawandel komplex und regional unterschiedlich die Verbreitung und Inzidenz von durch Zecken und Mücken übertragenen Krankheiten, jedoch nicht in allen ­Regionen und bei allen Vektoren einheitlich, weshalb neben dem Klimawandel auch andere Faktoren wie Urbanisierung, menschliches Verhalten und demografische Faktoren eine Rolle bei der sich ändernden Epidemiologie dieser Krankheiten spielen können [1].

Dengue, Zika und Chikungunya sind alle mit dermatologischen Manifestationen verbunden und haben in den vergangenen ein bis zwei Jahrzehnten atypisch erweiterte Fallverteilungen erlebt [7, 8, 9]. Die Tigermücke Aedes albopictus, die für die Übertragung von Dengue verantwortlich ist, hat ihren Verbreitungsraum ausgedehnt. Klimatische und ökologische Veränderungen, zusammen mit internationalem Handel und vermehrtem menschlichem Reisen, haben dazu geführt, dass verschiedene Arten von Moskitos sich sehr schnell von ihren endemischen Gebieten in Asien oder Afrika auf fast alle Kontinente ausgebreitet haben und jetzt auch in Teilen Europas, einschließlich Deutschland, zu finden sind [10]. Klimavariablen beeinflussen direkt das Überleben und die Vermehrung von infektiösen Mikroorganismen, ihren Vektoren und ihren tierischen Reservoirs. Aufgrund anhaltend warmer Temperaturen in höheren Breitengraden hat der Klimawandel den geografischen Verbreitungsbereich bestimmter pathogener Mikroorganismen erweitert. Häufigere klimabedingte Extremwetterereignisse schaffen Umstände, in denen bestehende ­infektiöse Mikroorganismen gedeihen und neue Infektionen entstehen [10, 11].

Klimatische Instabilität steht in Zusammenhang mit erhöhter menschlicher Migration, die die Gesundheitsinfrastruktur stört sowie die ­Lebensräume von Mikroorganismen, Vektoren und tierischen Reservoirs beeinträchtigt und zu weit verbreiteter Armut und Überbelegung führt [11]. Die Erwärmung von Wassermassen und Veränderungen in den Niederschlägen aufgrund des Klimawandels stellen auch ein Risiko für dermatologische Erkrankungen dar, die durch Wasser übertragen werden. Wärmeres Wasser fördert frühere Blütezeiten sowie das Wachstum von Quallenlarven und Wasserschnecken mit einem erhöhten Risiko für Badeeruptionen und Dermatitiden durch Zerkarien [2, 4]. Auch führt der durch den Klimawandel weltweit zu beobachtende ­Anstieg der Meerestemperatur zu einem vermehrten Wachstum von Nicht-Cholera-Vibrionen, deren Vertreter schwere Hautinfektionen wie Zellulitis und Sepsis verursachen können. Vibrio ­vulnificus und andere gramnegative Erreger, die durch Kontakt mit Meer- und Brackwasser übertragen werden, erhöhen zusätzlich, bei im Rahmen von Überschwemmungen auftretenden Verletzungen, das Risiko für sekundäre Wundinfektionen [12]. Auch in Nord- und Ostsee ist mit erhöhten Infektionszahlen mit Nicht-Cholera-Vibrionen zu rechnen, wobei die Ostsee mit einem „optimal“ niedrigen Salzgehalt (0,8 Prozent im Vergleich zu 3,5 Prozent in der offenen Nordsee) und einem deutlich schnelleren Temperaturanstieg besonders gefährdet ist [13].

Klimatische Veränderungen und Hautkrebs

Die globale Bevölkerung hat aufgrund der verringerten atmosphärischen Ozonschicht der ­Erde, die auf anthropogene Aktivitäten und den Klima­wandel zurückzuführen ist, ein universell erhöhtes Risiko für Melanom und nicht melanozytären Hautkrebs [14, 15]. Die Emission von Chlorfluorkohlenwasserstoffen (CFKWs) im letzten Jahrhundert hat die Ozonschicht erheblich geschädigt, wodurch ihr Schutz vor UV-Strahlung abnahm [14]. Jeder einprozentige Abbau der Ozonschicht erhöht die Hautkrebsinzidenz für Spinaliome um sechs Prozent, für Basaliome um 1,7 bis
2,7 Prozent und Melanome um ein bis zwei Prozent. Die erhöhte UV-Strahlung hat ihre Ursachen in einer Reduktion der schützenden Ozonschicht und in dem Anstieg der Temperatur, die zu vermehrten UV-Schäden bei gleicher Dosis führt. In den gemäßigten Zonen fördern wärmere ­Klimazonen auch mehr Outdoor-Aktivitäten in der Bevölkerung, was die UV-Exposition zusätzlich verstärkt [15, 16].

Klimatische Veränderungen und allergische Erkrankungen

Neben der Bereitstellung einer physischen Barriere ist die Haut ein immunologisches Organ mit angeborener und adaptiver Immunfunktion. Das Exposom umfasst die lebenslangen nicht-genetischen inneren und äußeren Umweltexpositionen einer Person und bietet, wenn im Kontext genetischer Einflüsse betrachtet, ein neues Paradigma zur Interpretation der Krankheitsursachen. Die Hypothese der epidermalen Barriere besagt, dass die Exposition gegenüber dem städtischen Exposom, einschließlich Luftverschmutzung, Schäden an der Epidermis der Haut und den Schleimhäuten verursacht und die Inzidenz von allergischen und entzündlichen Erkrankungen erhöht. Chemische Luftschadstoffe wie O3, Partikel (PM2,5 und PM10), flüchtige organische Verbindungen und Treibhausgase wie NO2 erhöhen das Risiko für allergische Krankheiten durch direkte Penetration der Haut, oxidative Schäden, Immunstörungen und Barriereschwächen. Diese Effekte umfassen ROS-Bildung, Lipidperoxidation, Entzündungsreaktionen, mitochondriale Dysfunktion, DNA-Schäden und Downregulation von Proteinen wie Filaggrin und Loricrin [10].

Klimawandel und der Einfluss auf die atopische Dermatitis (AD)

Entzündliche Dermatosen reagieren empfindlich auf sich ändernde Umweltbedingungen. Die weltweite Prävalenz der AD steigt, sowohl in entwickelten als auch in Entwicklungsregionen wie Afrika, Asien und Lateinamerika. Umweltfaktoren wie Temperatur, UV-Strahlung und Luftverschmutzung können AD-Symptome verschlimmern. Filaggrin-Mutationen, die bei ­einigen AD-Patienten auftreten, führen oft zu Verschlechterungen an kälteren und windigen Stellen, wobei die komplexe Beziehung zwischen Klimafaktoren und AD-Symptomen weiterer Forschung bedarf. Juckreiz, ein häufiges und subjektiv stark belastendes Symptom bei AD-Patienten, kann durch Temperaturschwankungen beeinflusst werden. Die Zunahme von Pollen und Luftschadstoffen aufgrund des Klimawandels kann AD-Schübe auslösen. Ein besseres Verständnis dieser Zusammenhänge ist entscheidend für die Behandlung von AD in einer sich verändernden Umwelt [17].

Der Klimawandel beeinflusst bereits heute dermatologisch-allergologische Erkrankungen und es ist davon auszugehen, dass sein Einfluss in Zukunft eher grösser werden wird und neue diagnostische und therapeutische Herausforderungen stellen wird.

Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-aerzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.

Autoren
Carolina Guarddon Pueyo
Professor Dr. Dietrich Abeck

Hautzentrum Nymphenburg, Renatastraße 72, 80639 München


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