Kaum zu glauben

Dr. Gerald Quitterer

Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

Es ist kaum zu glauben: Eine kleine Anfrage der CDU-Bundestagsfraktion zur GOÄ und eine entsprechende Stellungnahme der Bundesärztekammer (BÄK) hat seitens der Bundesregierung zu Antworten geführt, die einerseits zuversichtlich stimmen, andererseits nur noch Kopfschütteln hervorrufen können. Die Anfrage sei redlich, so heißt es, die Sachverhaltsargumente würden geteilt. „Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat eingeräumt, dass die derzeit gültige GOÄ das aktuelle medizinische Leistungsgeschehen weder hinsichtlich der Leistungsbeschreibungen noch hinsichtlich der Bewertung der ärztlichen Leistungen adäquat abbildet“, so der Kommentar der BÄK. Dennoch kann sich das Ministerium nicht dazu entscheiden, die Umsetzung der längst überfälligen Gebührenordnung zu beschließen, weil man erst prüfen müsse, welche Auswirkungen sie auf das duale Versicherungssystem habe. Eine absolute Nichtachtung einem Berufsstand gegenüber, dessen Arbeitsleistung damit missachtet und geringgeschätzt wird – aus purem politischem Kalkül.

Ärztliches Honorar

Es ist kaum zu glauben: Während der Bundesgesundheitsminister betont, es werde weiterhin keine Leistungskürzungen geben, streicht er die im Terminservice- und Versorgungsgesetz (­TSVG) vereinbarte extrabudgetäre Vergütung von Neupatienten. Vertrauen in die Ärzteschaft und deren Arbeit sieht anders aus. Gleichzeitig erwäge, laut einer Umfrage des Marburger Bundes unter rund 8.500 Befragten, ein Teil der angestellten Ärztinnen und Ärzte in Deutschland aufgrund hoher Arbeitsbelastung und fehlender Wertschätzung einen Berufswechsel. Krankenkassen fordern eine Nullrunde bei den Honorarverhandlungen mit den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Ein Solidarbeitrag zum Ausgleich des Defizits der Krankenversicherung wird von uns erwartet. Als ob wir nicht bereits seit Jahren einen Großteil unserer Leistungen ohne Vergütung erbringen. Das zusätzlich zu einem immer größer werdenden Bürokratieaufwand, der trotz mehrfacher Willensbekundungen nicht gestoppt wird. Förderung der Niederlassung in die ärztliche Patientenversorgung sieht anders aus. Fordern wir etwa umgekehrt eine Nullrunde bei der Patienteninanspruchnahme?


Bürokratie

Es ist kaum zu glauben: Mit der Betreuungsrechtsreform, die am 1. Januar 2023 in Kraft tritt, wird ein sogenanntes Ehegattenvertretungsrecht formuliert, das dem vertretenden Ehegatten Gesundheitssorge im Falle von beispielsweise Bewusstlosigkeit einräumt. Aufgabe des Arztes ist es dann, unter anderem eine schriftliche Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen sowie das Nichtvorliegen der Ausschlussgründe vorzulegen. Ein Aufwand, der in angemessener Zeit schwerlich darzustellen sein dürfte und auch nicht zu unseren Aufgaben zählt.

Konnektoren-Tausch

Es ist kaum zu glauben: Angeblich aus Sicherheitsgründen sollen in Praxen und Krankenhäusern rund 130.000 Konnektoren bundesweit ausgetauscht werden. Laut Gematik und BMG lassen sich die Zertifikate nicht erneuern, sodass die Konnektoren jetzt komplett ausgetauscht werden müssten. Aus unseren Altgeräten soll also „Elektromüll“ werden, obwohl BÄK und Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), beide ebenfalls Gematik-Gesellschafter, sich für Alternativprüfungen und eine Neubewertung der Sachlage zum jetzigen Zeitpunkt ausgesprochen haben. Experten zufolge gelte lediglich für einen kleinen Teil der Konnektoren dieser Austauschzwang – etwa 15.000 Geräte bestimmter Hersteller. Wäre nicht beispielsweise eine zweijährige Verlängerung der Zertifikate per Software ausreichend sicher, ohne die Konnektoren jetzt tauschen zu müssen? Ein Hin und Her der Meinungen und scheinbar auch ohne auf die immensen Kosten einzugehen. Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit jedenfalls sehen anders aus.

Infektionsschutzgesetz

Es ist kaum zu glauben: Maskenpflicht in Innenräumen in Abhängigkeit vom Genesenenstatus oder dem Abstand zur letzten Corona-­Impfung. Dies soll im neuen Infektionsschutzgesetz festgelegt werden. Abgesehen von der Frage, wer das wie kontrollieren soll, werden hier politische Vorgaben ohne medizinisch-plausible Grundlagen geschaffen. Wenn jetzt argumentiert wird, dass uns Ärztinnen und Ärzte das nicht betrifft, geht dies ebenfalls an der Realität vorbei, denn die damit verbundenen Fragen seitens der Patientinnen und Patienten werden in unseren Praxen gestellt.

Fazit

Es ist kaum zu glauben: Uns wird verwehrt, was angemessen ist, beispielsweise eine neue GOÄ, die Umsetzung durchaus berechtigter Honorarforderungen, Bürokratieabbau, eine verlässliche und unkomplizierte Telematikinfrastruktur oder für die medizinische Versorgung sinnvolle Gesetzesvorgaben. Dennoch können sich unsere Patientinnen und Patienten weiterhin auf uns verlassen, weil das unserer Einstellung entspricht, die im Übrigen im Genfer Gelöbnis für Ärztinnen und Ärzte festgelegt ist. Jedoch sollte man unsere Geduld nicht überstrapazieren.

Dr. Gerald Quitterer

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