Judith Gerlach

Judith Gerlach

Erfolgsprogramme fortsetzen und darauf aufbauen

Judith Gerlach heißt seit dem 8. November 2023 die Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention. Zuvor war die Juristin seit November 2018 Bayerische Staatsministerin für Digitales im Kabinett Söder II. Seit 2013 gehört Gerlach (CSU) dem Bayerischen Landtag an. Was bewegt die 38-jährige geborene Würzburgerin?
Was steht ganz oben auf ihrer gesundheitspolitischen Agenda?

Nach Ihrem Amtsantritt haben Sie betont, die Niederlassungsförderung in Bayern fortsetzen zu wollen. Wie steht es a) um die Quote bei den Studierenden und b) um die Förderzahlen bei den Praxen?

Judith Gerlach: Sehr gut. Mit der Landarzt­quote hat Bayern einen Nerv getroffen, das zeigen die durchweg hohen Bewerberzahlen. Seit dem Start des Studienangebots im Wintersemester 2020/21 haben sich knapp 2.000 junge Menschen beworben. Das übersteigt die rund 115 jährlich zur Verfügung stehenden Plätze um ein Vielfaches. Insgesamt studieren mittlerweile 442 angehende Medizinerinnen und Mediziner in diesem Programm. Ab 2031 erwarten wir die ersten fertigen Absolvierenden, die dann für mindestens zehn Jahre im ländlichen Raum arbeiten werden. Auch mit der Landarztprämie sind wir sehr zufrieden. Seit 2012 haben wir knapp 1.200 Niederlassungen von Ärztinnen und Ärzten gefördert. Sie erhalten bis zu 60.000 Euro für die Eröffnung einer Praxis im ländlichen Raum. Es ist mir sehr wichtig, dass wir diese Erfolgsprogramme fortsetzen und darauf aufbauen. In Kürze werden wir ein zusätzliches Förderprogramm auflegen, mit dem wir die Kommunen unterstützen, eine wohnortnahe vertragsärztliche Versorgung zu fördern.

Mit dem Digitalgesetz wurde für 2024 die verpflichtende Einführung des E-Rezepts festgelegt. Welche Vorteile bringt die digitale Anwendung für Ärztinnen und Ärzte sowie für Patientinnen und Patienten?

Gerlach: Das E-Rezept ist nach technischen Anfangsschwierigkeiten jetzt durchgestartet – und das ist gut so! Aktuell wurden bisher knapp zehn Millionen E-Rezepte eingelöst. Den richtigen Kick für die häufige Nutzung gab es ab Juli dieses Jahres, als die Apotheken damit begannen, neben der Verwendung der App oder des Papierausdrucks Rezepte einfach mithilfe der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) einzulösen. Patientinnen und Patienten brauchen jetzt lediglich die Versichertenkarte, um in der Apotheke elektronische Rezepte von ihrer Ärztin oder ihrem Arzt einlösen zu lassen. Damit ist klar: Die Benutzung von digitalen Tools muss einfach sein und darf nicht als Zusatzbelastung empfunden werden – weder auf Seiten der Leistungserbringenden noch auf Seiten der Patientinnen und Patienten. Die Vorteile für die Arztpraxen liegen auf der Hand: So gibt es eine administrative Entlastung der medizinischen Fachangestellten, die keinen händischen Unterschriften mehr hinterherlaufen oder vorbereitete Rezepte sortieren müssen. Zudem werden Anrufe und Rückfragen von Apotheken aufgrund nicht lesbarer oder fehlender Angaben auf Rezepten reduziert. Gut ist auch: Patientinnen und Patienten müssen nicht mehr für jedes Folgerezept in die Praxis kommen. Das spart Zeit und Ressourcen. Das E-Rezept ist daher ein wichtiger Schritt, die Abläufe in der Versorgung zu verschlanken und schneller zu machen. Konkret heißt das: Bürokratieabbau.

Neben der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), soll 2024 wieder die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung ­geschaffen werden, beispielsweise bei Infekten, was vor allem Hausärztinnen und -ärzte fordern. Befürworten Sie die bedingte Einführung der telefonischen AU?

Gerlach: Ja, das unterstütze ich voll und ganz. Angesichts der steigenden Infektionszahlen ist das sinnvoll. Die telefonische Krankschreibung ist nicht nur eine Entlastung für die Ärztinnen und Ärzte, sondern sie dient auch dem Infektions­schutz. Für die Patientinnen und Patienten ist die telefonische Krankschreibung ebenfalls ­eine Erleichterung. Menschen, die aufgrund einer Corona-Infektion oder einer anderen Atemwegs­erkrankung eine Krankschreibung benötigen, sollten sich nicht zwingend in eine Arztpraxis schleppen müssen.

Um die Krankenhausreform wird seit Monaten in Deutschland heftig gerungen. Sie drängen auf Korrekturen – welche genau?

Gerlach: Es gibt einige ganz grundlegende Punkte, bei denen wir von Anfang an klargemacht haben, dass sie uns wichtig sind. Allem voran ist das die Krankenhausplanung – die ist laut Verfassung in der Verantwortung der Länder. Durch die bisherigen Lauterbach-Vorschläge sehen wir diese Aufteilung aber in Gefahr. Wir befürchten, dass etwa durch die Definition der Leistungsgruppen und deren Strukturvoraussetzungen am grünen Tisch in Berlin unsere Planungsmöglichkeiten beschränkt und unerwünschte Tatsachen gerade im ländlichen Raum geschaffen werden. Dagegen wehren wir uns. Es muss durch hinreichende Ausnahmemöglichkeiten sichergestellt sein, dass die Länder Versorgungsprobleme verhindern und bei der Prüfung von Strukturvoraussetzungen für Leistungsgruppen beispielsweise auch ­Kooperationen zulassen können. Zudem brauchen wir praktikable Lösungen für Fachkrankenhäuser, um diese hochspezialisierten Einrichtungen weiter für die Patientinnen und Patienten am Netz zu halten.
 
Zum anderen fordert Bayern seit gut einem Jahr eine Analyse, wie sich der Reformentwurf der Bundesregierung auf die Krankenhäuser in den Ländern auswirkt. Das heißt konkret: Welche Folgen wird das neue System für die Versorgung der Patientinnen und Patienten haben? Bei einer Reform dieser Tragweite für die Menschen in Deutschland erwarte ich das Verantwortungsbewusstsein der Bundesregierung, sich darüber im Vorfeld Gedanken zu machen. Eine Reform im Blindflug wäre unverantwortlich.
 
Außerdem fordern wir – gemeinsam mit anderen Ländern – ein Soforthilfeprogramm für die Krankenhäuser. Sonst droht eine Pleitewelle, noch bevor die Krankenhausreform Wirkung entfalten kann. Das kann niemand wollen, der ernsthaft das Wohl der Patientinnen und Patienten im Sinn hat.

Sie werben – auch in den sozialen Medien – stark für den Organspende-Ausweis. Wie ­stehen Sie zur Widerspruchslösung?

Gerlach: Ich bin für die Widerspruchslösung. Denn sie bietet die Chance, dass mehr Menschen ein lebensrettendes Spenderorgan bekommen. Organspende wäre dann der Normalfall – und nicht mehr der Sonderfall bei ausdrücklicher Zustimmung. Klar ist, dass wir mehr Spender brauchen. Ich setze mich dafür ein, dass sich mehr Menschen mit dem Thema Organspende auseinandersetzen. Mit unserem Bündnis Organspende und Social-Media-Kampagnen klären wir auf und sensibilisieren für das Thema.

Vielen Dank für das Interview!

Die Fragen stellte Dagmar Nedbal (BLÄK)

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