Impftechnik und schmerzarmes Impfen bei Kindern

Impftechnik und schmerzarmes Impfen bei Kindern

Neben der Erfindung des Kühlschrankes ist das Impfen zur Reduktion der Morbidität und Mortalität über alle Altersgruppen, aber insbesondere im Säuglings- und Kleinkindesalter, die anerkanntermaßen erfolgreichste Entwicklung der vergangenen Jahrhunderte.

Von den schwierigen Anfängen, mit Entfettung durch Äther und Inokulation von Kuhpocken ist bis heute eine beeindruckende Entwicklung abgelaufen, die zuletzt in der raschen Entwicklung von Impfstoffen gegen das SARS-CoV2-Virus ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.

Gerade bei den Coronaimpfungen ist aber auch wieder die Impftechnik in den Vordergrund gerückt. Und da korrekte Impftechnik nicht nur den Impferfolg erhöht, sondern auch zur Reduktion von Schmerzen beitragen kann, sollen hier kurz einige Details zur Durchführung von Schutzimpfungen besprochen werden.  

Die allermeisten Impfungen werden intramuskulär injiziert. Von der STIKO zur Injektion empfohlenen Impfungen werden lediglich die Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen subcutan verabreicht. Allerdings ist auch hier eine intramuskuläre Gabe zulässig.

Der bevorzugte Applikationsort für I.m.-Impfungen ist der M. deltoideus. Solange dieser noch nicht ausreichend ausgebildet ist, insbesondere beim kleinen Säugling, wird empfohlen in den Vastus lateralis des M. quadriceps zu impfen.

Das Risiko einer Verletzung von Nerven und Gefäßen ist hier gering. Aus Erfahrung bietet es sich an, sobald die Kinder beginnen zu laufen, auf den M. deltoideus zu wechseln, da ein schmerzender Arm das Kind in dieser Lebensphase deutlich weniger beeinträchtig, als ein schmerzender Oberschenkel.

Impfungen können iatrogen Schmerzen verursachen und Stress auslösen. Bereits die Angst vor möglichen Schmerzen kann den anstehenden Arztbesuch negativ beeinflussen und im schlimmsten Fall lebenslang Ängste vor Injektionen allgemein und Impfungen im Speziellen begründen.

Inzwischen gibt es mehrere evidenzbasierte Empfehlungen zur Schmerz- und Stressreduktion bei Impfungen, die auch entsprechend von der WHO [1] und dem RKI [2] bewertet und veröffentlicht wurden.

Ehrlich und empathisch sein

Generell sollte das Fachpersonal beim Impfen eine ruhige Ausstrahlung haben, kooperativ und sachkundig sein. In der Beratung sollte unbedingt auf einen neutralen Sprachgebrauch geachtet werden. Unehrliche Aussagen wie „Das tut überhaupt nicht weh!“ sollten unbedingt vermieden werden. Wenn von den Eltern dem Kind vor dem Arzt­besuch versprochen wurde, dass „heute kein Picks ist“ sollte ein neuer Termin zur Impfung vereinbart werden um das Vertrauen des Kindes zu erhalten.

Die Anwendung von lokalen schmerzstillenden Medikamenten, wie Lidocainhaltigen Cremes (zum Beispiel EMLA®) ist zwar (unter Beachtung der Fachinformation) möglich, aber generell eigentlich weder nötig noch sinnvoll. Neben den hohen Kosten und möglichen Nebenwirkungen, wie Sensibilisierung und der Bildung von Methämoglobin, ist vor
allem die Steigerung der psychischen Anspannung durch die lange notwendige Einwirkzeit vor dem eigentlichen Impftermin in den seltensten Fällen förderlich.

Die empfohlene Mindesteinwirkzeit von 30 bis 60 Minuten muss bei der Planung berücksichtigt werden. Die Kosten der Pflaster (Stück: ca. 5 Euro), die frei in der Apotheke erhältlich sind, müssen die Eltern oder die zu impfende Person gewöhnlich selbst tragen.

Zur Schmerzreduktion kann auch Eisspray verwendet werden. Die Aufsprühzeit beträgt zwei bis acht Sekunden und im Anschluss kann, nach entsprechender Desinfektion, sofort geimpft werden.

Bei beiden Methoden ist zu bedenken, dass die eigentliche Punktion nicht den schmerzhaften Moment darstellt, sondern die lokale Wirkung des Impfstoffes in der Muskulatur.

Entscheidend bei kleinen Kindern ist den Eltern bereits durch Vorgespräche, zum Beispiel im Rahmen der U3, mögliche Ängste vor der Impfung zu nehmen, da eine entspannte Haltung der Eltern einen eindeutig positiven Effekt auf die Kinder hat. Generell sollte bei Kindern mindestens ein Elternteil bei der Impfung anwesend sein.

Bereits ab dem Kindergartenalter kann man, in angepasster Weise, mit den Kindern über die Impfung reden. Erstaunlich effektiv sind, bis ins Erwachsenenalter hinein, entsprechende Ablenkungsmanöver um die Injektion herum.

Im jungen Säuglingsalter wirkt auch das Nuckeln an einem Schnuller schmerzreduzierend. Säuglinge können, solange sie noch gestillt werden, während der Impfung angelegt werden. Kinder im Alter von < zwei Jahren können ein bis zwei Minuten vor der Impfung 2 ml einer 25%-igen Glukose-Lösung oder eine andere süße Flüssigkeit bekommen, da das die Schmerzreaktion reduziert. Da Rotavirus-Impfstoffe Saccharose enthalten, sollte bei der Durchführung mehrerer Impfungen an einem Termin die Rota-Impfung, sofern geplant, als erste verabreicht werden.

Eine entspannte Körperposition des zu impfenden Kindes reduziert ebenfalls die Schmerzen bei der Impfung. Man kann auch versuchen, das Kind selber zum Lockerlassen der Muskulatur zu bewegen („Lass Deine Muskeln locker wie Wackelpudding.“).

Kleinkinder im Alter von unter drei Jahren sollten während der Impfung am besten auf dem Arm oder auf dem Schoß gehalten und nach der Impfung leicht geschaukelt und liebkost werden.

Kinder ab dem Alter von ca. drei Jahren sowie Jugendliche und Erwachsene sollten bei der Impfung möglichst aufrecht sitzen. Kinder können auf dem Schoß der Eltern sitzen, weil die Eltern so das Stillhalten der Gliedmaßen unterstützen können. Bei Injektionen in den M. deltoideus ist dieser am lockersten, wenn der Arm gebeugt ist, und die Hand mit abgespreiztem Daumen am eigenen Becken abgestützt wird.

Personen, die zu Synkopen neigen, sollten im Liegen geimpft werden (auch Kinder und Jugendliche).

Die Nadellänge sollte bei Säuglingen von < zwei Monaten 15 mm betragen, bei älteren Säuglingen und Kleinkindern 25 mm und bei Jugendlichen und Erwachsenen 25 bis 50 mm. Dünnere Nadeln verursachen selbstverständlich die wenigsten Schmerzen.

Die intramuskuläre Injektion soll unbedingt altersunabhängig ohne Aspiration erfolgen! Die Aspiration ist überflüssig, da an den Körperstellen, die zur Injektion verwendet werden, keine großen Blutgefäße existieren (M. vastus lateralis oder M. deltoideus). Die dabei unvermeidbare Bewegung der Nadel im Muskel verursacht immer Schmerzen.

Werden mehrere Impfungen am selben Termin gegeben, soll die schmerzhafteste Impfung zuletzt injiziert werden. Besonders schmerzhaft können die Injektionen der Pneumokokken-Impfung sein. Durch eine zügige Injektion können Schmerzen bei der intramuskulären Injektion reduziert werden.

Somit kann durch die richtige Impftechnik und den richtigen Impfort der Stress für Eltern und Kind deutlich reduziert und der Impferfolg gesteigert werden.

Literatur

[1] www.who.int/publications/i/item/who-wer9039
[2] www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Dokumente/Schmerzreduktion.html

Autor

Guido Judex
Facharzt Kinder- und Jugendmedizin, Zentrum für Kinder- und Jugendgesundheit, Dr.-Leo-Ritter-Str. 4, 93049 Regensburg

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