Hitze in der Arbeitswelt

Ein Handlungsfeld für die Arbeitsmedizin
Hitze – Zunahme im Klimawandel
Der Klimawandel hat verschiedene „Gesichter“. Die Erhöhung der Durchschnittstemperatur ist eine wichtige Messgröße, allerdings sagt diese vergleichsweise wenig über die Folgen aus, die sich daraus ergeben. Diese Folgen konnten wir in den vergangenen Jahren verstärkt auch bei uns beobachten: Dürreperioden, Unwetter und Hitzewellen [1], wobei extreme Wetterereignisse häufiger und intensiver vorkommen.
Hitzewellen haben seit den 1980er-Jahren zugenommen. In den Jahren mit ausgeprägten Hitzewellen konnte eine Übersterblichkeit beobachtet werden, so zum Beispiel im Zeitraum von 2018 bis 2020 mit ungewöhnlich hohen Sommertemperaturen (ca. 19.000 Sterbefälle in dieser Periode [2]). Wieso macht Hitze uns so zu schaffen?
Hitze – Auswirkungen auf den menschlichen Köper
Unser Körper hat verschiedene Mechanismen entwickelt, um mit Hitze umzugehen. Diese setzen allerdings voraus, dass der Organismus gesund und funktionsfähig ist. Und natürlich haben alle biologischen Systeme ihre Grenzen, deren Überschreitung ernsthafte Folgeschäden nach sich ziehen kann [3].
Besonders gefährdet bei Hitze sind sogenannte „vulnerable Gruppen“. Dazu gehören Menschen mit Vorerkrankungen und Ältere, bei denen die Regulationsmechanismen eingeschränkt sind oder diese durch Medikamente beeinflusst werden. Aber auch Kinder und vor allem Säuglinge stellen eine besondere Risikogruppe dar, da sie schneller aufheizen, weniger schwitzen und seltener eigenständig trinken [4].
Der menschliche Körper befindet sich in einem ständigen Wärmeaustausch mit seiner Umgebung. Dieser beruht auf den Mechanismen Konduktion (Wärmeübertragung durch direkten Kontakt), Konvektion (Wärmeaustausch über ein Medium, zum Beispiel Luft oder Wasser), Radiation (Wärmestrahlung durch elektromagnetische Wellen) und Evaporation (Wärmeverlust durch Verdunstung). Bei Überwärmung des Körpers infolge hoher Umgebungstemperatur reagiert der Hypothalamus durch eine Senkung des Sympathikotonus. Im Folgenden kommt es zu einer peripheren Vasodilatation (erhöhter Wärmeverlust durch Konvektion) und gesteigerter Schweißsekretion. Über die durch die Verdunstung des Schweißes entstehende Verdunstungskälte wird die Haut gekühlt (Evaporation).
Enorm wichtig für den menschlichen Temperaturhaushalt ist ein ausgeglichener Wasserhaushalt. Das unterstreicht die Bedeutung einer ausreichender Flüssigkeitszufuhr als kritische Größe bei Hitze [3]. Zudem ist beim Flüssigkeitsverlust zu beachten, dass dieser nicht nur durch vermehrtes Schwitzen verursacht, sondern zum Beispiel durch Medikamente (insbesondere Diuretika) verstärkt sein kann.
Hitze kann schwere gesundheitliche Folgen haben und insbesondere das Herz-Kreislauf-System, die Atemwege, die Nierenfunktion aber auch das Nervensystem beeinträchtigen bzw. bestehende Erkrankungen verschlechtern. Zudem kann die psychische Gesundheit beeinflusst werden. Weiter gibt es einen Zusammenhang zwischen Hitze und zunehmender Aggressivität sowie erhöhter Unfallwahrscheinlichkeit [5]. Auf das Gesundheitsrisiko Hitze geht u.a. der Gesundheitsreport 2024 der DAK ausführlich ein [6].
Hitze – ein Problem der Arbeitswelt
Hitze ist nicht nur ein Problem für ältere oder vorerkrankte Menschen sowie Kinder. Hitze hat auch einen großen Einfluss auf den Arbeitsalltag und die Produktivität. Dass eine körperliche Arbeit in der Mittagshitze besonders anstrengend ist, ist wahrscheinlich gut nachvollziehbar. Aber wussten Sie auch, dass geistige Arbeit durch Hitze eingeschränkt wird? Für die Sommermonate werden für Beschäftigte mit sitzenden und leichten Tätigkeiten Temperaturen zwischen 23 °C bis 26 °C als Behaglichkeitsbereich angesehen – über 26 °C können wir uns schlechter konzentrieren [7.]
Die Produktivitätsverluste durch Hitze in der Arbeitswelt werden für die beiden Hitzejahre 2018 und 2019 mit rund fünf Mrd. Euro beziffert. Hinzu kommen der Schätzung zufolge indirekte Schäden, sodass sich der Gesamtschaden für die beiden Jahre in einer Größenordnung von 8,5 bis 10,3 Mrd. Euro bewegt [8].
In Deutschland sind über 46 Millionen Menschen arbeitstätig [9]. Damit betrifft die Hitze am Arbeitsplatz sehr viele Menschen, von denen die meisten zwar fit und gesund sind, viele aber auch Risikogruppen zugeordnet werden können, vorallem aufgrund von Vorerkrankungen und Medikamenten (wie bereits oben beschrieben). Ebenso können gesunde Menschen bei Hitze Schaden nehmen, wenn nicht ausreichend Flüssigkeit aufgenommen wird oder es zu Störungen der Temperaturregulation kommt, wenn zum Beispiel in der prallen Mittagssonne mit entsprechender Hitze eine anstrengende Outdoortätigkeit verrichtet wird. Die Belastung durch die Hitze äußert sich in einer erhöhten Unfallrate und kann sogar im Extremfall bis zum Tod führen [7, 10].
Rolle der Arbeitsmedizin
Die Arbeitsmedizin befasst sich als Fach mit den Wechselwirkungen zwischen Arbeit und Gesundheit. Dabei werden sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer zu allen Fragen des Arbeitsschutzes beraten [11]. Die wesentlichen Aufgaben sind Prävention und Diagnostik (Untersuchung und Bewertung arbeitsbedingter Gesundheitsschäden und Berufskrankheiten), ergonomische Gestaltung (Optimierung von Arbeitsplätzen und Arbeitsabläufen, um gesundheitliche Risiken zu minimieren; hierzu gehört auch die Beratung zur Adaptation der Arbeitsbedingungen an sich ändernde Rahmenbedingungen, also auch des sich verändernden Klimas), Integration (Unterstützung von chronisch Kranken und Menschen mit Behinderung bei der Eingliederung in den Arbeitsprozess) und Unfallverhütung (Maßnahmen zur Vermeidung von Arbeitsunfällen und zur Förderung der Arbeitssicherheit).
Entscheidend sind die beiden Faktoren „Verhältnisprävention“ (Anpassung der Arbeitsbedingungen an sich ändernde Umgebungsbedingungen) und „Verhaltensprävention“ (gesundheitsgerechtes Verhalten der Beschäftigten).
Umgang mit der Hitze in der Arbeitswelt – mögliche Maßnahmen bei Hitze
Der Umgang mit der Hitze am Arbeitsplatz sollte systematisch geplant und umgesetzt werden. Auch hier gibt es zwei Leitplanken, die uns den Weg weisen: Gefährdungsbeurteilung und STOP-Prinzip. In der Gefährdungsbeurteilung werden die möglichen Gefahren, die von der Tätigkeit ausgehen (zum Beispiel Hitze als physikalischer Faktor; Hitzewellen sind „saisonale Einwirkungen von Hitze“), erfasst und entsprechende Maßnahmen abgeleitet. Diese sollten sich dann an dem (S)TOP-Prinzip orientieren (Substitution, Technische, Organisatorische und Persönliche Maßnahmen). Als technische Maßnahmen können bei Hitze zum Beispiel außenanliegende Jalousien oder Sonnenschutzfolien angebracht, Klimaanlagen verwendet oder eine Beschattung des Arbeitsplatzes organisiert werden. Unter organisatorischen Maßnahmen versteht man zum Beispiel Unterweisungen zum Umgang mit Hitze, Verlegung von Arbeiten in die frühen Morgenstunden und Unterbrechung der Arbeit im Freien in der Mittagshitze, Verringerung der Arbeitsschwere oder die Bereitstellung von Entwärmungsräumen. Persönliche Maßnahmen umfassen zum Beispiel Kopfbedeckungen, Kühlwesten und die Bereitstellung von Getränken.
Zu diesen Maßnahmen gibt es zahlreiches Informationsmaterial der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind. Da viele Outdoor-Tätigkeiten im Verantwortungsbereich der Berufsgenossenschaft für den Bausektor (BG Bau) und Sozialversicherung Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) liegen, wurden hier viele gemeinsame Ideen und Konzepte entwickelt [12, 13].
Für die hier beschrieben Maßnahmen sind primär die Arbeitgebenden zuständig. Die Arbeitnehmenden können an der Gefährdungsbeurteilung mitwirken und sich – zum Beispiel bei Vorerkrankungen – im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge untersuchen und beraten lassen. Zudem können die Arbeitnehmenden mit ihrem Verhalten die Folgen des Klimawandels reduzieren und gleichzeitig ihre Gesundheit verbessern (Co-Benefits, siehe unten).
Langfristige Maßnahmen gegen den Klimawandel
Nicht nur kurzfristige Aktionen bei Auftreten von Hitze sind erforderlich, auch langfristige Maßnahmen gegen den Klimawandel können in den Betrieben umgesetzt bzw. thematisiert werden. Eine wichtige Rolle kann die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) spielen, bei der auch die gesetzliche Krankenversicherung finanziell unterstützend tätig sein kann und die von Betriebsärztinnen und -ärzten maßgeblich (mit-)gestaltet wird. Zwei Präventionsfelder sind besonders herauszuheben: Ernährung und Bewegung, wobei hier sogenannte Co-Benefits ins Spiel kommen. So kann eine Ernährung, die sich an den Vorgaben der Planetary Health Diet orientiert, zur Gesunderhaltung beitragen und gleichzeitig durch die Reduktion des Fleischanteils die Klimafolgen der Tierhaltung vermindern. Auch bei der Bewegung gibt es einen doppelten Nutzen. Wenn der Arbeitsweg – wo immer möglich – mit dem Fahrrad zurückgelegt wird, entstehen keine Emissionen durch das Fahrzeug und gleichzeitig hat die erfolgte Bewegung einen gesundheitsförderlichen Nutzen [14].
Weiterbildung in der Arbeitsmedizin
Das Facharztgebiet der Arbeitsmedizin bietet sehr vielfältige Möglichkeiten und die Einsatzfelder sind breit, von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bis zu Großbetrieben und internationalen Konzernen ist alles dabei. Die Weiterbildung wurde in den vergangenen Jahren angepasst, sodass nur noch die Tätigkeit in einem Fach der unmittelbaren Patientenversorgung erforderlich ist und kein Pflichtteil Innere Medizin oder Allgemeinmedizin mehr besteht. Ein Umstieg aus einem anderen Fach fällt dadurch leichter. Neben dem Facharzt für Arbeitsmedizin (Weiterbildungszeit 5 Jahre, davon müssen 24 Monate in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung erfolgen) ist auch der Erwerb der Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin möglich. Da das Weiterbildungsrecht Landesrecht ist, sollte man sich über die jeweils gültige Weiterbildungsordnung bei der entsprechenden Landesärztekammer informieren.
In der Weiterbildung sind drei arbeitsmedizinische Kurse von jeweils 3 Wochen Dauer zu absolvieren, wobei in den Kursen die Grundlagen vermittelt werden. Die Kosten für diese Kurse werden häufig von den Weiterbildungsstätten übernommen.
Betriebsärzte werden – wie viele andere Fachrichtungen auch – überall gesucht und die Berufsaussichten sind sehr gut, auch durch den demografischen Wandel in der Medizin und bei den Beschäftigten in der Arbeitswelt.
Neben der Tätigkeit in den Betrieben ist ein Engagement in Berufsverbänden möglich, was dem fachlichen Austausch und der Vernetzung dient. Hier bestehen viele Möglichkeiten, so zum Beispiel die Arbeitsgruppe „Klimawandel, Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit“ [15] beim Verband der Deutschen Betriebs- und Werksärzte (VDBW).
Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-aerzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.
Autor
Dr. Matthias Finell
AG „Klimawandel, Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit“ am VDBW
Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte e. V. Friedrich-Eberle-Str. 4 a, 76227 Karlsruhe
Audi Gesundheitsschutz, 85045 Ingolstadt
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