Gynäkologie – highlighted

Gynäkologie - highlighted

Die richtige Balance zu finden zwischen „zu viel“ und „zu wenig“ ist umso schwieriger, je größer unser Arsenal an diagnostischen und therapeutischen Optionen wird. Anhand von drei Fällen aus der Frauenheilkunde möchten wir dieses Dilemma beleuchten. Ein Fall einer Patientin mit Mammakarzinom zeigt, dass eine kluge Beschränkung der durchgeführten Diagnostik die Patientin vor Schaden schützen kann. Ein Fall mit ausgedehnter Endometriose legt dar, dass auch bei benignen Erkrankungen radikale operative Maßnahmen von Vorteil sein können. Ein dritter Fall mit akutem Abdomen zeigt auf, dass bei akuten heftigen Beschwerden rasches und entschlossenes Handeln erforderlich ist.

Fall 1 – Überdiagnostik bei einer Patientin mit Mammakarzinom mit guter Prognose

Erkrankung

Bei einer 67-jährigen, bisher gesunden und beschwerdefreien Frau, wird im Rahmen einer Früherkennungsmammografie mit anschließender ultraschallgesteuerter Stanzbiopsie die Diagnose eines gut differenzierten Mammakarzinoms gestellt. Der Befund ist nicht tastbar: Tumorstadium cT1c cN0 G1, Luminal A-Typ (hochpositiv für Östrogen- und Progesteronrezeptoren, niedrige Proliferationsrate [Ki67 zehn Prozent], HER2-neu negativ) (Tabelle 1). Die brusterhaltende Operation mit Sentinellymphknotenexzision erbrachte ein gut differenziertes, 1,1 cm großes Karzinom ohne Lymphknotenmetastasen. Mit postoperativer Nachbestrahlung und einer rein endokrinen Behandlung für fünf Jahre mit Aromatasehemmern oder einer Sequenz aus Aromatasehemmern und Tamoxifen war das kalkulierte Risiko, innerhalb der nächsten 15 Jahre an Brustkrebs zu versterben, fast null Prozent [1].


Tabelle 1: Stadieneinteilung beim Mammakarzinom [3].

Diagnostik

Die bereits vor der Vorstellung in der Klinik zum Staging veranlasste Knochenszintigrafie und Computertomografie des Thorax und des Abdomens zeigte in der Leber mehrere kleine Läsionen, die größte davon 1,3 cm, die aufgrund der Diagnose eines invasiven Mammakarzinoms als metastasenverdächtig befundet wurden. Die Sonografie konnte die Mehrzahl der Befunde als Zysten einordnen, der größte Befund war jedoch weder eindeutig als Metastase zu identifizieren, noch konnte eine Metastase ausgeschlossen werden. Derselbe Befund ergab sich in einer Kernspintomografie. Eine sichere Zuordnung wäre durch eine histologische Untersuchung möglich gewesen. Im vorliegenden Fall lag der fragliche Befund aber so ungünstig in der Nähe der Pfortader, dass die Punktion mit einem deutlich erhöhten Blutungsrisiko verbunden war. Daher wurde darauf verzichtet.

Krankheitsverlauf

Die Patientin war im weiteren Verlauf körperlich beschwerdefrei. Wegen der fraglichen Metastase war sie allerdings erheblich beunruhigt. Trotz der guten Prognose benötigte sie intensive psychologische Betreuung. Regelmäßige CT-Kontrollen des Leberbefundes zeigten keine Veränderung.
Zusätzlich wurden in der Nachsorge regelmäßig Bestimmungen des Tumormarkers CA15-3 durchgeführt. Dieser zeigte einen langsamen, undulierenden Anstieg innerhalb des Normbereichs von initial 15,6 bis knapp unter 30. Zwei Jahre nach Primärbehandlung wurde ein Wert von 39,2 gemessen. Dieser erhöhte Wert gab Anlass zu erneuter intensiver Bildgebung zur Metastasensuche, sogar PET-CT auf eigene Kosten der Patientin. Ein pathologischer Befund (außer dem unveränderten Leberherd) wurde nicht gefunden. In der Folge sank der CA15-3-Spiegel wieder auf Werte unter 25. Schließlich, 3,5 Jahre nach Primärbehandlung, ließ sich die Patientin davon überzeugen, dass keine Metastasierung vorlag. Auf die weitere Metastasendiagnostik sollte künftig verzichtet werden, ebenso auf die Bestimmung des Tumormarkers. Der psychische Zustand der Patientin besserte sich jetzt relativ rasch. Sie nahm regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen mit klinischer Untersuchung, Mammografie und Mammasonografie wahr. Die endokrine Therapie wurde nach fünf Jahren beendet. Heute, acht Jahre nach der Diagnose, ist die Patientin beschwerdefrei und ohne Hinweis für Rezidiv oder Metastasen.

Diskussion

In den vergangenen Jahren haben sich die Empfehlungen zur Umfelddiagnostik und Nachsorge bei Mammakarzinom erheblich verändert – sinnvoll, wie an diesem Fall gezeigt werden kann.
Die Patientin hatte eine sehr gute Prognose mit nahezu 100-prozentiger Heilungswahrscheinlichkeit und minimalem Metastasierungsrisiko. Selbst im Falle einer bei der Primärdiagnose bereits vorliegenden Metastasierung, hätte sich die Behandlung in keiner Weise geändert: Operation, Bestrahlung und endokrine Therapie.
Mit der Diagnostik zur Metastasensuche wurde der Patientin erheblicher Schaden zugefügt: Neben der Strahlenbelastung bedeuteten die Befunde eine schwere seelische Belastung, erschwerten die Krankheitsverarbeitung und verschlechterten die Lebensqualität. Ebenso medizinisch nutzlos, aber belastend war das Monitoring des Tumormarkers. Der vorübergehende Anstieg und die geringe Überschreitung des Normalwertes führten zu weiterer unnötiger Diagnostik und psychischer Belastung.
Eine vor wenigen Jahren veröffentlichte Metaanalyse zeigte, dass in den Stadien 1 und 2 des Mammakarzinoms die Prävalenz von Metastasen gering ist (0,2 bzw. 1,2 Prozent). Dies ist signifikant niedriger, als die Rate falsch-positiver Befunde in der modernen Bildgebung. Je seltener das Vorkommen von Metastasen in einem Kollektiv ist, desto höher ist der relative Anteil der Patienten mit zweifelhaften oder falsch positiven Befunden, die durch die Diagnostik zusätzliche Morbidität erleiden durch Angstzustände, unnötige Bestrahlung, weitere eventuell auch invasive Diagnostik und übermäßige Behandlung [2]. Die Deutsche S3-Leitlinie empfiehlt: „Das Ganzkörperstaging sollte nur durchgeführt werden bei Frauen mit höherem Metastasierungsrisiko (N+, > T2) und/oder aggressiver Tumorbiologie (zum Beispiel: Her2+, triple-negativ), klinischen Zeichen, Symptomen und bei geplanter Entscheidung zur systemischen Chemo-/Antikörpertherapie. Das Ganzkörperstaging sollte mittels CT-Thorax/Abdomen und Skelettszintigrafie erfolgen [3]. Die Amerikanische Gesellschaft für Klinische Onkologie (ASCO) bezeichnete daher den Verzicht auf PET, CT und Knochenszintigrafien bei beschwerdefreien Brustkrebspatienten der Stadien 1 und 2 als eine der fünf wichtigsten Maßnahmen zur Verbesserung der onkologischen Behandlung. Dasselbe gilt in der Nachsorge für beschwerdefreie Patientinnen, die mit kurativer Intention behandelt wurden: keine bildgebende Diagnostik zur Metastasensuche und keine Bestimmung von Tumormarkern [4]. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann eine leichte Erhöhung des Tumormarkers bei gesunden Frauen vorkommen, ohne dass ein maligner Tumor vorliegt. Tumormarkerbestimmungen in der Nachsorge führen genauso wenig wie die Bildgebung zu verbesserter Überlebensrate oder Lebensverlängerung, tragen aber das Risiko von Beunruhigung, Überdiagnostik und Übertherapie. Die S3-Leitlinie empfiehlt: „Eine intensivierte apparative und labortechnische Diagnostik mit Röntgen-Thorax, Knochenszintigrafie, CT, PET oder MRT sowie Blutbildbestimmung, Serum-Biochemie oder Tumormarkerbestimmung gehören zur Metastasendiagnostik, nicht zur Standard-Nachsorge und sind nur bei klinischen Auffälligkeiten indiziert. Tumormarkerbestimmungen können weiterhin zum Therapiemonitoring einer metastasierten Patientin sinnvoll sein [3].

Merke

Metastasensuche bei der Primärdiagnose ist nur ab dem Stadium 3 sinnvoll oder wenn der Nachweis von Metastasen die Therapie verändern würde, also zum Beispiel bei der Indikation für eine (neo)adjuvante Chemotherapie. In der Nachsorge von beschwerdefreien Brustkrebspatientinnen sind Mammografie und Mammasonografie sowie klinische Untersuchung empfohlen. Nur bei Beschwerden erfolgt eine gezielte symptomorientierte (bildgebende) Diagnostik.

Metastasensuche oder Tumormarkerbestimmungen sind bei beschwerdefreien Patientinnen nicht sinnvoll.

Fall 2 – Schwangerschaft nach laparoskopischer Operation einer tief infiltrierenden Endometriose

Definition

Die Endometriose ist definiert als das Vorkommen von Endometriumgewebe außerhalb der Gebärmutter, am häufigsten im Bauchraum, sehr selten darüber hinaus auch in anderen Organen. Adenomyosis ist definiert als das Vorhandensein von Endometriumzellen innerhalb der Muskulatur der Gebärmutter und oft assoziiert mit Endometriose [5, 6]. Die Klassifikation der Erkrankung erfolgt entweder nach revidierter Fassung der American Society for Reproductive Medicine (rASRM) und im deutschen Sprachraum zusätzlich durch den ENZIAN-Score (Tabellen 2 und 3), der in Anlehnung an onkologische Stadieneinteilungen insbesondere die tief infiltrierende Endometriose und deren häufige retroperitoneale Manifestation berücksichtigt [5, 7]. Leitsymptome sind mens-truationsassoziierte Bauchschmerzen.


Tabelle 2: Die Klassifikation der American Society for Reproductive Medicine erfolgt durch Vergabe eines Punkte-Scores. Je nach Größe der Herde und Lokalisation werden Punkte vergeben. Diese werden addiert. Minimale Endometriose Stadium I: bis 5 Punkte; milde Endometriose Stadium II: 6 bis 15 Punkte; moderate Endometriose Stadium III: 16 bis 40 Punkte; schwere Endometriose Stadium IV: > 40 Punkte [5]. Im vorliegenden Fall ergaben sich mehr als 40 Punkte entsprechend Stadium IV.

 


Tabelle 3: Der ENZIAN-Score der Endometriose wurde von der deutschen Stiftung Endometriose-Forschung entwickelt (www.endometriose-sef.de/dateien/ENZIAN_2013_web.pdf) [7]. Mit Buchstaben wird hier die Lokalisation angegeben, das Stadium mit arabischen Ziffern: Der Buchstabe F bezeichnet eine uterine bzw. andere extragenitale tiefinfiltrierende Endometriose. Im vorliegenden Fall ergibt sich daraus FA (Adenomyose), B2 (Befall der Ligg. sacrouterina mit Herden von 1 bis 3 cm), C2 (Befall des Rektums mit Endometrioseherd von 1 bis 3 cm Größe).

Anamnese und Befunde

Die 29-jährige, nulligravide Patientin mit regelmäßigem Zyklus berichtete über sekundäre Dysmenorrhoe mit zunehmender Intensität (VAS 7 von 10), Dyspareunie, zyklusabhängige Dyschezie (Störung der Stuhlentleerung/Defäkation) und unerfülltem Kinderwunsch seit drei Jahren. Anamnestisch wies sie eine behandelte Hypothyreose und Zustand nach Appendektomie auf. Bei der Inspektion zeigte sich ein sehr dextroponierter Uterus und bläulich livide Formationen in der Scheide. Die rektovaginale Palpation ergab einen großen Knoten im Septum rektovaginale und derbe Sakrouterinligamente. Sonografisch wurden zystische Formationen in beiden Adnexen und der getastete Knoten im Septum rektovaginale nachgewiesen und es ergab sich der Verdacht auf eine Adenomyosis. Bei der präoperativen Koloskopie bestand klinisch der Verdacht auf transmurale Endometrioseformationen, in der Biopsie aber lediglich eine diskontinuierliche Kolitis mit hyperplastischer Mucosa ohne Nachweis von Endometriose.

Therapie

Bei symptomatischer tief infiltrierender Endometriose mit zusätzlicher Sterilität wurde laparoskopiert: Intraoperative Diagnose: rASRM Stadium IV, ENZIAN FA C2 B2 beidseits, kissing ovaries, obliterierter Douglas’scher Raum, Adhäsionen (Tabellen 2 und 3).
Per laparoscopiam erfolgte eine Adhäsiolyse, komplette Deperitonealisierung im kleinen Becken, Chromopertubation der Tuben (links nicht durchgängig, extreme Saktosalpinx – sackförmig deformierter Eileiter), Salpingoovarektomie links, Endometrioseresektion im Bereich der Sacro-uterinligamente beidseits, Ureterolyse beidseits, Teilresektion der Scheidenhinterwand, tiefe anteriore Rektumresektion mit transvaginal durchgeführter Anastomose. Dadurch konnte eine makroskopisch komplette Entfernung der Endometriose erreicht werden (Abbildungen 1 bis 3). Histologie: Endometriose peritoneal, in den Sakro­uterinligamenten, im linken Adnex, in der Vaginalwand und im Rektum ohne Infiltration der Schleimhaut.


Verlauf

Nach unauffälligem postoperativen Verlauf wurde die Patientin am siebten postoperativen Tag entlassen. Wir empfahlen eine Rehabilitationsbehandlung. Danach sollte rasch eine Schwangerschaft angestrebt werden, ansonsten gestagenbetonte Kontrazeptiva.
Durch in-vitro-Fertilisation wurde die Patientin sechs Monate nach der Operation schwanger. In der 31. Schwangerschaftswoche wurde nach längerer vorzeitiger Wehentätigkeit eine Cervixeröffnung und eine beginnende Chorioamniotitis festgestellt und eine Sectio caesarea durchgeführt. Das Kind wurde acht Wochen nach der Geburt nach problemarmer Behandlung auf der neonatologischen Intensivstation gesund entlassen.
Einen Monat später erfolgte eine Nachkürettage bei Plazentaresten (Histologie: Placenta accreta – Störung der Placentahaftung).
Im weiteren Verlauf war die Patientin schmerzfrei, nur noch geringe Dysmenorrhoe (VAS 2 von 10), keine Dyschezie. Die gynäkologische Untersuchung war unauffällig. Sie begann eine Therapie mit Gestagenen.

Diskussion

Endometriose ist eine häufige gynäkologische Erkrankung. Sie kann zu vielen Beschwerden führen, vor allem zu Dysmenorrhoe und Unterbauchschmerzen, die klassisch wenige Tage vor der Menstruation beginnen, nicht selten auch Dyschezie, Dysurie und Dyspareunie [5, 6, 8, 9]. Des Weiteren ist Endometriose oft mit Infertilität bzw. Sterilität assoziiert. Als Ursachen dafür gelten endometriosebedingte Verwachsungen im kleinen Becken, eine gestörte Eierstock- und Eileiterfunktion, ein gestörtes Follikelwachstum, immunologische Fehlregulation, Autoantikörper und eine veränderte Zusammensetzung der Bauchhöhlenflüssigkeit mit vermehrten aktivierten Makrophagen, Zytokinen, Prostaglandinen [5].
Die Diagnose der Endometriose ist nicht immer einfach, vor allem in Anfangsstadien. Die Schmerzanamnese spielt eine entscheidende Rolle und ist wichtiger als die bildgebenden Maßnahmen. Die Beschwerden sind häufig zyklusabhängig prämenstruell, allerdings können sie im weiteren Verlauf auch zyklusunabhängig auftreten [5, 6, 8, 9]. Der Beweis erfolgt durch histologische Sicherung meist bei einer Laparoskopie.
Goldstandard der Therapie bleibt nach wie vor die komplette Entfernung der Endometriose. Dies verbessert nicht nur die Schmerzsymptomatik der Patientin, sondern auch die Schwangerschaftsrate [5, 6, 8, 9, 10, 11, 12].
Patientinnen mit Endometriose haben meist einen langen Leidensweg mit Chronifizierung der Schmerzen hinter sich, da die Diagnose oft erst nach vielen Jahren gestellt wird. Patientinnen, die sich einer ausgedehnten Endometrioseoperation unterzogen haben, profitieren daher von einer Anschlussrehabilitation, in der eine ganzheitliche Therapie aufgezeigt wird. Durch spezialisierte Physiotherapeuten erlernen Patientinnen Entspannungsübungen und erreichen eine Steigerung der Leistungsfähigkeit, Kräftigung der Muskulatur und Besserung der Haltung. Psychologen leisten Hilfe zur Krankheitsbewältigung und geben Hilfestellung im Umgang mit Sexualität und Partnerschaft [13].
Die vorgestellte Patientin klagte nach der Sanierung weiter über leichte Dysmenorrhoe; das kann durch die Adenomyosis erklärt werden, die auch für die Placenta accreta mitverantwortlich sein kann. Von der Diagnose der Endometriose bis zur Geburt war ein langer Weg, aber durch eine gute Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Gynäkologen, Operateuren (Gynäkologen und Chirurgen), Gastroenterologen, Physiotherapeuten, Reproduktionsmedizinern und Geburtshelfern im Rahmen eines Endometriosenetzwerkes wurde die Erkrankung saniert, die Lebensqualität verbessert und die Schwangerschaft erreicht. Die Möglichkeit, auch ausgedehnte Operationen inklusive Rektumresektionen endoskopisch durchzuführen, beschleunigt die postoperative Erholung, verbessert durch Vermeidung großer Narben die Kosmetik bei den in der Regel jungen Patientinnen und reduziert das Risiko postoperativer Verwachsungen.

Merke

1.    Endometriose ist häufig, Leitsymptom ist eine sekundäre Dysmenorrhoe.
2.    Endometriose ist eine häufige Ursache für unerfüllten Kinderwunsch.
3.    Die Diagnostik erfolgt meist spät, in der Regel im Rahmen einer Laparoskopie.
4.    Basis der Therapie ist die komplette operative Sanierung, bevorzugt durch Laparoskopie.
5.    Eine endokrine Therapie erfolgt durch Reduzierung des Einflusses der Östrogene, zum Beispiel gestagenbetonte Ovulationshemmer, Gestagene, Ovarialsuppression.

Fall 3 – Akutes Abdomen bei einer Follikelruptur

Anamnese

Die 23-jährige Patientin ist eine gesunde, schlanke, sportliche Studentin, nimmt keine Medikamente, raucht ca. zehn Zigaretten täglich, trinkt gelegentlich Alkohol und leidet an Obstipation. Sie nimmt keine oralen Kontrazeptiva, ihr Zyklus ist regelmäßig, ohne besondere Regelschmerzen. Ihre letzte Periode war ca. 14 Tage vor den folgenden Ereignissen.
Sie spürt plötzlich während der Vorlesung einen starken stechenden Schmerz im Bauch, eher mittig, „wie Blähungen“. Kurz danach geht es ihr wieder besser. Nach ca. zwei Stunden muss sie aber nach Hause, weil sie zunehmende stumpfe Bauchschmerzen hat und nicht mehr sitzen kann. Ähnliche Beschwerden habe sie schon oft gehabt, da sie an Obstipation leidet. Sie legt sich zu Hause kurz hin, wird kollaptisch und ruft ihre Eltern an, die sie zu ihrem Hausarzt bringen.
Ihr Hausarzt nimmt bei ihr ein kleines Blutbild ab, findet keine Auffälligkeiten, CRP wird angefordert, dies dauert aber 24 Stunden. Bei der klinischen Untersuchung vermutet der Hausarzt eine Verstopfung und verordnet ein Microklist.
Wieder zuhause verschlechtert sich der Zustand der Patientin rasch, sie kann kaum atmen, die gesamte Bauchdecke ist hochdolent. Der Notarzt weist sie in die Notaufnahme des regionalen Krankenhauses ein.

Diagnostik

In der Notaufnahme wirkt die Patientin somnolent, sie ist blass. Ein kleines Blutbild zeigt einen Hb-Abfall auf 10,3 g/dl. Die diensthabende Internistin diagnostiziert ein akutes Abdomen, ein zugerufener Chirurg stellt sonografisch freie Flüssigkeit im Bauch fest. Unter dem Verdacht auf eine extrauterine Gravidität wird die Patientin in die gynäkologische Ambulanz gebracht.
Dort zeigt sich eine ausgeprägte Abwehrspannung, Uterus und Adnexe sind palpatorisch kaum beurteilbar. Die Patientin hat starke Schmerzen. Der Schwangerschaftstest im Urin ist negativ, somit die Diagnose einer Extrauteringravidität unwahrscheinlich. Die nur eingeschränkt tolerierte, vaginale Sonografie zeigte einen unauffälligen Uterus mit maximal acht mm Endometrium, beide Adnexe normalgroß, aber viel heteroechogene Flüssigkeit im Douglasraum und präuterin als Hinweis auf ein Hämoperitoneum (Abbildung 4).

Verlauf

Bei der notfallmäßigen Laparoskopie zeigt sich ein Hämoperitoneum (Abbildung 5). Es werden intraabdominal insgesamt 1,8 l Blut und Koagel abgesaugt. Im kleinen Becken sind Uterus und linkes Adnex unauffällig. Das rechte Ovar ist leicht vergrößert und zeigt einen kleinen Riss mit einer eher schwachen arteriellen Blutung aus der Tunica albuginea. Die Blutungsquelle wird mittels Elektrokoagulation versorgt (Abbildung 6).

Postoperativ treten keine Komplikationen auf. Hb am ersten postoperativen Tag 7,3 g/dl. Die Patientin erhält Eisen intravenös sowie per os, sie ist kreislaufstabil, jedoch recht schlapp und müde. Eine Bluttransfusion erfolgt im Konsensus mit der Patientin nicht. Die Entlassung erfolgt am dritten postoperativen Tag mit Hb 9,5 g/dl. Die postoperative Kontrolle nach drei Wochen zeigt eine regelrechte Wundheilung, Hb im Normbereich und eine völlig beschwerdefreie Patientin.

Diagnose

Blutung nach Ruptur einer Follikelzyste (zum Beispiel Ovulation) mit Hämoperitoneum.

Diskussion

Ein nicht traumatisch bedingtes Hämatoperitoneum bei jungen Frauen mit dem klinischen Bild eines akuten Abdomens ist selten durch nicht gynäkologische Erkrankungen bedingt: zum Beispiel Erkrankungen der Leber (unter anderem Tumore wie Hepatoadenom, Hämangiom), Milzblutungen bei Infektionen, Gefäßblutungen (zum Beispiel Aneurysmablutung) oder Koagulopathien [14, 15].
Häufigste Ursache von intraabdominalen Blutungen aus den Genitalorganen bei Frauen im fertilen Alter ist eine Extrauteringravidität, meist in der Tube lokalisiert. Früher wurde diese sehr häufig erst durch die Symptomatik eines Hämatoperitoneums manifest. Heutzutage wird eine Extrauteringravidität aufgrund der Fortschritte in der Ultraschalldiagnostik meist durch das Leitsymptom eines Uterus ohne Fruchthöhle bei ausgebliebener Periodenblutung und serologisch nachgewiesener Schwangerschaft frühzeitig nachgewiesen und behandelt und eine Ruptur verhindert. Ein negativer Schwangerschaftstest schließt eine Extrauteringravidität aus [16].
Seltener sind Blutungen nach Ruptur von Ovarialzysten, selten Kystomen, meist funktionellen Zysten (zum Beispiel persistierende Follikelzysten oder Corpus luteum-Zysten), dazu gehört letztlich auch die Ovulationsblutung. Ovulation ist die physiologische Ruptur einer Follikelzyste.
Im vorliegenden Fall spricht die Zyklusanamnese (letzte Menstruation 14 Tage vor dem Ereignis bei regelmäßigem Zyklus) für eine Blutung bei Ovulation. Diese wird sehr selten klinisch manifest. Die Ruptur einer funktionellen Ovarial-zyste kann in jedem reproduktionsfähigen Alter auftreten, ist jedoch im Zeitraum kurz nach Menarche am häufigsten. Die rechte Seite ist meistens betroffen, wahrscheinlich dank protektiver Wirkung des Colon sigmoideum auf der linken Seite. Wie unser Fall zeigt, verursachen Blutungen aus den Genitalorganen nicht immer primär Schmerzen im Unterbauch. Auch bei Schmerzen in anderen Regionen des Abdomens, zum Beispiel im Epigastrium muss an eine gynäkologische Ursache gedacht werden [14, 15]. Eine Zystenruptur mit nachfolgendem Hämoperitoneum sollte umgehend erkannt und behandelt werden, da eine verspätete Diagnose die Fruchtbarkeit von Frauen erheblich beeinträchtigen kann und intraabdominelle Blutungen lebensbedrohlich sein können [14, 15].
Eine intraabdominale Blutung mit Hämatoperitoneum ist eine lebensgefährliche Situation. Rasches Handeln, also eine zügige operative Abklärung zum Aufsuchen und Stillen der Blutung ist essenziell. Eine präoperative Bildgebung wie CT oder NMR kann den Operateur zur Blutungsquelle leiten, aber eine vollständige Diagnose mit genauer Lokalisierung des Blutungsursprungs ist nicht immer möglich und kann wertvolle Zeit verbrauchen [15]. Die Laparoskopie bietet gegenüber der Laparotomie Vorteile [17]. Als Therapiestrategie soll immer eine Ovar-erhaltende Operation angestrebt werden.

Merke

1.    Bei weiblichen Patienten mit Bauchschmerzen sollten gynäkologische Ursachen in Betracht gezogen werden. Unterbauchschmerzen sind nicht immer vorhanden.
2.    Häufigste gynäkologische Ursache für ein Hämatoperitoneum ist eine Extrauteringravidität. Hier ist der Schwangerschaftstest essenziell für die Differenzialdiagnostik.
3.    Blutungen aus rupturierten Zysten des Ovars sind selten Anlass für ein Hämatoperitoneum.
4.    Eine intraabdominale Blutung mit Hämatoperitoneum ist eine lebensgefährliche Situation. Rasches Handeln, also eine zügige operative Abklärung zum Aufsuchen und Stillen der Blutung ist essenziell. Gelingt dies nicht durch Laparoskopie, muss eine Längslaparotomie erfolgen.

Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-ärzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.

Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten haben, deren Interessen vom Manuskript positiv oder negativ betroffen sein könnten.

Autoren


Raul Donutiu 1

 


MUDr. Jakub Nosek 2, 4

 


Professor Dr. Anton Scharl 1, 3

 


Dr. Jürgen Krieg 5

 


Professor Dr. Karl-Heinz Dietl 6

 


Dr. Annette Salterberg 4

 


Dr. Thomas Papathemelis 1, 3

 

1 Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Klinikums St. Marien Amberg, der

2 Sana Kliniken des Landkreises Cham, der

3 Kliniken Nordoberpfalz AG Weiden

4 Die Frauenärzte Cham MVZ

5 Kinderwunschzentrum Amberg

6 Klinik für Abdominalchirurgie der Kliniken Nordoberpfalz AG Weiden


Korrespondenzadresse: Professor Dr. Anton Scharl, Direktor der Frauenkliniken, Klinikum St. Marien Amberg, Mariahilfbergweg 7, 92224 Amberg, E-Mail: scharl.anton@klinikum-amberg.de, Kliniken Nordoberpfalz AG, Söllnerstraße 16, 92637 Weiden, E-Mail: anton.scharl@kliniken-nordoberpfalz.ag

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