Fokussierung auf die Kernthemen

Quitterer

Auf der Agenda der 97. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) Mitte Juni in Lübeck-Travemünde standen ganze zwölf ­Punkte, darunter etwa das Medizinforschungsgesetz, die Reform der ­ambulanten Versorgung, die Krankenhausreform, die Reform des Medizinstudiums und des Instituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin oder das Pflegekompetenzgesetz mit der Etablierung des Berufsbildes der Advanced Practice Nurse.

Hinter dem Punkt „Reform der ambulanten Versorgung“ steckt der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – GVSG). Das Gesetz, das Mitte Mai vom Kabinett beschlossen worden war, soll darauf abzielen, die ambulante regionale Versorgung zu stärken, die Arbeitsbedingungen der Ärztinnen und Ärzte zu verbessern, die hausärztliche und die ambulante psychotherapeutische Versorgung weiterzuentwickeln, den Zugang zu Leistungen zu verbessern und die Transparenz zu erhöhen.

Es erstaunt dabei, dass die Stärkung der hausärztlichen Versorgung schon wieder Kritik erfährt. So sieht etwa der Sozialverband Deutschland in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf in der Entbudgetierung den Wegfall des „einzigen Instruments zur ­Mengensteuerung im vertragsärztlichen Bereich“ und befürchtet erhebliche Ausgabenanstiege sowie ökonomisch veranlasste Fehlversorgung. Im Umkehrschluss: Budgetierung als Mengensteuerung? Wer so argumentiert, hat die Versorgungsrealität nicht verstanden. Ich frage mich darüber hinaus, wie lange sich angesichts der Entwicklung der ambulanten Versorgung solche Unterstellungen noch in den Köpfen halten.

Erhalt und Förderung der Praxen

Dabei ist zur Stärkung der regionalen ambulanten Versorgung in erster Linie der Erhalt und die Förderung der Praxen nieder­gelassener Haus- und Fachärztinnen und -ärzte unabdingbar. Hierzu vermisse ich schmerzlich entsprechende Maßnahmen und Initiativen des ­Gesetzgebers. Dazu gehört noch einmal mehr die neue Approbationsordnung. Immerhin sei es gelungen, so die GMK, sich auf eine teilweise modifizierte Umsetzung des „Masterplan Medizinstudium 2020“ zu verständigen und so die „Kostenfolgen der Reform der Approbationsordnung für Ärzte deutlich zu verringern“. Von Seiten des Bundes sei während der Gespräche mit den Ländern deutlich gemacht worden, dass sich der Bund an der Finanzierung der durch die Reform entstehenden Mehrkosten nicht beteilige. Vor diesem Hintergrund wurde bundesseitig der Appell an die Länder gerichtet, ihren Aufgaben im Bildungsbereich nachzukommen. Die Verordnung befindet sich derzeit in der finalen Abstimmung. Im Anschluss soll sie dem Bundeskabinett vorgelegt und dem Bundesrat zur Beschlussfassung zugeleitet werden. Die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt.

Ebenso fehlen in der GMK-Programmatik Impulse zur Entbudgetierung auch fachärztlicher Leistungen und – nicht zuletzt – eine wirksame Patientensteuerung durch eine hausärztliche (gemäß § 73 [1] SGB V) Primärversorgung. Dies entspricht letztlich auch einem Beschluss des diesjährigen Deutschen Ärztetages. Nebenbei vermisse ich im Krankenhausversor­gungsverbesserungsgesetz (KHVVG) ein nachhaltiges Konzept.

Keine Herz-Checks in Apotheken

Stattdessen legt der Bundesgesundheitsminister jetzt ein Gesundes-Herz-Gesetz vor (GHG), mit dem er künftig 25-jährige zu Herz-Check-Ups schicken will. Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen sich, so der Plan, künftig regelmäßig Herzuntersuchungen unterziehen, um etwa Fettstoffwechsel-Störungen zu erkennen und diesen vorzubeugen. Sicherlich: Mit besserer Vorsorge könnte ein Großteil der Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindert werden. Dies geschieht aber nicht in erster Linie dadurch, dass in vermehrtem Umfang Statine verordnet werden, wohl gemerkt per Staatsdekret, möglicherweise jenseits gegebener Evidenz, sondern durch eine wirksame Änderung der Lebensweise, wie gesunde Ernährung, Bewegung und Genussmittelverzicht. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, durch entsprechende Programme und Förderungen die Menschen zu motivieren. Dazu gehört einmal mehr die Verbesserung der Gesundheitskompetenz schon im Kindes- und Jugendalter, ein wirksames Werbeverbot von Tabakwaren, zuckerhaltigen Nahrungsmitteln oder Alkohol. Keineswegs ist nachvollziehbar, dass nach dem aktuellen Referentenentwurf Herz-Checks auch von Apotheken durchgeführt werden sollen. Ein weiteres Mal würden damit originär ärztliche Leistungen an nichtärztliche Gesundheitsberufe ausgelagert. Im Sinne der Patientensicherheit sollten diese Checks ausschließlich von dafür qualifizierten Haus- und Fachärztinnen und -ärzten durchgeführt werden.

Hierzu passt dann auch das avisierte Gesetz zur Reform der Pflegekompetenz, zu dem der Gesundheitsminister sagt: „Wir wollen eine grundsätzliche Reform der Pflege auflegen. Wir wollen in allen Bereichen, in denen Pflege ausgebildet wird, die Kompetenzen deutlich erweitern. Pflegekräfte mit Zusatzqualifikation sollen dann zum Beispiel bestimmte pflegerische Leistungen, Hilfs- und Arzneimittel verschreiben können“. Es wird spannend, wer dann die Verantwortung für diese Verordnungen übernimmt.

Sehr fraglich bleibt grundsätzlich, wie der Bundesgesundheitsminister seine zahlreichen in der Pipeline befindlichen Gesetzesvorhaben vor Ablauf der Legislaturperiode noch durch Bundestag und Bundesrat bringen will. Man möchte dem Minister nahelegen, seine Reformanstrengungen zu fokussieren, anstatt diese immer weiter auszudifferenzieren, ohne dafür ein klares Konzept zu ­haben. Man denke nur an den zu Recht kritisierten Bundes-Klinik-Atlas. Antworten und Vorschläge der Ärzteschaft liegen vor.

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