Flächendeckend gute Versorgung

Dr. Gerald Quitterer

Gerne fordern Politikerinnen und Politiker in den Medien eine „flächendeckende gute Versorgung“. Gemeint ist damit insbesondere eine wohnortnahe und qualitativ hochwertige ambulante medizinische Versorgung.

Seitens der Staatsregierung wird auf die Förderung der Niederlassung durch die Landarztprämie hingewiesen wie auch auf die Landarztquote beim Zugang zum Medizinstudium in Bayern. Respektable Maßnahmen, doch woher sollen die Ärztinnen und Ärzte kommen, von denen wir in Zukunft aufgrund der demografischen Entwicklung, neuer Behandlungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten sowie einer Generation, die vermehrt in Angestellten- und Teilzeitmodellen arbeiten möchte, mehr benötigen werden als uns dann zur Verfügung stehen?

Da gibt es im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung die Absicht, im ländlichen Raum Gemeindeschwestern oder Gesundheitslotsen einzurichten, die Versorgung übernehmen sollen. Konkret schreiben die Ampelparteien auf Seite 84 des Vertrags: „Im ländlichen Raum bauen wir Angebote durch ­Gemeindeschwestern und Gesundheitslotsen aus.“

Daneben soll die professionelle Pflege durch heilkundliche Tätigkeiten ergänzt werden, um das Berufsbild aufzuwerten. Wie sollen damit beispielsweise haus- und fachärztliche Versorgungsdefizite, die wir zunehmend sehen, in irgendeiner Weise geschlossen werden? Darüber hinaus ist der Einfallsreichtum groß, wenn es um die Akademisierung von Gesundheitsfach­berufen geht mit dem Ziel, den steigenden Bedarf an Ärzten auf diese Weise auszugleichen. Nichts gegen die Akademisierung, dann kann ärztliche Leistung auch zielgerichtet delegiert und eine Arztentlastung geschaffen werden. Das Zauberwort, das damit in Verbindung gebracht wird, heißt jedoch „Übernahme heilkundlicher Maßnahmen“. In diese Richtung sollte es nicht gehen. Und ein Berufsbild wird primär nicht dadurch aufgewertet, dass es in andere Berufe übergreift. Unberührt sind davon eine gute interprofessionelle Zusammenarbeit und mögliche gemeinsame Ausbildungsansätze.

Die exzellente Gesundheitsversorgung unseres Landes braucht Ärzte, die in einem wissenschaftlichen Studium ausgebildet und in einem breiten Spektrum von Gebieten und ­Zusatzbezeichnungen weitergebildet werden. Es wäre deshalb aus meiner Sicht ein Fehler, die Ausübung der Heilkunde auf immer mehr Schultern zu verteilen, um Kosten für die Ausbildung von qualifizierten Humanmedizinern zu sparen. Vielmehr sollte endlich auch bundesweit die Zahl der humanmedizinischen Studienplätze erhöht werden, wie es beispielsweise in Bayern umgesetzt wird. Denn wo es ausreichend Ärzte gibt braucht man weder einen Arztersatz, noch telemedizinische Versorgungszentren.

Dass dies bitter notwendig ist, unterstreichen auch einige Zahlen. Gab es 1990 allein in den alten Bundesländern noch etwa 12.000 humanmedizinische Studienplätze, so stehen in ganz Deutschland heute lediglich 11.000 Studienplätze im Fach ­Humanmedizin zur Verfügung. Damit wird der sich beschleunigende Bedarf an Ärzten in den kommenden Jahren nicht zu stillen sein. Seitens der Politik wird dabei stets ins Feld geführt, dass eine Erhöhung der Zahl der Studienplätze die akute Herausforderung des Ärztebedarfs nicht unmittelbar lösen könne, da die Aus- und Weiterbildung der Ärzte Zeit brauche. Dem will ich gar nicht widersprechen. Aber wenn wir die medizinische Versorgung auch in zehn oder fünfzehn Jahren auf einem hohen Niveau sicherstellen wollen, müssen wir langfristig planen und jetzt schnellstmöglich die notwendigen Weichenstellungen vornehmen. Nicht zuletzt seitens der Ärzteschaft, die selbst die Attraktivität des Berufsbildes vermitteln kann. Wie ernst dem Staat die Unterstützung der ärztlichen Ausbildung ist, kann man sicher auch daran messen, ob er die finanziellen Mittel zur ­Umsetzung der neuen Approbationsordnung ausreichend zur Verfügung stellt.

Daneben sollten Politik und Ärzteschaft den Trend junger Menschen, den Beruf der/des Medizinischen Fachangestellten (MFA) wieder als beliebtesten Beruf zu benennen, weiter unterstützen. MFA können in Praxen im Rahmen der Delegation viele Tätigkeiten übernehmen, die den Ärzten Zeitfenster für ihre originären Aufgaben verschaffen. Immer noch haben Praxen derzeit Schwierigkeiten freie MFA-Stellen zu besetzen, was sowohl bei Ärzten als auch bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu einer Erhöhung des individuellen Arbeitsvolumens führt. Zur Aufwertung des Berufs MFA könnte sowohl die Überarbeitung des Ausbildungsrahmenplanes mit Anpassung an die aktuellen Aufgabenstellungen beitragen wie auch der immer wieder als Zeichen der Wertschätzung für ihre wichtige Arbeit während der Pandemie geforderte Corona-Bonus.

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