Digitalisierung 4.0

Dr. Wolfgang Rechl, Vizepräsident der BLÄK

Die Digitalisierung erfasst die deutsche Wirtschaft – und das in allen Bereichen. Wie das IHK-Unternehmensbarometer zur Digitalisierung besagt, antworten 94 Prozent der Unternehmen auf die Frage, ob die Digitalisierung ihre Geschäfts- und Arbeitsprozesse beeinflusst, mit ja. Zugleich setzen die Betriebe in ihrer digitalen Entwicklung auf weitere Potenziale. Unternehmen mit einem zunehmenden Grad an Digitalisierung sind heute auf zuverlässige Informations- und Kommunikationssysteme angewiesen.

Digitalisierung in der Medizin

Die Digitalisierung hat längst auch die Medizin erreicht. Sie wird das heutige Gesundheitssystem grundlegend verändern, sodass Patientinnen und Patienten womöglich bald mit Diagnosen per Fernbehandlung und individuelleren Behandlungsmöglichkeiten konfrontiert sind. Medizinische Daten, wie etwa die Anamnese, Blutwerte oder Befunde werden in Arztpraxen direkt in Computersystemen erfasst. Auch Genome, etwa die von bösartigen Tumoren, werden in der biomedizinischen Forschung sequenziert und ebenfalls elektronisch gespeichert und verarbeitet. Auch nutzen immer mehr Menschen Smartphone-Apps und Wearables, um ihren Gesundheitszustand, wie etwa ihren Puls oder Blutzuckerspiegel, kontinuierlich zu messen. Wir haben es mit einer immensen Menge an Daten zu tun, die verwaltet und in leistungsfähige IT-Systeme integriert werden muss.

Politik

Das fordert jetzt auch die Politik. So schlägt die CDU in ihrem Positionspapier des Fachausschusses Gesundheit vor, die Fernbehandlung, die das ärztliche Berufsrecht in § 7 Berufsordnung (BO) verbietet, zu erleichtern. Das digitale Gesundheitswesen nehme einen breiten Raum ein, telemedizinische Behandlungen seien derzeit jedoch nur eingeschränkt gestattet, heißt es in dem Positionspapier. Die Partei kündigt an, hierzu Gespräche mit Kammern und Berufsverbänden zu führen. Auch fordert die CDU bessere Abrechnungsmöglichkeiten für digitale Behandlungen.

Telemedizin als Chance

Im Zeitalter 4.0 steht der selbstbestimmte Patient an oberster Stelle. Dies wurde bereits im Jahr 2013 mit dem Patientenrechtegesetz bestärkt. In Zeiten von „Dr. Google“ haben Patientinnen und Patienten heute immer und überall den Zugang zu Informationen. Der Patient von heute ist informierter als vor zehn Jahren. Zugleich hat sich das Anspruchsdenken der Patienten verändert, was sich auch auf die Patienten-Arzt-Kommunikation auswirkt. Klar ist: wir müssen die Telemedizin als Chance begreifen. Mit der Anwendung von telemedizinischen Verfahren können wir die medizinische Versorgung noch effektiver und niederschwelliger gestalten. Dank der fortschreitenden Digitalisierung ist ein schnellerer Daten- und Informationsaustausch möglich. Gerade in der Peripherie jenseits der Großstädte können telemedizinische Verfahren die Überwachung und Versorgung von Patienten erleichtern. Am Beispiel der Schlaganfallversorgung: Bayernweit gibt es hochtechnisierte Netzwerke, die eine evidenzbasierte Behandlung via Internet möglich machen, selbstverständlich nur als Ergänzung zur Behandlung in einer Arztpraxis. Und: Digitalisierung erleichtert den Datenaustausch, wobei die Schnittstellen berücksichtigt werden müssen. Apotheken, Krankenhäuser und Arztpraxen sollen künftig schneller und vor allem effizienter Informationen austauschen können.

Fortschritt bedingt neue Qualifizierungskriterien

Der Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands (SpiFa) fordert sichere und klare Rahmenbedingungen für die Digitalisierung im Gesundheitswesen: Heißt, wir brauchen klare Vorgaben zum Thema Datenschutz und Datenweitergabe und entsprechend qualifiziertes Personal. Gleiches gilt für die Prozessgestaltung des Datentransfers. Derzeit gilt für uns weiterhin § 7 der BO, der es dem Arzt nicht erlaubt, „individuelle, ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, […] ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchzuführen.“ Vielmehr geht es darum, telemedizinische Verfahren patienten- und arztgerecht anzuwenden. Zwingend erforderlich ist es, die Haftungssituation in der Anwendung telemedizinischer Verfahren rechtlich zu klären. Gleichzeitig brauchen wir Finanzierungs- und Fördermodelle für Innovationen im Bereich E-Health, die eine sicherere Kommunikation ermöglichen. Dies betrifft insbesondere auch die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte.

Ausblick

Langfristig bringt die Digitalisierung Chancen sowohl für den Patienten also auch für die Ärzteschaft. Wie Sascha Lobo auf dem Deutschen Ärztetag richtig gesagt hat: „Bei der Digitalisierung darf es nicht darum gehen, sie abzuwehren, hingegen sind wir aufgefordert, sie aktiv mitzugestalten.“ Auch die Ärzteschaft sprach sich auf dem Deutschen Ärztetag geschlossen dafür aus, die Digitalisierung im Gesundheitswesen konstruktiv anzugehen. Die ärztliche Expertise und die damit einhergehende persönliche Patienten-Arzt-Beziehung sind und bleiben jedoch unersetzlich und die Grundlage für die ärztliche Behandlung. E-Health ist kein Ersatz, sondern vielmehr eine Ergänzung bei der medizinischen Entscheidungsfindung.

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