Die Pandemie macht Schwachstellen sichtbarer

124. Deutscher Ärztetag

Anlässlich der Eröffnung des 124. Deutschen Ärztetages (DÄT), der in einem Online-Format stattfand, hat Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel die Leistungen von Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegekräften in der Corona-Pandemie in einer Videobotschaft gewürdigt. Sie dankte für diesen „aufopferungsvollen Einsatz bei der Versorgung der Patienten, nicht nur von Corona-Kranken“, sowie beim Testen und Impfen. Das Gesundheitswesen sei durch die Pandemie auf eine harte Probe gestellt worden, so die Kanzlerin. Merkel verwies auf die beschlossene sogenannte Bundesnotbremse, die dazu diene, die dritte Pandemiewelle zu brechen, um eine Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden. Der Schlüssel zur Beendigung der Pandemie sei aber das Impfen. „Es macht sehr viel Mut, dass das Impfen immer mehr an Fahrt gewinnt“, so die Kanzlerin.


Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (links) und Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (rechts) bei der Eröffnung des 124. Deutschen Ärztetags im Berliner Estrel. Jürgen Zurheide (Mitte) moderierte.

Reinhardt – Lehren aus der Krise

Auch Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), dankte in seiner Eröffnungsrede den Ärztinnen und Ärzten in den Praxen und Kliniken für ihren Einsatz in der Corona-Pandemie. „Sie tragen tagtäglich dazu bei, dieses Leid zu lindern und diese Pandemie so schnell wie möglich zu beenden. Der Präsident räumte ein, dass das Gesundheitswesen gegenwärtig zwar enorm belastet sei, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern sei es aber zu keinem Zeitpunkt überlastet gewesen. Dies mache den Unterschied. Eine der wichtigsten Lehren aus dieser Krise müsse es deshalb sein, leistungsstarke Strukturen zu erhalten und auszubauen. Es wäre falsch, sie auszudünnen und auf reine Kosteneffizienz zu trimmen, wie dies von einigen immer wieder gefordert werde, meinte Reinhardt.

Doch die Pandemie habe auch Defizite im Gesundheitswesen offengelegt und nannte hier den Arbeitsdruck für Ärzte und Pflegekräfte in den Krankenhäusern, der aber vor Corona nicht ernsthaft wahrgenommen worden sei. Deutschland sollte im Fall einer weiteren Pandemie besser vorbereitet sein. Der Großteil der COVID-19-Patienten werde aber noch immer von den niedergelassenen Haus- und Fachärzten betreut, wobei viele Ärztinnen und Ärzte von rückläufigen Patientenzahlen betroffen seien. An dieser Stelle bedankte sich der Präsident bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für den „finanziellen Schutzschirm“, mahnte jedoch eine Kompensation der Umsatzverluste aus extrabudgetären Leistungen an.

Der Kammerpräsident sprach sich dafür aus, das Gesundheitswesen zukunftsfest zu machen, wozu auch eine Förderung sinnvoller digitaler Anwendungen und der Ausbau der digitalen Infrastruktur gehöre. Erprobte Anwendungen der Telematik-infrastruktur (TI) sollten „zügig in den Versorgungsalltag eingeführt“ werden. Hier warnte er jedoch vor einer „zu engen Taktung bei der Digitalisierung“ und kritisierte die harten Fristen und die angedrohten Sanktionen. Reinhardt forderte, dass die medizinischen Anwendungen, wie Notfalldaten, elektronischer Medikationsplan (eMP) und elektronische Patientenakte (ePA) „endlich von der Industrie praxistauglich umgesetzt“ und von der Politik „die Sanktionen gestrichen werden“. Auch für die jüngsten Verzögerungen bei der Ausgabe der elektronischen Heilberufsausweise (eHBA) seien nicht die Ärzte verantwortlich. Einen Skandal nannte Reinhardt den mehr als 30-jährigen Stillstand bei der Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Es liege nun ein „arzteigener“ Entwurf auf dem Tisch. Nun sei die Politik am Zug. Die Zeit der Ausreden sei vorbei.

Reinhardt kam ebenso auf die Bedeutung der Freiberuflichkeit zu sprechen und sagte wörtlich: „Freiberuflichkeit ist keine Folklore aus längst vergangenen Zeiten“. In diesem Zusammenhang sprach er sich klar gegen die Kommerzialisierung im Gesundheitswesen aus. Fehlanreize, wie das System der Fallpauschalen in den Kliniken, müssten behoben werden. Im ambulanten Bereich brauche es eine Begrenzung der Beteiligungsmöglichkeiten von Fremdinvestoren. Insbesondere müssten die Größe und der Versorgungsumfang von medizinischen Versorgungszentren (MVZ) begrenzt werden. Er regte ein MVZ-Register für mehr Transparenz an.

Spahn: Abhängigkeiten von USA und China verringern

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wehrte sich gegen den Vorwurf einer „überhasteten Digitalisierung“ des Gesundheitswesens: „In den letzten 20 Jahren konnte ich da von einer Überhastung nicht viel merken“.

In Bezug auf die Pandemie bedankte sich auch Spahn bei den Ärztinnen und Ärzten in Klinik und Praxis für ihren Einsatz. Die vergangenen Monate hätten gezeigt, wo noch Herausforderungen im System existierten. Es seien aber auch wichtige Verbesserungen angeschoben worden. Spahn bilanzierte in seiner Rede: 1. Worin Deutschland gut sei. 2. Wo man im Verlauf der zurückliegenden 14 Monate besser geworden sei. Und 3. Wo man künftig noch besser werden müsse. Ein Beispiel für die Kategorie 2 sei zweifelsfrei der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD), in den der Bund nun vier Milliarden Euro für mehr Personal und bessere Vernetzung investiere. Erstmals finde die Kommunikation unter den Ämtern rasch und einheitlich statt.

Unterdessen forderte Spahn eine stärkere Unabhängigkeit Deutschlands und Europas im Bereich der Medizin. Dies gelte sowohl bei der Produktion von Medikamenten, Impfstoffen und Medizinprodukten als auch bei der Digitalisierung. „Es geht darum, die Abhängigkeiten von den USA und China zu verringern“, so der Gesundheitsminister. Kammerpräsident Reinhardt und Gesundheitsminister Spahn stellten sich live in einer abschließenden Diskussionsrunde, moderiert vom Journalisten Jürgen Zurheide, den kritischen Themen, die sie auch in ihren Reden angesprochen hatten.

Bei der Totenehrung hatte Präsident Reinhardt eingangs auf die Liste der im vergangenen Jahr verstorbenen Ärztinnen und Ärzte, die im Internet abzurufen ist, verwiesen. Stellvertretend nannte er Dr. Heidrun Gitter, verstorbene Präsidentin der Landesärztekammer Bremen und Vizepräsidentin der BÄK, und gedachte aller an COVID-19 verstorbenen Ärzte und Pflegekräfte.

Auch die Verleihung der Paracelsus-Medaille fiel 2021, dem Online-Format geschuldet, recht kurz aus. Aus der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) wurde Professor Dr. Michael von Cranach insbesondere für die Aufarbeitung der Rolle der Psychiatrie in der NS-Zeit mit der Paracelsus-Medaille geehrt (eine ausführlichere Würdigung lesen Sie auf S. 281).

Corona-Pandemie

In der Arbeitssitzung beschlossen die Abgeordneten mit großer Mehrheit einen Leitantrag des Vorstandes der BÄK und forderten konkrete Konsequenzen aus dem Umgang mit der ­COVID-19-Pandemie. Das deutsche Gesundheitswesen sei durch die Corona-Pandemie vor die größte Herausforderung der letzten Jahrzehnte gestellt worden. Das Pandemiemanagement und die Krisenreaktionsfähigkeit in Deutschland müssten dringend optimiert werden. Die leistungsstarken ambulanten und stationären Strukturen des Gesundheitswesens sowie der beispiellose Einsatz von Ärztinnen und Ärzten aus allen Versorgungsbereichen hätten eine Überlastung des Gesundheitswesens verhindert. Die vergangenen Monate hätten aber auch Defizite offengelegt, unter anderem bei der personellen und technischen Ausstattung in den Einrichtungen des Gesundheitswesens, insbesondere in den Gesundheitsämtern, bei der Vernetzung der Meldestrukturen und beim digitalen Ausbau. Bund und Länder seien aufgefordert, diese Schwachstellen gemeinsam mit der ärztlichen Selbstverwaltung zu analysieren und das Gesundheitswesen in Deutschland zukunfts- und krisenfest aufzustellen.

Gefordert wurde unter anderem, dass das von Bund und Ländern geschlossene Paket für den ÖGD schnell und umfassend umgesetzt werde. Erforderlich sei auch eine grundsätzliche Strukturreform des ÖGD. Eine zentrale Stelle zur Koordination der Aktivitäten der einzelnen Gesundheitsämter und zur Entwicklung von technischen sowie inhaltlich-fachlichen Standards sei notwendig. Zur personellen Aufstockung müssten Anreize für Ärztinnen und Ärzte geschaffen werden, im ÖGD tätig zu werden. In einem weiteren Punkt wurde eine moderne Krankenhausplanung mit mehr kooperativen Versorgungskonzepten und Möglichkeiten der belegärztlichen Versorgung gefordert, sogenannte Mitversorgungseffekte seien zu berücksichtigen. Der demografie- und morbiditätsbedingte Versorgungsbedarf sowie die dafür erforderlichen Personalressourcen sollten prospektiv ermittelt und berücksichtigt werden. Eine grundlegende Reform der bisherigen erlös­orientierten Krankenhausbetriebsmittelfinanzierung sei notwendig, um dem zukünftigen Versorgungsbedarf gerecht zu werden und die Fehlanreize des G-DRG-Fallpauschalensystems zu beheben. Die Unterschiede in den Kostenstrukturen der Krankenhäuser müssten stärker abgebildet werden, eine Kombination aus erlösunabhängigen und fallzahlabhängigen Vergütungsanteilen sei erstrebenswert. Gewünscht wurde die Einrichtung eines nationalen Krankenhausgipfels mit Vertretern der verfassten Ärzteschaft.

Im Infektionsschutzgesetz sollen feste Krisenstäbe der Bundesländer unter Einbezug der Landesärztekammern angelegt und die Pandemiepläne von Bund, Ländern, Kommunen und Gesundheitseinrichtungen ständig auf dem aktuellen Stand gehalten werden. Außerdem sollten Reserven für wichtige Medizinprodukte, Arzneimittel und Impfstoffe angelegt sowie die innereuropäischen Produktionsstandorte für Medizinprodukte und wichtige Arzneimittel ausgebaut werden.

Im Sinne einer qualitativ hochwertigen Patientenversorgung, nicht nur in Krisenzeiten, sondern auch darüber hinaus, forderte der 124. DÄT Bund und Länder dazu auf, diese leistungsstarken ambulanten Strukturen zu sichern und zukunftsfähig zu machen. Die Corona-Pandemie habe die Abläufe in Haus- und Facharztpraxen oft einschneidend verändert. Der eingeführte Schutzschirm für die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte mit finanziellen Ausgleichszahlungen durch die gesetzlichen Krankenkassen müsse als Schutzinstrument für den Bedarfsfall dauerhaft im Sozial-gesetzbuch V (SGB V) verankert werden. Um die Arztpraxen bei dem Ausbau der Digitalisierung einschließlich der IT-Sicherheit zu unterstützen, seien analog dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) finanzielle Ausgleichsmechanismen für die weitere Digitalisierung des ambulanten Versorgungsbereichs zu schaffen.

Zur Würdigung des herausragenden Einsatzes der Medizinischen Fachangestellten in der Pandemiebewältigung unterstützten die Abgeordneten mit Nachdruck die Forderung des Verbandes medizinischer Fachberufe e. V., die Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Praxen nach dem Vorbild der Pflege mit einem steuerfinanzierten Bonus zu würdigen.

Der 124. DÄT forderte von der Politik ein klares Bekenntnis gegen die zunehmende Kommerzialisierung im Gesundheitswesen. So sollten zum Beispiel die Beteiligungsmöglichkeiten von Finanzinvestoren in der ambulanten Versorgung begrenzt werden. Das duale Krankenversicherungssystem soll kontinuierlich fortentwickelt und an die Herausforderungen der Zukunft angepasst werden. Diesem Ziel diene auch eine neue, rechtssichere und an die moderne wissenschaftliche Entwicklung angepasste GOÄ.


Dr. Gerald Quitterer in der Sendung Rundschau Magazin vom 4. Mai des Bayerischen Rundfunks, zugeschaltet vom 124. Deutschen Ärztetag aus Berlin.

Digitalisierungsschritte

(Die Corona-Krise soll als Treiber für die Digitalisierung genutzt werden. Während auf der einen Seite die Akzeptanz vieler digitaler Anwendungen, wie zum Beispiel die Videosprechstunden oder Telekonsile, deutlich gestiegen sei, lege die Pandemie auch die Defizite der vergangenen Bemühungen um eine Digitalisierung im Gesundheitswesen offen. Bereits erprobte Anwendungen der TI, wie der Notfalldatensatz und der eMP, sollten zügig in den Versorgungsalltag eingeführt werden, um den konkreten Nutzen der Telematik erfahrbar zu machen. Mit Sorge werde allerdings eine überhastete und vor allem politisch motivierte, viel zu enge Taktung weiterer Digitalisierungsschritte gesehen. Digitalisierung müsse auch einen Beitrag zur Entlastung der Ärztinnen und Ärzte von bürokratischen Tätigkeiten leisten. Ein Grund für die Pandemiemüdigkeit in der Bevölkerung und die vorhandenen Unsicherheiten und Bedenken gegenüber der Impfkampagne sei zu einem großen Teil die widersprüchliche und gleichzeitig auch unfokussierte Kommunikation der Politik. Um die Einhaltung der notwendigen Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie und eine hohe Impfbereitschaft in allen Bevölkerungsgruppen zu erreichen, müssten schnellstmöglich alle Kommunikationskanäle genutzt werden.

Weitere Forderungen der Abgeordneten betrafen die Förderung des ärztlichen Nachwuchses, attraktive Studienbedingungen, die Stärkung der interprofessionellen Zusammenarbeit, das Überwinden von Sektordenken und -grenzen, eine Corona-Impfstrategie für Kinder und Jugendliche, die Einhaltung der Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zur Prävention von COVID-19 in den Aufnahmezentren und Gemeinschaftsreinrichtungen für Flüchtlinge und die temporäre Freigabe der SARS-CoV-2-Impfstoffpatente unter fairer Vergütung des geistigen Eigentums. Gefordert wurde außerdem die Einrichtung einer Kommission, die das Pandemiemanagement schon heute mit der systematischen Datenerfassung und Evaluation getroffener Maßnahmen longitudinal begleite und reflektiere, um daraus sinnvolle Maßnahmen für den nationalen Pandemieplan und künftige Gesundheitsnotstände abzuleiten. In diese Kommission müsse eine breite ärztliche Perspektive einbezogen werden.

Suizidhilfe-Verbot aus der (Muster-) Berufsordnung (MBO) gestrichen

Die Abgeordneten befassten sich am zweiten Arbeitstag intensiv mit den Konsequenzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum assistierten Suizid für das ärztliche Berufsrecht. Die Debatte mündete in eine Streichung des strikten Verbots der Suizidhilfe aus der MBO. Im Februar 2020 hatte das BVerfG den § 217 des Strafgesetzbuchs, im Rahmen dessen die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe gestellt wurde, für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasse. Dieses schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen. Auf das ärztliche Berufsrecht, welches bisher im Rahmen von § 16 Satz 3 der MBO festlegte, dass Ärzte „keine Hilfe zur Selbsttötung“ leisten dürfen, wurde vom BVerfG dahingehend Bezug genommen, dass es der Bereitschaft, Suizidhilfe zu leisten „weitere Grenzen jenseits oder gar entgegen der individuellen Gewissensentscheidung des einzelnen Arztes“ setze.

Der Zugang zu Möglichkeiten der assistierten Selbsttötung dürfe laut BVerfG aber nicht davon abhängen, ob Ärzte sich unter Berufung auf ihre eigene verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit über die Berufsordnung ihres Standes hinwegsetzten. Solange diese Situation fortbestehe, schaffe sie einen Bedarf nach geschäftsmäßigen Angeboten der Suizidhilfe, so das BVerfG. Diese Ausführungen des Gerichts sowie die aktuelle Debatte im Deutschen Bundestag über eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe bildeten den Hintergrund der regen Diskussion der Abgeordnete des DÄT sowie der schlussendlichen Streichung von § 16 Satz 3 der MBO auf Antrag des Vorstands der BÄK. „Das, was der Staat aus Sicht des BVerfG seinen Bürgern nicht verbieten darf, das darf der Berufsstand der Ärzteschaft seinen Berufsangehörigen auch nicht untersagen“, begründete Reinhardt den Entschluss des DÄT.

Gleichzeitig lehnte der DÄT eine Verpflichtung von Ärzten zur Mitwirkung beim assistierten Suizid ab. „Wir wollen nicht die Rolle verlieren, die wir seit 2.000 Jahren zu Recht haben. Unsere Patienten können sich darauf verlassen, dass unser primäres Interesse darin liegt, ihnen zu helfen, Leiden zu lindern, Krankheiten zu überwinden und wenn dann nicht anders machbar, Sterbenden bis zum Tod beizustehen“, so Reinhardt. Dies seien die Aufgaben der Ärzteschaft, der assistierte Suizid falle dagegen nicht darunter. Gleichwohl sollten Ärzte Patienten mit Suizidgedanken nach Ansicht des DÄT mit wertschätzender Gesprächsbereitschaft begegnen. Dies gehöre zum Kern der ärztlichen Tätigkeit. Außerdem forderte der DÄT den Deutschen Bundestag auf, als erste Konsequenz aus dem Urteil des BVerfG die Suizidprävention in Deutschland auszubauen und zu verstetigen. In diesem Zusammenhang müsse das psychosoziale Hilfesystem personell und finanziell besser ausgestattet werden.


Das Podium des 124. Deutschen Ärztetags: Geschäftsführerin Dr. Katrin Bräutigam, Präsident Dr. Klaus Reinhardt und Vizepräsidentin Dr. Ellen Lundershausen (v. li.).

Weiterbildung

Klimawandel und Gesundheit in die Allgemeinen Inhalte der Weiterbildung aufgenommen 2020 hatte die 93. Gesundheitsministerkonferenz erklärt, dass die Bedeutung des Klimawandels als ein die Gesundheit beeinflussender Faktor bislang in den Weiterbildungen der Gesundheitsberufe nicht adäquat abgebildet sei.

Darauf Bezug nehmend, beschlossen die Delegierten des 124. DÄT den Weiterbildungsinhalt „Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit“ als kognitive und Methodenkompetenz in die Allgemeinen Inhalte der (Muster-) Weiterbildungsordnung (MWBO) aufzunehmen. Damit gilt der Abschnitt für alle Weiterbildungen. „Die allgemeinen Inhalte müssen ebenso nachgewiesen werden wie fachspezifische Inhalte, denn sie definieren unser gesamtes ärztliches Berufsbild“, erklärte dazu Dr. Johannes Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe und Vorsitzender der Ständigen Kommission Weiterbildung.

Neuer Facharzt „Innere Medizin und Infektiologie“ im Gebiet Innere Medizin eingeführt
Außerdem stimmte der DÄT mit großer Mehrheit für einen Antrag zur Einführung der Facharztweiterbildung „Innere Medizin und Infektiologie“ in die MWBO. Dadurch soll gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie die Versorgungsqualität im Bereich der Infektiologie verbessert werden. Gemäß dem Antragstext sei zu erwarten, dass die Eindämmung von Infektionskrankheiten für die Medizin und die Gesellschaft in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen werde.

Die Facharztweiterbildung war zuvor intensiv mit involvierten Fachgesellschaften und Berufsverbänden sowie in den Gremien der BÄK diskutiert worden. Zusammen mit den Gebieten „Hygiene und Umweltmedizin“ und „Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie“ sowie der Zusatz-Weiterbildung „Infektiologie“ sei infektiologisches Wissen nunmehr breit in der MWBO verankert, erklärte die BÄK im Rahmen einer Pressemitteilung.

Vorstandsüberweisung zum Thema „eLogbuch“
Überdies entschieden die Abgeordneten, einen Antrag, im Rahmen dessen die rasche Implementierung eines „responsive design“ für gängige Mobilgeräte für das eLogbuch der MWBO gefordert wurde, an den Vorstand zu überweisen. Das eLogbuch ist ein Kernstück der MWBO, das 2018 neu eingeführt wurde. Es soll Ärzte in der Weiterbildung dabei unterstützen, ihre erworbenen Kompetenzen digital und kontinuierlich zu dokumentieren.

Der 124. DÄT fasste weitere Beschlüsse unter anderem zu folgenden Themen: Reform der Notfallversorgung in Deutschland, Novellierung der Approbationsordnung, Gendersensibilität im Gesundheitswesen. Die Satzung wurde dahingehend geändert, dass bei Vorliegen besonderer Umstände der DÄT auch als Hybridveranstaltung stattfinden kann. Im Herbst 2021 soll voraussichtlich ein weiterer DÄT in Präsenz stattfinden, wenn die Corona-Lage das zulässt. Der 126. DÄT findet dann vom 24. bis 27. Mai 2022 in Bremen statt, der 127. DÄT vom 16. bis 19. Mai 2023 in Essen.

 

Drei Fragen an Dr. Markus Beck zu den Bundesärztekammer-Finanzen
Stimmführer der BLÄK beim Punkt „Finanzen“

Wie jedes Jahr stellt der Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) den Haushaltsvoranschlag auf und vertritt ihn vor dem Deutschen Ärztetag. Nach der Satzung der BÄK gehört zu den Aufgaben des Deutschen Ärztetags unter anderem die Entgegennahme der Jahresrechnung, die Erteilung der Entlastung an den Vorstand, die Genehmigung des Haushaltsvoranschlages sowie die Festsetzung der Kostenanteile der Landesärztekammern. Die Abgeordneten einer Landesärztekammer können nur einheitlich durch einen Stimmführer abstimmen. Dieser Stimmführer hat dabei so viele Stimmen, wie seine Landesärztekammer Abgeordnete entsendet. Für die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) hat der Vorstand wieder Dr. Markus Beck in dieser Funktion bestätigt, der das Votum für die 38 Abgeordneten Bayerns abgibt.

Welchen Umfang hat der Jahresabschluss 2019/20 der BÄK?
Beck: 23.612.561,85 Euro betrug die Gesamtsumme der Erträge, die Aufwendungen beliefen sich auf 21.861.351,08 Euro. Damit wurden 1.751.210,77 Euro nicht verbraucht. Diese Mittel werden der Rücklage zugeführt. Die nicht verbrauchten Mittel werden mit 1.751.210,77 Euro zur Entlastung der Landesärztekammern bei den Beiträgen auf neue Rechnung vorgetragen.

Können Sie die Gründe für die nicht verbrauchten Mittel bzw. Unterschreitungen kurz erklären?
Beck: Die Ursachen dafür sind vielfältig: Geringere Gehaltszahlungen, niedrigere Pensionsaufwendungen, der ausgefallene Deutsche Ärztetag und die wegen Corona geringeren Gremienaufwendungen. Auch die Raumkosten fielen niedriger aus, da sich die Sanierungsarbeiten am Gebäude verzögern. Ebenso wurden die Reisekosten
unterschritten. Die Erträge fielen wegen Erstattungen des Bundesgesundheitsministeriums höher aus. Doch es gab im Vergleich zum Vorjahr auch höhere Aufwendungen, insbesondere für den eArztausweis und das eLogbuch. Auch führten höhere Zinsaufwendungen für Pensionsrückstellungen zur Überschreitung der sonstigen Aufwendungen.

Was sieht der Haushaltsvoranschlag für das Geschäftsjahr 2021/22 vor?
Beck: Der Haushaltsvoranschlag für den Zeitraum 2021/22 liegt in der Gesamtsumme um 6,51 Prozent höher als der Haushaltsvoranschlag von 2020/21, steigt mithin von 27.302.000 Euro auf 29.079.000 Euro, wobei Zuführungen zu den zweckgebundenen Rücklagen in Höhe von 493.000 Euro enthalten sind. Die Personalaufwendungen steigen um 5,13 Prozent. Berücksichtigt ist eine Erhöhung der Personalkosten um 3 Prozent. Die Satzungsbedingten Aufwendungen steigen um 2,84 Prozent, die Allgemeinen Verwaltungskosten um 8,83 Prozent, wobei hier Sanierungsaufwendungen an Gebäude und EDV im Vordergrund stehen. Bei den Erträgen wurden, wie bereits erwähnt, die nicht verbrauchten Mittel des Geschäftsjahres 2019/20 in Höhe von 1.751.210 Euro vorgetragen. Für die Finanzierung der veranschlagten Aufwendungen kann die Umlage der Landesärztekammern im Vergleich zum Vorjahr um insgesamt 0,15 Prozent gesenkt werden.

Da der Haushaltsvoranschlag 2021/22 meines Erachtens verantwortungsvoll und angemessen ist und auch der BLÄK-Vorstand dies so in seiner Sitzung vom 24. April gesehen hat, gebe ich meine Zustimmung – Corona-bedingt übrigens im Umlaufverfahren schriftlich.

Autoren:
Jodok Müller, Dagmar Nedbal, Florian Wagle (BLÄK)

 

 

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