Die Kammer im Dialog mit der Politik

1. Vizepräsident Dr. Andreas Botzlar, 2. Vizepräsidentin Dr. Marlene Lessel und ­Präsi­dent Dr. Gerald Quitterer zusammen mit der stellvertretenden Vorsitzenden Ruth Waldmann, SPD und dem Ausschussvorsitzendem Bernhard Seidenath, CSU (v. li.).

Am 25. März 2025 traf sich das Präsidium der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) mit den Mitgliedern des Ausschusses für Gesundheit, Pflege und Prävention des Bayerischen Landtags. In dem knapp zweistündigen Austausch im Rahmen der Ausschuss-Sitzung wurden zentrale gesundheitspolitische Herausforderungen diskutiert. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen Positionen der BLÄK zur künftigen Ausgestaltung der Patientensteuerung, zur geplanten Krankenhausstrukturreform, zu Herausforderungen in der ärztlichen Weiterbildung sowie zur Sicherung der ambulanten Versorgung. Ziel des Austauschs war es, aktuelle Entwicklungen aus ärztlicher Sicht einzuordnen und Impulse für die Gesundheitspolitik im Freistaat zu geben.

BLÄK-Präsident Dr. Gerald Quitterer betonte in seinem Beitrag die Notwendigkeit einer strukturierten Patientenlenkung im deutschen Gesundheitswesen. Dieses sei geprägt von einem weitgehend ungesteuerten Zugang und einer unstrukturierten Inanspruchnahme medizinischer Leistungen. Dies führe zu Überlastungen in der Akut- und Notfallversorgung sowie zu ­einer ineffizienten Nutzung von Ressourcen in der Regelversorgung. Deutschland liege mit durchschnittlich 9,6 Arzt-Patienten-Kontakten pro Jahr im internationalen Spitzenfeld, was das System an seine finanziellen und personellen Grenzen bringe. Quitterer wörtlich: „Patientinnen und Patienten brauchen Orientierung im System. Die hausarztzentrierte Versorgung kann hier eine klare Struktur und mehr Effizienz schaffen – ohne die freie Arztwahl grundlegend infrage zu stellen“. Weiter in seinen Ausführungen ging der Präsident auf die Forderungen der BLÄK an eine künftige Bundesregierung ein, darunter fällt insbesondere die Forderung nach einer Entbudgetierung fachärztlicher Leistungen, die von einer künftigen Koalition umzusetzen sei, um die Versorgung in diesem Bereich nachhaltig zu sichern.

Andere Themen waren die standardisierte Erst­einschätzung in der Notfallversorgung, die ­digital unterstützte Koordination, die Förderung der Gesundheitskompetenz sowie die Förderung der Niederlassung. Quitterer sprach sich für die Einführung einer validierten standardisierten Ersteinschätzung in der Notfallversorgung aus. Diese könne helfen, Patienten unter Beachtung der gebotenen Dringlichkeit der jeweils geeigneten Versorgungebene verbindlich zuzuweisen.

Digitale Angebote sollen Kommunikation und Datenaustausch innerhalb der unterschiedlichen Gesundheitsberufe erleichtern und die geforderte Sicherheit bieten. Sie seien zügig umzusetzen.  Ein weiterer Fokus lag auf der Förderung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung. Die BLÄK und der 83. Bayerische Ärztinnen- und Ärztetag plädieren dafür, Gesundheitswissen stärker in Lehrpläne zu integrieren. Außerdem verwies Quitterer auf die weiterhin dringend benötigte gesetzliche Regulierung investorenbetriebener Medizinischer Versorgungszentren (iMVZ), was schon seit Jahren Gegenstand von Ärztetagsanträgen sei.

Krankenhausreform: Struktur­veränderung braucht Absicherung

BLÄK-Vizepräsident Dr. Andreas Botzlar ging auf die geplante Krankenhausstrukturreform ein. Aus Sicht der Kammer sei eine stärkere Spezialisierung grundsätzlich sinnvoll, allerdings müssten dabei die bedarfsnotwendigen Krankenhäuser dauerhaft abgesichert werden. Die derzeit diskutierten Reforminstrumente griffen dabei zu kurz.

„Zielgerichtete Strukturanpassungen sind wichtig, aber sie müssen tragfähig umgesetzt werden – mit einer echten Vorhaltefinanzierung und einer adäquaten Personalausstattung“, so Botzlar. Die Bundesärztekammer habe hierfür ein eigenes Personalbemessungsmodell (ÄPSBÄK) entwickelt, welches die spezifischen Anforderungen ärztlicher Tätigkeit in den Kliniken berücksichtige.

Sorgen bereitet der BLÄK zudem die mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) verbundenen Auswirkungen auf die ärztliche Weiterbildung. Infolge der vorgesehenen Konzentrationsprozesse könnten kleinere Häuser bestimmte Weiterbildungsabschnitte nicht mehr anbieten. Dies würde längere Weiterbildungszeiten und eine stärkere Rotation an größere Kliniken notwendig machen. Botzlar betonte, dass sich daraus erhebliche organisatorische Herausforderungen für alle Beteiligten ergäben.

Rahmenbedingungen für die Niederlassung verbessern

BLÄK-Vizepräsidentin Dr. Marlene Lessel stellte die ambulante Versorgung als zentrales Element einer wohnortnahen Gesundheitsversorgung ­heraus. In vielen Regionen drohe mittelfristig eine Unterversorgung, da sich immer weniger junge Ärztinnen und Ärzte für eine Niederlassung entscheiden. Als Gründe nannte Lessel unter anderem wirtschaftliche Unsicherheiten, hohe administrative Anforderungen sowie Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die BLÄK sprach sich in diesem Zusammenhang für eine vollständige Entbudgetierung, auch fachärztlicher Leistungen, aus. Nur so lasse sich die ambulante Versorgung verlässlich planen und wirtschaftlich führen. Darüber hinaus seien gezielte Maßnahmen notwendig, um die Niederlassung attraktiver zu machen – etwa durch ­ finanzielle Anreize, bürokratische Erleichterungen, Mentoringprogramme und familienfreundliche Arbeitszeitmodelle. Ziel müsse es sein, so Lessel, sowohl die freiberufliche Tätigkeit als auch die bestehenden ambulanten Strukturen nachhaltig zu stärken.

Nils Härtel (BLÄK)


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