COVID-19 – da capo

Dr. med. Gerald Quitterer

Unsere bisherigen Strategien reichen nicht aus, um die Pandemie zu bewältigen. Trotz eines neuerlichen Lockdowns meldet das Robert Koch-Institut (RKI) noch immer hohe Zahlen an Corona-Neuinfektionen sowie an Menschen, die mit oder an COVID-19 sterben.

Wie lange aber kann ein solcher Lockdown ausgedehnt werden? Wie groß ist der gesellschaftliche Schaden, wenn der Einzelhandel heruntergefahren wird sowie vor dem Hintergrund des Rechts auf Bildung Schulen, kulturelle und künstlerische Einrichtungen geschlossen werden? Ist dies ein Verharren in der Krise? Jetzt bietet sich die Möglichkeit der Impfung. Nutzen wir diese Chance und übersehen dennoch dabei nicht, die notwendige Sorgfalt und Besonnenheit walten zu lassen.

Impfen polarisiert – in Politik, Gesellschaft und Ärzteschaft, Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht stehen Impfgegnern gegenüber. Wir müssen kritische Fragen ernst nehmen. Wir Ärztinnen und Ärzte in Kliniken und Praxen sind mit einer Vielzahl von Patientinnen und Patienten konfrontiert, die verunsichert sind. Gleichzeitig sind wir Ärzte quasi „Testimonials“ bei diesem Thema – ein entscheidender Faktor für die Impfentscheidungen unserer Patienten gerade im Hinblick auf die Sars-CoV-2-Impfung. Was ist bislang über die komplexen Immunantworten, die das neuartige Coronavirus im menschlichen Körper induziert, bekannt? Was lässt sich über Wirkweise und Sicherheit der einzelnen COVID-Vakzine-Kandidaten ableiten? Wie ist der Forschungsstand? Wie begegnen wir Ärzte den besonderen Herausforderungen?

» Indem wir das Patientenwohl und in dieser Zeit auch das Gemeinwohl in den Vordergrund stellen, vorliegende wissenschaftliche Ergebnisse interpretieren, Nutzen und Risiken abwägen, unsere Erfahrung einbringen wie bei anderen neuen Therapien auch. Wir können nach derzeitigem Wissensstand unsere Patienten darüber aufklären, dass eine Impfung Sinn macht. Jeder weitere Impfstoff ist eine Chance mehr, sich gegen die Erkrankung zu schützen.

» Indem wir daran mitarbeiten, dass logistische Schwierigkeiten, Verteilung und Durchführung gemeistert werden. Dazu gehört auch, dass die Möglichkeit geschaffen wird, die Impfung nicht nur in Impfzentren, sondern auch in den Praxen durchzuführen sobald ein Impfstoff zur Verfügung steht, der geringere logistische Herausforderungen mit sich bringt. Dort finden sich gewachsene Strukturen, auf die man zurückgreifen kann. Dennoch darf es keine Impfpflicht oder Ausgrenzung nicht Geimpfter geben.

Welche Entscheidungen sich am Ende als falsch oder richtig herausstellen, ist in einer Pandemie nicht immer von vornherein absehbar. Denn Empirie lässt sich durch Theorie nicht ersetzen, insbesondere, wenn die Zeit dazu fehlt. Welche neuen Chancen ergeben sich und inwiefern muss die aktuelle Vorgehensweise angepasst werden? Unabdingbar ist aus meiner Sicht, dass unsere Erkenntnisse in einen stetig reevaluierten Strauß von Strategien transformiert werden, von welchen die aussichtsreichsten weiterverfolgt werden müssen.

Das Impfen ist eine Strategie, eine weitere muss neben der Entwicklung wirksamer Therapien gegen die Erkrankung sicherlich ein neues Miteinander sein, welches dazu führt, dass wir aufeinander Rücksicht nehmen und uns gegenseitig schützen. Das bleibt und gilt für die Zukunft.

Unabdingbar ist es, im Konsens miteinander zu agieren und es braucht die gemeinschaftliche Anstrengung. Für die Umsetzung von Maßnahmen müssen alle miteinbezogen werden: Ärzte bei der Umsetzung der Impfungen, Schulleiter und Kommunen bei der Aufrechterhaltung des Unterrichts unter entsprechenden Hygienevoraussetzungen, IT-Spezialisten von Unternehmen bei der Entwicklung von Telekommunikation, Elternvereinigungen beim Einbau von Luftfilteranlagen in Klassenzimmer – hilfreiche Vernetzungen von Know-how, die keine politische Vorgabe ersetzen kann.

Der bayerischen Ärzteschaft kommt diesbezüglich eine besondere Verantwortung zu, die sie gemäß § 2 Absatz 3 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns auch auszufüllen hat. Denn eine gewissenhafte Ausübung des Arztberufs erfordert die Beachtung des anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse. Nicht nur in Zeiten von Corona, sondern seit jeher in der Ausübung unseres Berufs. Unser Gesundheitssystem hält wegen Corona nicht die Luft an, es funktioniert: Die ambulante und stationäre Versorgung, der Öffentliche Gesundheitsdienst, die Pflege und Physiotherapie, die Rehabilitation, die Selbstverwaltung. Es gibt keine geschlossenen Arztpraxen, Krankenhäuser oder Apotheken. Rettungs- und Bereitschaftsdienst sind bestens organisiert.

Fazit: Corona ist bei aller Härte ein gewichtiger, aber eben auch nur ein Punkt, wenn es um medizinische und politische Entscheidungen geht. Nur durch kontinuierliche und gemeinsame gesellschaftliche Verantwortung gelingt der Weg aus der Pandemie.

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