Bericht zur Influenzaüberwachung in Bayern – Saison 2015/16

Influenzaüberwachung in Bayern

Die Influenza oder Grippe ist eine durch Influenzaviren verursachte Atemwegserkrankung, die meistens zwischen Oktober und April in der nördlichen Hemisphäre Grippewellen auslöst. Für eine zeitnahe Einschätzung der Influenza-Aktivität wurde in Deutschland ein mehrschichtiges System etabliert. Zum einen besteht eine Meldepflicht für den direkten Erregernachweis nach § 7 Infektionsschutzgesetz (IfSG), zusätzlich werden von der Arbeitsgemeinschaft für Influenza (AGI) am Robert Koch-Institut (RKI) syndromische Daten über die SEED ARE-Meldung akuter Atemwegsinfektionen erhoben sowie eine virologische Surveillance in ausgewählten Arztpraxen durchgeführt (https://influenza.rki.de/Default.aspx). Um ein ausführlicheres Gesamtbild zu erhalten, werden auch Daten über das sogenannte „Grippe-Web“ gesammelt, ein Online-Tool, in dem Privatpersonen wöchentlich einen kurzen Fragebogen zu bei ihnen aufgetretener akuter respiratorischer Erkrankung (ARE) ausfüllen können. Bayern ist eines von sechs Bundesländern, das darüber hinaus eine eigene virologische Surveillance mit Influenzavirus-Nachweis durchführt. Klinisch lässt sich eine Infektion mit Influenzaviren von einer ARE, die durch andere respiratorische Erreger verursacht wird, nicht unterscheiden. Deshalb ist für die Differenzierung der labordiagnostische Nachweis von Influenzaviren unerlässlich.

Methoden

Die virologische Influenzaüberwachung in Bayern wird durch das Bayern Influenza Sentinel (BIS) durchgeführt. Am BIS nehmen derzeit 79 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte aus Bayern teil. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) koordiniert das BIS und führt die virologischen Untersuchungen durch. Zwischen den Kalenderwochen (KW) 40/2015 und 18/2016 sollte jede teilnehmende Praxis wöchentlich je zwei Rachen-/Nasenabstriche von zufällig ausgewählten Patienten, die sich mit einer ARE vorstellten, zur labordiagnostischen Untersuchung an das LGL schicken. Zur weiteren Einstufung als Influenza-like illness (ILI) wird die von der WHO empfohlene ILI-Referenzdefinition zugrunde gelegt: Fieber ≥ 38 °C, Husten und akuter Krankheitsbeginn. Mittels real-time PCR wurden die Patientenproben auf Influenzaviren (Typ A, Subtypen H1N1 und H3N2 und Typ B) und bei Kindern unter fünf Jahren zusätzlich auf Respiratorische Synzytial-Virus-(RSV)-Infektionen untersucht. Weiter wurde für jeden Patienten ein Fragebogen mit Informationen zur Person (Alter, Geschlecht, Erkrankungsbeginn, klinische Symptome, Impfstatus und Grunderkrankungen) übersandt. Die Ergebnisse wurden zeitnah den einsendenden Ärzten individuell mitgeteilt und wöchentlich anonymisiert auf den Internetseiten des LGL veröffentlicht (www.lgl.bayern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/influenza/index.htm). Die Teilnahme am BIS ist dabei für die Ärzte kostenfrei.

Ergebnisse

Subtypenzirkulation, Saisonbeginn und -ende

Im BIS wurden zwischen den KW 40/2015 und 18/2016 insgesamt 2.006 Proben untersucht. Influenzaviren wurden in 425 (21 Prozent Positivenrate) Abstrichen nachgewiesen. Darunter befanden sich 213 (50,2 Prozent) Influenza A(H1N1)-Viren, 188 (44,4 Prozent) Influenza B-Viren und sechs (1,4 Prozent) Influenza A(H3N2)-Viren. In einem Abstrich wurde eine Doppelinfektion mit Influenza A- und Influenza B-Viren diagnostiziert. Wegen zu geringer Viruslast konnten 17 (vier Prozent) Influenza A-Viren am LGL nicht subtypisiert werden.

Ein erster Anstieg an positiven Influenzanachweisen 2015/16 war Ende Dezember erkennbar (Abbildung 1). In KW 3/2016 wurden erstmals mehr als 20 Prozent der Proben positiv bestätigt und somit der für den Beginn der Influenzawelle definierte Schwellenwert überschritten. Der Höhepunkt der Influenzawelle mit einer Positivenrate von 48 Prozent wurde in KW 11/2016 und das Ende der Influenzawelle in KW 14/2016 erreicht. Der Verlauf der Influenzawelle 2015/16 war im Vergleich zu der gemittelten Verlaufskurve der letzten Influenzasaisons ähnlich. Wie in der vorherigen Saison [1] dominierte zu Beginn der Influenzasaison die Influenza A. Der Anteil an Influenza B stieg auch in der Saison 2015/16 erst später langsam an, bis er ab KW 10/2016 den Großteil der positiven Influenzanachweise ausmachte (Abbildung 1).

Abbildung 1: Anzahl der Proben, die auf Influenza untersucht wurden, nachgewiesene Influenzavirus-Subtypen und Anteil der Proben mit positivem Influenzavirus-Labornachweis (Positivenrate) nach Kalenderwochen in der Saison 2015/16.


Diese Dynamik wurde deutschlandweit beobachtet und führte dazu, dass insgesamt in Deutschland die Influenza B mit 55 Prozent der positiven Influenzanachweise diese Saison dominierte. Dies wurde in den bayerischen Regierungsbezirken Niederbayern (63 Prozent) und Schwaben (55 Prozent) ebenfalls beobachtet. Im Nationalen Referenzzentrum für Influenza (NRZ) am RKI wurden bei 96 Prozent der Influenza-B-Proben Viren der B-Viktoria-Linie identifiziert [2]. Eine Typisierung der Influenza B erfolgte am LGL nicht.

Altersverteilung der Patienten

Die Anzahl der Proben von Kindern unter 18 Jahren (48 Prozent) entspricht ungefähr der Probenanzahl von Erwachsenen (46 Prozent). Wie schon in den vergangenen Jahren sind Senioren mit sechs Prozent unterrepräsentiert. Bei Jugendlichen und Kindern in den Altersgruppen der 6- bis 18-Jährigen und der 3- bis 5-Jährigen war die durchschnittliche ARE/Influenza-Positivenrate mit 29 Prozent bzw. 26 Prozent signifikant höher als in den anderen Altersgruppen (p < 0,001; Abbildung 2). In diesen Altersgruppen war außerdem der Anteil von Influenza B-Nachweisen höher als bei den Erwachsenen (Abbildung 2). Ein ähnlicher Trend wurde bereits in der Influenzasaison 2015 in Australien beobachtet, wo vor allem die jüngere Bevölkerung an Influenza-B-Viren der Viktoria-Linie erkrankte [3].

Abbildung 2: Anteil der Influenzasubtypen in allen eingesandten Abstrichen nach Altersgruppen im BIS in der Influenzasaison 2015/16.

 
Auftreten und Verteilung von Symptomen

Unter allen ARE-Patienten hatten 85 Prozent einen akuten Krankheitsbeginn, 83 Prozent Husten, 79 Prozent Fieber ≥ 38 °C, 25 Prozent Kopfschmerzen, 19 Prozent Halsschmerzen und 17 Prozent Gliederschmerzen (Mehrfachangaben möglich). Patienten mit nachgewiesener Influenzavirus-Infektion klagten häufiger über Fieber ≥ 38 °C, Husten und einen akuten Krankheitsbeginn. Patienten ohne Influenzanachweis erfüllten in 51 Prozent, Patienten mit Influenza A in 72 Prozent und Patienten mit einer Influenza B in 79 Prozent die ILI-Definition. Der Unterschied bezüglich der Symptomatik zwischen ARE- und Influenzapatienten war somit in diesem Kollektiv statistisch signifikant, sowohl wenn die ILI-Symptome zusammen als auch wenn sie einzeln betrachtet wurden (p < 0,001; Abbildung 3). Obwohl der Unterschied signifikant war, ist die ILI-Definition nicht genügend spezifisch (51 Prozent der Patienten ohne Influenzanachweis klagten über dieselben Symptome), um eine Influenza klinisch von einer ARE aufgrund von anderen Ursachen zu unterscheiden.

Abbildung 3: Vergleich der Symptome von ARE-Patienten, die keine Influenzavirus-Infektion hatten (grau) mit Patienten, die eine Influenza-A- (blau) bzw. mit Patienten, die eine Influenza-B-Erkrankung (grün) durchmachten. Häufigkeit der Symptome wurden den Probenbegleitscheinen entnommen, Mehrfachnennungen möglich. * Signifikanter Unterschied bei der Symptomhäufigkeit von erkrankten Patienten mit vs. ohne Influenzaviren-Nachweis (p < 0,001).

Einfluss von Impfungen

Im BIS waren in der Saison 2015/16 nur fünf Prozent (104 von 2.006) der untersuchten ARE-Patienten gegen Influenza geimpft. Die höchste Impfquote wurde mit 20 Prozent (25 von 126) bei den an ARE erkrankten Senioren erreicht. 14 Prozent aller Patienten mit einer Grunderkrankung (47/328) waren geimpft, und zwar am häufigsten Patienten, die an einer Herzkreislaufkrankheit litten (16/68). Diese Gruppen gehören nach Empfehlungen der STIKO zur Zielgruppe der Influenza-Impfung [4]. Die Durchimpfung in der teilnehmenden Population war zu gering, um signifikante Unterschiede im Erkrankungsrisiko von Geimpften und Ungeimpften festzustellen.

Geografische Verteilung

Durchschnittlich sind im BIS in ganz Bayern 15,7 Proben pro 100.000 Einwohner von Patienten mit einer ARE am LGL eingegangen. Die Regierungsbezirke Oberbayern und Oberpfalz waren durchschnittlich vertreten, wohingegen Niederbayern, Ober- und Unterfranken über- und Schwaben und Mittelfranken unterrepräsentiert waren (Abbildung 4). In Niederbayern (63 Prozent) und Schwaben (55 Prozent) war der Anteil an Influenza B höher als in Gesamtbayern (44 Prozent). In den Regierungsbezirken Oberpfalz (73 Prozent), Oberfranken (64 Prozent) und Unterfranken (65 Prozent) traten deutlich mehr Influenza-A-Subtypen auf.

Abbildung 4: Verteilung der eingesandten Proben des BIS 2015/16 pro 100.000 Einwohner nach Regierungsbezirk.

Analysen auf RS-Viren bei Kindern

Neben dem Nachweis von Influenzaviren wurde im gesamten Beobachtungszeitraum (KW 40/2015 bis 18/2016) die virologische Diagnostik bei Kindern unter fünf Jahren um den Nachweis von RSV ergänzt.

Insgesamt wurden 498 Proben auf RSV untersucht, 73 davon waren positiv (15 Prozent). Subtyp RSV A konnte in 38 Abstrichen nachgewiesen werden und RSV B in 31. Bei vier Kindern konnten beide Virus-Subtypen nachgewiesen werden, bei sechs Kindern bestand eine Doppelinfektion mit RSV und Influenzaviren.

Zusammenfassung

Das am LGL seit 2009 etablierte BIS ist ein wesentlicher Teil der Influenzaüberwachung in Bayern und Deutschland und liefert ausführliche labordiagnostische Daten zur Ergänzung der vorhandenen syndromischen Überwachung durch das RKI.

Um die Influenzasaison einschätzen zu können, ist eine regelmäßige Teilnahme und die wöchentliche Einsendung von Proben von großer Bedeutung. Wir möchten allen teilnehmenden niedergelassenen Allgemein- und Kinderärzten ganz herzlich danken, ohne deren Engagement das BIS nicht möglich wäre.

Weiterhin sind wir aktiv auf der Suche nach interessierten neuen Teilnehmern (internistische und allgemeinmedizinische Praxen) für die aktuelle Influenzasaison 2016/17, insbesondere werden Teilnehmer aus den Regionen Schwaben und Mittelfranken für eine ausgeglichenere regionale Verteilung gesucht. Falls Sie sich angesprochen fühlen, melden Sie sich gerne an die unten angegebene Korrespondenzadresse.

Information zum BIS

Aktuelle Informationen zum BIS stehen auf unserer Internetseite zur Verfügung:
www.lgl.bayern.de/downloads/gesundheit/infektionsschutz/index.htm

Literatur

1. Heinzinger S, Eberle U, Ackermann N, Liebl B, Sing A. Saisonale Influenzaüberwachung in Bayern. Bayerisches Ärzteblatt. 2015;11:606-7.
2. Buda S, Schweiger B, Buchholz U, Prahm K, Haas W. Influenza-Wochenbericht Kalenderwoche 16. https://influenza.rki.de: Robert Koch-Institut, 2016.
3. Barr IG, Vijaykrishna D, Sullivan SG. Differential age susceptibility to influenza B/Victoria lineage viruses in the 2015 Australian influenza season. Euro surveillance : bulletin Europeen sur les maladies transmissibles = European communicable disease bulletin. 2016;21(4). Epub 2016/02/06.
4. Epidemiologisches Bulletin. weekly report. Robert Koch-Institut, 2016/34 26.08.2016.

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