Austausch der BLÄK mit dem Ausschuss für Gesundheit und Pflege

Austausch der BLÄK mit dem Ausschuss für Gesundheit und Pflege

Mitte Mai fand im Maximilianeum der traditionelle Informationsaustausch des Präsidiums der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) mit den Mitgliedern des Ausschusses für Gesundheit und Pflege des Bayerischen Landtags statt. Intensiv wurde diskutiert, wie die Zahl niedergelassener Ärztinnen und Ärzte im Freistaat erhöht werden könnte und welche Möglichkeiten es gebe, den Beruf der Medizinischen Fachangestellten (MFA) attraktiver zu gestalten. Darüber hinaus sprachen die Anwesenden über die zunehmende Digitalisierung in der Medizin sowie über mögliche Reformen der Krankenhausfinanzierung.

Abbildung 2: MdL Christina Haubrich (Bündnis 90/Die Grünen), MdL Ruth Waldmann (SPD), Dr. Gerald Quitterer, Dr. Andreas Botzlar, MdL Bernhard Seidenath (CSU), MdL Carolina Trautner (CSU), MdL Helmut Radlmeier (CSU), Dr. Bernhard Junge-Hülsing, MdL Martin Mittag (CSU) und MdL Dr. Dominik Spitzer (FDP) (v. re.) im Bayerischen Landtag. Nicht im Bild, aber ebenfalls Teilnehmerin des Austauschs: MdL Susann Enders (Freie Wähler)

Zu Beginn des Austauschs berichtete Dr. Gerald Quitterer, Präsident der BLÄK, über die aktuelle Corona-Lage in den Praxen und Kliniken im Freistaat. Während die Normal- und Intensivstationen der Krankenhäuser seit dem Überschreiten des Höhepunkts der fünften pandemischen Welle eine deutliche Entlastung erfahren hätten, ­arbeiteten die niedergelassenen Ärzte immer noch am Limit. Die Mehrheit der Corona-­Patienten schlage im ambulanten und hier insbesondere im hausärztlichen Bereich auf und werde dort auch medizinisch versorgt.

Der Präsident äußerte aber Bedenken, ob die Praxen zu einem solchen Kraftakt in den kommenden Jahren noch in der Lage wären, wenn sich ein besorgniserregender Trend fortsetze. Tendenziell habe die Zahl der niedergelassenen Ärzte im Freistaat in den vergangenen Jahren nämlich immer mehr abgenommen: „Waren im Jahr 2015 noch 79,5 Prozent der im ambulanten Bereich tätigen Ärzte niedergelassen, sind es im Jahr 2020 nur noch 70,5 Prozent gewesen. Umgekehrt ist der Anteil der angestellten Ärzte zwar entsprechend angestiegen, viele davon arbeiten aber nur in Teilzeit. Außerdem sind es letztendlich die Niedergelassenen, die überhaupt erst die Möglichkeit zur Anstellung bieten“. Dr. Quitterer bat die Abgeordneten, sich für eine Erhöhung der Attraktivität der Niederlassung einzusetzen, um die exzellente ambulante Gesundheitsversorgung in Bayern zu erhalten. Dazu seien sowohl verbesserte Förderungen als auch eine Entbürokratisierung notwendig. Da das derzeitige Wachstumsniveau der Arztzahlen die demografischen Herausforderungen sowie den Trend zur Teilzeittätigkeit – vor allem bei Ärztinnen, die Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren wollten – nicht ausgleichen könne, sprach sich der Präsident außerdem für eine Erhöhung der bundesweiten Studienplätze für Humanmedizin aus.

„Wir als Politik müssen uns auch fragen, was wir tun können, damit Ärztinnen mehr arbeiten. Da scheint Luft nach oben zu sein“, erklärte ­Caroline Trautner (CSU), Mitglied des Bayerischen Landtags (MdL), mit Blick auf den hohen Anteil von Ärztinnen in Teilzeitbeschäftigung. Der Staat finanziere den Studentinnen der Humanmedizin schließlich auch ein teures Studium, das sich für die medizinische Versorgung auszahlen sollte, so die Abgeordnete.

Nach Ansicht von Helmut Radlmeier (CSU), MdL, könnten kommunale Medizinische Versorgungszentren (MVZ) die Lücke schließen, die sich durch den Rückgang niedergelassener Ärzte im ambulanten Sektor ergebe. Privaten MVZ stünde er aber skeptisch gegenüber, da diese primär auf die Erzeugung von Rendite abzielten. „Wir wollen, dass nicht nur das Wirtschaftliche im Vordergrund steht, sondern auch die Patientenbehandlung“, so Radlmeier. Dr. Quitterer stimmte dem Abgeordneten zu, dass bei investorenbetriebenen MVZ der Kommerzialisierung in der Medizin Tür und Tor geöffnet sei. Ärzte gerieten in einen schwer lösbaren Zielkonflikt, wenn sie einerseits ihren berufsrechtlichen Pflichten genügen wollten, andererseits aber unter Druck gesetzt würden, ihr ärztliches Handeln nicht mehr primär am Wohl der Patienten auszurichten, sondern an den Interessen von Kapitalgebern. Wenn bestimmte Behandlungen sich für einen Investor nicht rechneten, würden schnell die Daumenschrauben angesetzt. Dabei werde die Zahl investorenbetriebener MVZ im Freistaat in den kommenden Jahren weiter zunehmen, wenn keine Gegenmaßnahmen ­ergriffen würden.

Abbildung 2. Besonders intensiv diskutierte das Präsidium der BLÄK mit dem Ausschuss, wie die Attraktivität der ärztlichen Niederlassung im Freistaat erhöht werden könnte.

Debatte über Approbationserteilungen für Drittstaatler

Martin Mittag (CSU), MdL, warf während der Diskussion die Frage auf, ob eine Vereinfachung der Approbationserteilung für Ärzte aus Drittstaaten dazu beitragen könnte, künftig den Bedarf an Humanmedizinerinnen und Human­medizinern in Deutschland zu decken. „Alle zwei Wochen bekomme ich eine Mitteilung, dass bei einem Arzt mal wieder eine Anerkennung nicht möglich gewesen ist. Da frage ich mich ein Stück weit, ob wir eine Spielraumerweiterung brauchen“, so Mittag. Dr. Andreas Botzlar, 1. Vizepräsident der BLÄK, entgegnete, dass er eine Senkung des geforderten Qualitätsniveaus nicht für zielführend halte. Die Begründung des 1. Vizepräsidenten: „Am Ende ist es schon eine relativ delikate Angelegenheit, wer hierzulande Patienten behandeln darf und wer nicht“. Gleichwohl wäre es hilfreich, wenn die für die Erteilung von Approbationen zuständigen ­Bezirksregierungen mit mehr Personal ausgestattet würden und solche Fälle schneller bearbeiteten. Dr. Bernhard Junge-Hülsing,
2. Vizepräsident der BLÄK, sprach sich grundsätzlich dagegen aus, den Bedarf an Ärzten primär durch ausländische Humanmediziner zu stillen: „Persönlich finde ich es problematisch, wenn man Drittstaaten die Ärzte wegnimmt und damit die dortige medizinische Versorgung schwächt.“

Auch über den hohen Bedarf an MFA in den Praxen wurde debattiert. In einer Teampraxis übernehmen MFA arztentlastende Tätigkeiten und unterstützen auf diese Weise die Versorgung, erklärte Dr. Quitterer. Zahlreiche Praxen hätten derzeit aber große Schwierigkeiten, Kandidatinnen und Kandidaten für diese doch sehr verantwortungsvolle und anspruchsvolle Tätigkeit zu finden. Die Erhöhung der Attraktivität des Berufsbilds der MFA sollte deshalb nach Ansicht von Dr. Quitterer ganz oben auf der Agenda der politischen Entscheidungsträger stehen. Ein erster Schritt könne sein, den MFA als Zeichen der Wertschätzung für ihre wichtige Arbeit während der Pandemie endlich einen finanziellen Corona-Bonus zu gewähren. Bernhard Seidenath (CSU), MdL, Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit und Pflege, begrüßte, dass die BLÄK immer wieder deutlich auf den Mangel an MFA und dessen Folgen aufmerksam mache. Er selbst kenne etwa eine Münchner Hausärztin, die ihre Praxis schließen müsse, da sie keine MFA mehr finde.

Dr. Junge-Hülsing fordert Neustart der Telematikinfrastruktur

Ebenso diskutierten die Anwesenden über das Thema Digitalisierung. Ruth Waldmann (SPD), MdL, stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, erkundigte sich über die Digitalisierungsstrategie der BLÄK sowie über den Grund für die skeptische Haltung vieler Ärzte gegenüber der Telematikinfrastruktur (TI). Dr. Junge-Hülsing, und Dr. Dominik Spitzer (FDP), MdL, verwiesen etwa auf ständige Probleme bei der Verbindung von Gesundheitskarten-Terminals mit den Konnektoren der TI. Darüber hinaus kämen viele Anwendungen der TI laut Dr. Junge-Hülsing unausgereift in die Praxen und Kliniken und brächten den Ärzten oft keinen tatsächlichen Mehrwert. In diesem Zusammenhang sprach sich der 2. Vizepräsident für einen kompletten Neustart der TI aus: „Was wir brauchen, ist ein softwarebasiertes System, auf Konnektoren würde ich künftig gerne verzichten“.

Natürlich blieb auch eine Debatte über telemedizinische Verfahren wie Video- und Telefonsprechstunden nicht aus, die seit Beginn der Pandemie vermehrt zum Einsatz kommen. Grundsätzlich könne Telemedizin bei der Versorgung bestimmter Patientengruppen ergänzend eingesetzt werden und dabei durchaus nutzbringend sein. Vor einer Behandlung via Video sollte aber bereits ein realer Kontakt zwischen dem behandelnden Arzt und seinem Patienten erfolgt sein. Denn mit allen fünf Sinnen mit dem Patienten kommunizieren zu können, führe in der Regel zu einer exakteren Diagnose, ­erläuterte das Präsidium der BLÄK. Dr. Quitterer kritisierte deshalb auch Bestrebungen des ­Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung e. V. (SDG), welcher die Einrichtung von bundesweit agierenden telemedizinischen Versorgungzentren erreichen wolle, die ausschließlich im virtuellen Raum agierten und nicht mehr an eine Bedarfsplanung für die vertragsärztliche Versorgung gebunden wären. „Wie soll denn da eine Langzeitversorgung der Patienten gewährleistet sein? Wenn der Patient jedes Mal, wenn er eine solche telemedizinische Plattform nutzt, an einen anderen Arzt weitergeleitet wird? Wenn möglicherweise nicht einmal bekannt ist, wo der Arzt, der ihn versorgt, überhaupt seinen Sitz hat?“, fragte der Präsident rhetorisch. Eine Realisierung der Forderungen des SDG käme dem Aufbau einer komplett neuen Versorgungs­ebene gleich, die bei komplexeren Krankheitsfällen oder Komplikationen letzten Endes aber doch auf den niedergelassenen Arzt oder das Krankenhaus als Rückfallebene zurückgreifen müsse. Dr. Quitterer bat die anwesenden Abgeordneten, diesen Bestrebungen des SDG entschieden entgegenzutreten.

Die aktuellen Arbeitsbedingungen der Klinik­ärzte stellte Dr. Botzlar dar. Gleichzeitig sprach sich der 1. Vizepräsident für eine grundlegende Reform der stark renditeorientierten Krankenhausfinanzierung aus. Die Herausnahme der Pflegepersonalkosten aus den sogenannten „Diagnosebezogenen Fallgruppen“ (seit 2020) sei auf den ersten Blick eine gute Idee gewesen. Allerdings habe sich nun der ökonomische Druck auf die Klinikärzte weiter erhöht, da ­Spitäler ihre Erlöse jetzt nur noch zu Lasten des „Restpersonals“ optimieren könnten. Dieses werde hauptsächlich von den Humanmedizinern gestellt. Leidtragende dieser Entwicklung seien am Ende auch immer die Patientinnen und Patienten. „Eine mögliche Lösung wäre, die gesamte Krankenhausfinanzierung prioritär am tatsächlichen Behandlungsbedarf und den dafür nötigen Personal- und Vorhaltekosten auszurichten“, so Dr. Botzlar. Außerdem regte der 1. Vizepräsident einen Konzentrationsprozess in der Krankenhauslandschaft an. Allerdings dürfe dieser nicht mit einem Personal- beziehungsweise Kapazitätsabbau einhergehen.

Darüber hinaus diskutierten die Anwesenden über die Themen „Intersektorale Gesundheitszentren“, „Stärkung der sprechenden Medizin“ und „verbindliche Hitzeschutzaktionspläne“. 

Autor: Florian Wagle (BLÄK)

 

 

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