Reformbaustellen im Gesundheitswesen

Dr. Wolfgang Rechl, Dr. Max Kaplan und Dr. Heidemarie Lux (v.li.)

Einen Leitartikel zu den Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl zu schreiben ist ein riskantes Unternehmen, weil sich die Lage über Nacht ändern kann. Und genau das ist eingetreten: Die Sondierungsgespräche über ein sogenanntes „Jamaika-Bündnis“ aus CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen gestalteten sich über fünf lange Wochen recht schwierig. Eine Einigung schien aber durchaus möglich zu sein. Am 20. November 2017 war Jamaika dann plötzlich Geschichte – die FDP hat die Sondierungsgespräche für gescheitert erklärt. Wie soll es jetzt weitergehen? Angesichts zahlreicher Reformbaustellen im Gesundheitswesen können wir uns eigentlich keine zeitlichen Verzögerungen bei der Regierungsbildung leisten. Spielte im Wahlkampf die Zukunft des Gesundheitssystems auch keine große Rolle, unsere Forderungen in der Versorgung sind sehr konkret.

Top-Forderungen

Schluss mit der Kommerzialisierung und der Budgetierung, mehr Planungssicherheit bei der Finanzierung der Krankenhäuser, ­Beendigung der Unterfinanzierung in der ambulanten Versorgung, gute Konzepte für die Digitalisierung in der Medizin, ein besserer Finanzausgleich der Milliarden beim Morbi-RSA, ­Sicherstellung einer sektorübergreifenden Notfallversorgung und ein zügiger Start der Reform des Medizinstudiums. In einem Acht-Punkte-Plan fordern die niedergelassenen Ärzte mehr Spielräume bei der Gestaltung der Digitalisierung. Die Bundesärztekammer (BÄK) erwartet von der neuen Bundesregierung ein klares Bekenntnis zur Stärkung der ärztlichen Freiberuflichkeit und der ärztlichen Selbstverwaltung. Auch die BÄK hatte ein 13-Punkte-Papier für die Bundestagswahl formuliert.

Sondierungsgespräche

In den gescheiterten Sondierungsgesprächen wurde bereits geplant, die integrierte und sektorübergreifende Bedarfsplanung, die Weiterentwicklung der Notfallversorgung sowie die Verbesserung der Situation der Geburtshilfe anzugehen. Ziel sei eine flächendeckende Sicherstellung einer guten Versorgung im ländlichen Raum und in unterversorgten Quartieren sowie die Fachkräftesicherung im Gesundheitswesen.

Weitere Themen betreffen unter anderem die Frage der Krankenhausinvestitionen, die Weiterentwicklung des Medizinstudiums, insbesondere die Erhöhung der Medizinstudienplätze, die Frage der Vergütung in der Alten- und Krankenpflege (volle Refinanzierung von Tarifsteigerungen im Rahmen der Kranken­hausvergütung, Sofortprogramm zur Verbesserung der Personalausstattung) sowie die Frage der Struktur der Finanzierung des Gesundheitswesens (Modell einer Bürgerversicherung oder Weiterentwicklung des dualen Systems).

„Top-Drei“ aus bayerischer Sicht

Von der bayerischen Landesebene lauten unsere drei wichtigsten Forderungen, die wir auch der Bayerischen Staatsregierung übermittelt haben:

» Erhalt des dualen Krankenversicherungssystems bei Novellierung der GKV (zum Beispiel mehr Tarifvielfalt für Versicherte) und PKV (unter anderem Portabilität der Altersrückstellungen). Dezidierte Bereitschaft, die GOÄ zu novellieren.

» Überprüfung der Diagnosis Related Groups (DRG), ob ärztliche und pflegerische Arbeitsleistung darin ausreichend abgebildet wird.

» Höheren Patientenschutz durch höhere Anforderungen bei der Überprüfung von Heilpraktiker-Aspiranten und durch die Einschränkung der Tätigkeitsfelder des Heilpraktikers. Keine Anerkennung als staatlicher Gesundheitsfachberuf.

Unsere ärztlichen Forderungen verdeutlichen, dass das, was der bisherige – vielleicht auch künftige – Bundesgesundheitsminister bis dato nicht auf seiner Checkliste abhaken konnte, nicht lange auf Lösungen warten kann. Wer auch immer in einigen Wochen (oder Monaten?) ans Werk geht, dem sollte bewusst sein, dass die gesundheitspolitischen Themen keinen Aufschub verkraften. Das gilt für die Digitalisierung im Gesundheitswesen, die Notfallversorgung oder die interdisziplinären bzw. interprofessionellen Kooperationsformen ebenso wie für die Unterfinanzierung in der stationären oder ambulanten Medizin. Die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft und der medizinisch-technische Fortschritt gewähren keine Trödeleien oder halbherzige Entscheidungen.

2018 verlangt klare gesundheitspolitische Entscheidungen. In den neuen Herausforderungen sehen wir aber auch unsere Chance. Stellen wir uns selbstbewusst den gesundheits- und berufspolitischen sowie unseren ärztlichen Aufgaben.

Trotz dieser drängenden Themen ist jetzt zunächst Entschleunigung angesagt. Zum Jahresausklang wünschen wir Ihnen, Ihren Familien und Ihren Freunden ein frohes Weihnachtsfest und für das neue Jahr 2018 alles Gute. 

Top