Proktologie – highlighted

Proktologie

Proktologische Erkrankungen sind häufig und beschäftigen alle Behandlungssektoren. Nicht selten kommen Patienten am Freitagnachmittag mit einem Analabszess in die chirurgische Notaufnahme. Am Freitagabend steht auf der OP-Nachmeldeliste des Öfteren die Diagnose „Akuter Analabszess – Abszessspaltung“. Bei näherem Nachfragen bestehen die Analabszesse oft schon seit mehreren Tagen und erst, wenn der Leidensdruck sehr hoch ist, kommen die Patienten in die Klinik.

Peranale Blutungen sind ein häufig angegebenes Symptom und erfordern vom behandelnden Arzt ein differenziertes differenzialdiagnostisches Denken. Alter und Begleiterkrankungen einschließlich deren Therapie spielen eine wichtige Rolle. Sind Malignome unwahrscheinlich oder durch endoskopische Untersuchungen ausgeschlossen, dann findet sich das Volksleiden „Hämorrhoiden“. Hellrote schmerzlose Blutungen und ein Vorfall der vergrößerten Hämorrhoidalpolster sind die Kardinalsymptome. Moderne schmerzarme Operationsverfahren haben die Reduktion der vergrößerten Hämorrhoidpolster und die Prolapsbeseitigung im Fokus.

Komplexe Analfisteln mit Anschluss an benachbarte Hohlorgane stellen eine große Herausforderung dar. Frauen leiden enorm bei Auftreten einer rektovaginalen oder anovaginalen Fistel. Sowohl der vaginale Ausfluss als auch die Infektion von Vagina und Harnblase belasten die Patientinnen erheblich. Patientinnen mit Morbus Crohn und Patienten nach Rektumoperationen oder Bestrahlungen im Bereich des Anorektums gehören zur Risikogruppe. Hier erreichen plastische Fistelverschlussoperationen wie die Gracilisplastik eine hohe Heilungsrate.

Fall 1: Analabszess bei Morbus-Crohn-Erkrankung

Fallvorstellung

Eine 38-jährige Patientin stellt sich bei zunehmenden analen Schmerzen in unserer Notaufnahme vor. Sie ist in unregelmäßigen Abständen wegen rezidivierenden Analfissuren, bei seit 2009 diagnostiziertem Morbus Crohn, in unserer proktologischen Betreuung. Zuletzt chronifizierte eine Fissur bei 6:00 Uhr Steinschnittlage (6:00 Uhr SSL). Vor drei Jahren war wegen einer stenosierenden Ileitis terminalis eine laparoskopische Ileocoecalresektion vorausgegangen. Bereits 2018 wurde ein Glutealabszess rechts exzidiert, ohne dass eine Analfistel nachgewiesen werden konnte. Nun klagt die Patientin über linksseitige perianale Schmerzen und Druckgefühl. Die letzte Darmspiegelung erfolgte vor einem Jahr ohne nachweisbare Schleimhautentzündung, aktuell keine spezifische Crohn-Medikation.

Diagnostik und Therapie

Im Rahmen der proktologischen Untersuchung fand sich eine Schwellung und Rötung links anterior bei 2:00 Uhr SSL. Eine Fistelöffnung war nicht vorhanden. Bei der digital-rektalen Untersuchung tastet sich eine Resistenz bei 2:00 Uhr SSL und es zeigt sich eitriges Sekret am Fingerling. Wegen der lokalen Schmerzhaftigkeit wurde auf eine Rekto-Proktoskopie verzichtet. Eine Untersuchung und Abszessentlastung in Narkose wurden vereinbart. Die Laborparameter wie kleines Blutbild, Leber- und Nierenwerte waren im Normbereich, lediglich der CRP-Wert war geringgradig erhöht (0,84 mg/d; Norm: < 0,50).

In Narkose und Steinschnittlagerung tastet sich eine im Durchmesser 3 cm große, kugelige Resistenz bei 2:00 Uhr SSL (Abbildung 1). Nach Einbringen des Analspekulums und etwas Druck auf die Abszessregion entleert sich eitriges Sekret über eine innere Fistelöffnung in Höhe der L. dentata, ebenfalls bei 2:00 Uhr SSL (Abbildung 2). Durch eine tangentiale Inzision links perianal wird der Abszess gespalten (Abbildung 3), das eitrige Sekret entleert, die Abszessmembran kürettiert und die Wunde intensiv mit Kochsalz gespült. Der transsphinktäre Fistelgang wird sondiert und eine Gummizügeldrainage (Vessel-Loop) durchgezogen und gesichert, um in den kommenden Wochen die optimale Abszessdrainage zu ermöglichen (Abbildung 4). Zur Blutstillung wird eine Jodoformgaze eingebracht, die nach zwölf Stunden wieder entfernt wird. Dann beginnt das zwei- bis dreimal tägliche Ausduschen und die lokale Reinigung mit klarem Wasser. Nach vier Wochen wird eine proktologische Kontrolluntersuchung durchgeführt, die markierte Fistel in Bezug auf die Analsphinktermuskulatur kategorisiert und ein Termin zum Fistelverschluss bzw. zur Fistelspaltung vereinbart.



Diskussion

Analabszesse stellen stets eine Notfall-Operationsindikation dar. Dadurch werden Destruktionen
der Weichteile und Schließmuskelschäden vorgebeugt, wobei es eine pelvine Sepsis unbedingt zu vermeiden gilt. Wichtig ist ein guter Sekret-abfluss, der über die pflegeleichte Gummizügeldrainage sehr gut gelingt [1]. Fadendrainagen sind weniger günstig und lassen sich nicht gut reinigen. Konservative Behandlungen mittels Antibiotikatherapie oder Punktionen führen in der Regel nicht zur Ausheilung des Abszesses.

Nach Konsolidierung der Abszesshöhle kann der Fistelverlauf in Bezug auf den Analsphinkter kategorisiert werden. Fistelspaltungen mit Durchtrennung von Sphinktermuskulatur sind bei Morbus-Crohn-Patienten zu vermeiden, lediglich subkutane oder subanodermale Fisteln können gespalten werden. Bewährte Fistelverschlussmethoden sind die Flapplastik oder ein Auffüllen des Fistelganges mit biologischen Materialien. Fistelrezidive kommen leider häufig vor. Eine intensive Aufklärung des Patienten über die Fistelproblematik ist notwendig und wichtig.

Merke

» Ein Analabszess stellt eine Notfall-Operationsindikation dar.
» Eine intraoperative Fistelsuche wird vorsichtig durchgeführt, ein Fistelgang kann jedoch nicht immer nachgewiesen werden.
» Die Abszessdrainage muss ausreichend groß sein, die Länge der Inzision sollte so lang wie die Tiefenausdehnung des Abszesses sein.
» Bei persistierenden Fisteln ist ein Fistelverschluss durch eine sekundäre Operation notwendig.
» Schließmuskelschonende Operationen haben höchste Priorität.

Fall 2: Anovaginale Fistel bei Analkarzinom

Fallvorstellung

Bei Druckgefühl im Enddarm und Scheidenausfluss wurde bei einer 42-jährigen Patientin ein ausgedehntes Analkarzinom mit Tumorinfiltration der Rektovaginalwand und Fistelbildung vom proximalen Analkanal zur Vagina diagnostiziert (Abbildung 5). Histologisch fand sich ein Plattenepithelkarzinom des Analkanals. Fernmetastasen wurden nicht gefunden. Wegen der höhergradigen Stenose und Fistelbildung zur Scheide wurde prätherapeutisch ein doppelläufiges Ileostoma angelegt. Daraufhin erfolgte die primär kurativ intendierte Radiochemotherapie nach dem üblichen Radiochemotherapieschema (59,4 Gy, 2 Zyklen Mitomycin C 10 mg/m², 5-FU 1.000 mg/m²).

Klinisch und bildmorphologisch fand sich nach 26 Wochen eine sichere Komplettremission. Allerdings zeigte sich nun am Sphinkteroberrand im zentralen Bestrahlungsfeld eine breite anovaginale Fistel von 2 cm Durchmesser (Abbildung 6). In den postoperativen Kontrolluntersuchungen fanden sich weiterhin keine Fernmetastasen, verkleinerte lokoregionäre Lymphknoten und eine Komplettremission des Analkarzinoms.


Zum Fistelverschluss mit gleichzeitiger Defektauffüllung hatten wir der Patientin die M. Gracilis-Transposition empfohlen. Wegen des ausgedehnten Rektovaginalwanddefektes und der lokalen radiogenen Fibrose mit reduzierter Durchblutungssituation erschien uns ein Muskeltransfer als die beste Behandlungsoption.

Sechs Monate nach primärer Radiochemotherapie transponierten wir den M. gracilis aus dem linken Oberschenkel zur ausgedehnten anovaginalen Fistel, wobei die distale Grazilissehne am rechten Sitzbein periost befestigt wurde. Die Muskelmasse des M. gracilis füllte die breite Fistel und gleichzeitig die Defektzone optimal auf (Abbildungen 7 bis 9). Der Heilungsverlauf war ungestört. Die mehrfachen postoperativen Kontrollen zeigten erfreulicherweise einen kompletten Fistelverschluss, sodass im Heimatkrankenhaus die Ileo-stomarückverlagerung durchgeführt werden konnte. Nach mittlerweile 4-jährigem Verlauf ist die Patientin tumorfrei und ohne Fistelrezidiv bei voller Stuhlkontinenz.


Abbildung 7: M. Gracilis-Transposition vom linken Oberschenkel.

Diskussion

Anorektale Fisteln nach lokalem Weichteilverlust und reduzierter Durchblutungssituation, bedingt durch Narbenbildung und radiogener Fibrosierung, stellen eine große chirurgische Herausforderung dar. Häufig sind mehrere Operationen mit dem Ziel des Fistelverschlusses vorausgegangen. Jeder fehlgeschlagene Fistelverschlussversuch führt zu einer zusätzlichen Fibrosierung und tendenzieller Vergrößerung des Fisteldurchmessers. Die seit 1950 beschriebene Grazilisplastik zur Behandlung von inkontinenten Kindern mit Analatresien (angeborene anorektale Fehlbildungen) wird seit ca. 30 Jahren zum Verschluss von komplexen anorektalen Fisteln angewandt. Der Vorteil der Grazilisplastik liegt in der generell sehr guten Durchblutungssituation eines Muskels und in der Defektauffüllung durch das Muskelvolumen. Die Transposition des M. gracilis stört nicht die Motilität und Kraft des betroffenen Beines, da die benachbarten kräftigeren Adduktoren den fehlenden Grazilismuskel im Normalfall kompensieren. Eine stimulierte Gracilisplastik führt zur Dauerkontraktion des analen Schließmuskels und unterstützt die Kontinenzleistung.

Zusammenfassung

Es gibt in der Literatur mehrere Fallserien zur Grazilisplastik bei komplexen und rezidivierenden anorektalen, rektovaginalen und rektourethralen Fisteln [2]. In einer eigenen Studie konnten kürzlich gute Langzeitergebnisse bei komplexen Fisteln und bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen gefunden werden (Tabelle 1).




Fall 3: Hämorrhoidalleiden

Fallvorstellung

Eine 41-jährige Patientin stellt sich wegen eines rezidivierenden analen Juckreizes in der proktologischen Sprechstunde vor. Anamnestisch berichtet die Patientin über Hämorrhoidalbeschwerden während der zweiten Schwangerschaft vor elf Jahren, die sich nach der Entbindung (Spontanpartus, kein Dammschnitt) vollständig zurückentwickelt hatten. Stuhlgang habe die Patientin jeden zweiten oder dritten Tag, abhängig von der Alltagssituation. Die täglichen Mahlzeiten werden unregelmäßig eingenommen, häufig greift sie zu Fast Food. Die tägliche Trinkmenge liegt bei 1,5 bis zwei Liter, dabei drei bis vier Tassen Kaffee und Cola-Getränke. Die Stuhlkonsistenz ist häufig hart, zur Stuhlentleerung ist ein vermehrtes Pressen über einen längeren Zeitraum erforderlich, wobei das Stuhlentleerungsgefühl nicht immer vollständig ist. Eine mechanische Unterstützung der Stuhlentleerung erfolgt nicht. Ab und zu finden sich hellrote Blutspuren am Toilettenpapier. Gelegentlich liegt eine Verschmutzung der Unterwäsche vor. In letzter Zeit bemerkte die Patientin ein zunehmendes Fremdkörpergefühl bei der Defäkation. Eine Koloskopie sei bei unauffälliger Familienanamnese noch nicht erfolgt.

Bei der Inspektion ist der Anus geschlossen, es findet sich bei 5:00 Uhr SSL eine große breitbasige Analmariske und eine diskrete perianale Rötung.

Die rektal-digitale Palpation zeigt einen kräftigen Ruhetonus mit altersentsprechender Kneifdruckreserve, ferner eine ventrale Rektozele Grad 1, tastbare Hämorrhoidalpolster, kein Blut am Fingerling.

In der Proktoskopie sieht man prominente Hämorrhoidalpolster betont bei 3:00 und 7:00 Uhr SSL, kontaktvulnerabel. Beim Pressversuch deutlicher Hämorrhoidenprolaps über die Anokutanlinie einschließlich Prolaps des Anoderms. Eine manuelle Hämorrhoiden-Reposition ist nach Proktoskopentfernung erforderlich.

Die Rektoskopie zeigt bis 12 cm ab ano unauffällige Schleimhautverhältnisse, keine Blutspuren von oral, kein Ulcus recti. Beim Pressversuch keine Invagination der Rektumwand (Intussuszep-tion) darstellbar.

Folgende Diagnose wird gestellt: Hämorrhoiden Grad 3 betont bei 3:00 und 7:00 Uhr SSL, Anodermprolaps, Obstipationsneigung. Eine Koloskopie zum Ausschluss einer höhergelegenen Blutungsquelle wird empfohlen.

Die operative Behandlung erfolgte mittels Staplerhämorrhoidopexie nach der Longo-Methode (Abbildungen 10 bis 14). Das Operationsziel ist die Reduktion der Hämorrhoidalpolster auf Normalgröße und die Refixierung des Anoderms.

Die Nachbehandlung und Beratung besteht aus Stuhlregulation zum Beispiel Flohsamenschalenpräparat (ein Esslöffel in 200 ml Wasser vor dem Frühstück). Veränderung der Trinkgewohnheiten (Reduktion des Kaffee- und Cola-konsums, Vermeidung gesüßter Getränke). Ernährungsberatung in Hinblick auf ballaststoffreiche, vollwertige Kostform.

Angeraten wurde ferner eine Änderung des Defäkationsverhaltens: Vermeiden der starken und langdauernden Bauchpresse, Stuhlentleerung nicht erzwingen. Optimierung der Tages- und Essensplanung. Regelmäßige Bewegung und sportliche Aktivität.

Diskussion

In Deutschland werden jährlich ca. 50.000 Hämorrhoidenoperationen durchgeführt. Je nach Hämorrhoidengröße (Tabelle 2) und Prolapsneigung werden Hämorrhoiden konservativ oder operativ behandelt. Wichtig ist die Abklärung einer höhergelegenen Blutungsquelle und der Ausschluss von Malignomen oder Polypen. Während kleinere Hämorrhoiden Grad 1/Grad 2 zum Beispiel mittels Sklerosierungstherapie oder Gummibandligaturen behandelt werden, ist bei drittgradigen Hämorrhoiden ein operatives Verfahren indiziert. Wir bevorzugen die Stapler-Hämorrhoido-
pexie nach Longo, die neben der Hämorrhoidenreduktion den begleitenden Anodermprolaps  bei nur geringen perioperativen Schmerzen beseitigt. Hämorrhoidensalben mildern die perianalen Hautirritationen, stellen allerdings keine kausale Hämorrhoidentherapie dar.



Merke

» Hämorrhoiden werden in vier Graden eingeteilt. Grad 1 und 2 werden üblicherweise konservativ behandelt.
» Bei Hämorrhoiden Grad 3 und 4 besteht eine Operationsindikation.
» Proximale Blutungsquellen, Dickdarmpolypen und Malignome müssen ausgeschlossen werden.
» Erhöhter intraabdomineller Druck, starkes Pressen und Obstipation fördern das Hämorrhoidenleiden.
» Eine Evaluierung der Stuhlgangsgewohnheiten und eine Ernährungsberatung ist notwendig.

Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-aerzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.

Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten haben, deren Interessen vom Manuskript positiv oder negativ betroffen sein könnten.

Autoren


Professor Dr. Alois Fürst


Dr. Gudrun Liebig-Hörl

Korrespondenzadresse:
Professor Dr. Alois Fürst,
Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thoraxchirurgie, Adipositasmedizin, Minimal Invasive Chirurgie,
Caritas-Krankenhaus St. Josef
Landshuter Straße 65
93053 Regensburg
Telefon 0941 782-3310
Fax 0941 782-3315

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