Koalitionsvertrag schwarz-orange

Dr. Gerald Quitterer Präsident der BLÄK

Am 20. November 2018 trat der Ministerrat zu seiner ersten Sitzung in der Münchner Staatskanzlei zusammen. Im Mittelpunkt der Beratungen stand die Vorbereitung der weiteren Umsetzung des Koalitionsvertrages.

Unter dem Titel „Für ein bürgernahes Bayern – menschlich, nachhaltig und modern“ heißt es da in der Koalitionsvereinbarung 2018 bis 2023 zwischen CSU und FREIE WÄHLER für die 18. Wahlperiode des Bayerischen Landtags: „4. Für eine menschliche Gesundheits- und Pflegepolitik“. Auf vier ganzen Seiten geht es um die künftige Gesundheitspolitik in Bayern. Ich bewerte den Abschnitt Gesundheitspolitik des Koalitionsvertrages grundsätzlich positiv, sehe aber auch Anlass für Kritik.

Erfreulich ist sicherlich das Bekenntnis zu einer flächendeckenden und wohnortnahen ärztlichen Versorgung. „Wir wollen, dass es in Bayern auch zukünftig überall gut ausgebildete Ärztinnen und Ärzte gibt.“ Auch die Ankündigung: „Wir werden die Mediziner-ausbildung durch die Umsetzung des Masterplans Medizinstudium 2020 an die aktuellen Erfordernisse anpassen. Wir erhöhen die Zahl der Studienplätze um über 2.000 Plätze. Für den Zugang zum Studium wollen wir eine Flexibilisierung und zusätzliche eignungsbezogene Zulassungskriterien, zum Beispiel eine Vorausbildung, baldmöglichst umsetzen“ lässt in dem Koalitionspapier aufhorchen. Die Ansagen: „Wir sorgen dafür, dass auch in den ländlichen Regionen Bayerns die medizinische Versorgung gesichert bleibt. Hierzu führen wir eine Landarztquote und eine neue Landarztprämie ein. Bei der Vergabe von Medizin-Studienplätzen schöpfen wir alle Möglichkeiten für eine Landarztquote aus. Das Landarztstipendium gewähren wir auch Fachärzten“, lesen sich wie ein Passus aus unserem ärztlichen Forderungskatalog.

Mit Skepsis lese ich hingegen: „Wir werden die Kommunen noch stärker in die Gesundheitsversorgung vor Ort einbeziehen. Wir wollen Kommunen dabei unterstützen, einen Beitrag für die medizinische Versorgung in ihrer jeweiligen Gemeinde zu leisten“, kennen wir doch bereits heute die Problematik, dass Kommunen eine Menge Geld in die Hand nehmen, um Vertragsarztsitze aufzukaufen. So konterkariert eine eigentlich gut gemeinte Idee die Versorgungsrealität und junge, niederlassungswillige Ärztinnen und Ärzte bleiben außen vor.

Weniger konkret wird das Ganze dann beim Thema Krankenhäuser: „Wir werden auch künftig flächendeckend eine qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung sicherstellen. Wir wollen unsere Krankenhausstrukturen erhalten und bedarfsgerecht weiterentwickeln. Wir setzen die Investitionsförderung auf Rekordniveau fort.“ Diese Vereinbarungen des Koalitionsvertrags müssen in den kommenden Monaten noch mit Leben gefüllt werden, bietet der Text doch viel Raum für Interpretationen, gerade bei der Investitionsförderung.

Das, was wir vor allem brauchen sind junge Leute, die in die Medizin und in die Pflege gehen. Sie benötigen Wertschätzung und die Anerkennung, dass sie ihre Aufgabe gut machen. Nicht aber kann die zukünftige Lösung sein, dass ärztliche Leistungen an die Pflege delegiert werden, da Pflege kein nichtärztlicher Assistenzberuf ist. Dem Grund nach käme allenfalls eine Delegation in Frage. Deshalb muss man aber, und das ist meine Botschaft an die Politik, in das Pflegeberufestärkungsgesetz im § 19 noch lange keine heilkundlichen Maßnahmen aufnehmen! Dies schreckt unseren ärztlichen Nachwuchs ab, den wir so dringend benötigen, wenn uns Ärztinnen und Ärzten immer wieder Tätigkeitsfelder entzogen werden.

Ich vermisse in dem „schwarz-orangen“ Programm aber die Stärkung der haus- und fachärztlichen Medizin. Haus- und Fachärzte sind die tragende Säule der ambulanten Versorgung. Dabei stehe ich zur Professionalisierung Pflege, denn sie bedeutet: Eigenverantwortlichkeit, Rückgriff auf disziplinäres Wissen (und das hat die Pflege jetzt im neuen Ausbildungskonzept) und methodische Reflexion des Handelns.

Für unsere ärztliche Ausbildung reklamierte ich in diesem Zusammenhang wiederholt eine akademisch-universitäre Ausbildung. Wir stehen in der Tat vor einem dramatischen Problem der gesunkenen Studienplatzzahlen (seit der deutschen Wiedervereinigung) bei einem zeitgleichen Wandel des Arztberufes angesichts der demografischen Entwicklung sowie neuer Arbeitsbiografien. Es obliegt dem Staat, akademische, universitäre Hochschulen mit Medizinischen Fakultäten in ausreichender Anzahl bereitzustellen und zu finanzieren. Dies ist sein Bildungsauftrag und Teil seiner Daseinsvorsorge. Wozu brauchen wir Universitäten und eine universitäre Medizinerausbildung? Weil wir in einem globalen Wettbewerb auf mehr und nicht weniger wissenschaftlich orientierten Inhalt und Fähigkeit zum Umgang mit sich überlagernden Themen setzen müssen. Universitäre Medizin kann zwar nicht alle Probleme ineffizienter Gesundheitssysteme, der Demografie sowie der Urbanisierung und Globalisierung lösen, die Einheitlichkeit unseres Berufsstandes sollten wir jedoch angesichts dieser Herausforderungen nicht darangeben!

Mit diesem Gedanken, liebe Kolleginnen und Kollegen, wünsche ich – sowie meine Kollegen Vizepräsidenten Dres. Andreas Botzlar und Wolfgang Rechl – Ihnen, Ihren Familien und Ihren Freunden zum Jahresausklang ein schönes, friedvolles und harmonisches Weihnachtsfest und ein glückliches, erfolgreiches und gesundes neues Jahr 2019.

Autor
Dr. Gerald Quitterer, Präsident der BLÄK

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