Die Zukunft der kommunalen Krankenhäuser kann beginnen

Dr. med. Andreas Botzlar Vizepräsident der BLÄK

Nach drei Monaten zähen Ringens waren die nun abgeschlossenen Tarifverhandlungen im März zunächst daran gescheitert, dass die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) nicht einmal bereit war, dem Marburger Bund die tatsächliche Geltung des von und mit ihm abzuschließenden Tarifvertrages zuzusichern. Ein starkes Stück, wenn man bedenkt, dass die Möglichkeit zu einer – juristisch so genannten – Abbedingung für das Bundesverfassungsgericht im Juli 2017 der zentrale Grund gewesen war, das ebenso unnötige, wie im Sinne seiner ursprünglichen Intention, wirkungslose Tarifeinheitsgesetz nicht zu kassieren.

Die zurückliegenden Wochen haben durch öffentliche Kundgebungen sehr deutlich gezeigt, wie wichtig insbesondere jüngeren angestellten Ärztinnen und Ärzten Arbeitsbedingungen sind, die sie nicht krank machen oder sozial deprivieren, die ihnen ein geordnetes gesellschaftliches Leben erlauben und unter denen die Bedürfnisse der Patienten im Mittelpunkt ihres ärztlichen Handels stehen.

Die nun gefundenen Regelungen werden – selbst wenn einige von ihnen erst mit Beginn des übernächsten Jahres umgesetzt werden – hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Dieser lange Umsetzungszeitraum mag als schmerzlich empfunden werden, trägt aber dem Umstand Rechnung, dass die in den Krankenhäusern erforderlichen Umstrukturierungen eines zeitlichen Vorlaufs bedürfen. Anders als bisher viel zu oft, müssen die Krankenhäuser diese eineinhalb Jahre aber auch nutzen und dürfen sie nicht in aktiver Untätigkeit verstreichen lassen!

Bis zuletzt war es am schwierigsten, die VKA davon zu überzeugen, dass auch Ärztinnen und Ärzte regelmäßig freie Wochenenden brauchen. Vom Grundsatz her konnte diese Hürde genommen werden: Ärztinnen und Ärzte haben zukünftig an zwei Wochenenden im Monat frei. Schwer verständlich bleibt, warum von Arbeitgebern oft der bürokratische Aufwand tariflicher Regelungen beklagt wird, die VKA aber darauf besteht, dass aus Gründen der anders nicht zu gewährleistenden Patientensicherheit nicht gewährte freie Wochenenden eines Kalenderhalbjahres des Antrags der Anspruchsberechtigten bedürfen, um im Folgehalbjahr gewährt zu werden. Ein Automatismus wäre bürokratisch deutlich weniger aufwendig. Oder sollte es am Ende darum gehen, dass möglichst viele Ärztinnen und Ärzte – aus welchem Grund auch immer – ihren Anspruch verfallen lassen? Honi soit qui mal y pense. Keine Sorge: die Ärztinnen und Ärzte werden ihre Ansprüche einfordern!

Begrenzt wird im Grundsatz auch die Anzahl der Bereitschaftsdienste: mehr als durchschnittlich vier im Monat werden nur noch zulässig sein, wenn andernfalls die Patientensicherheit gefährdet wird. Zudem wird dann bei mehr als durchschnittlich vier Diensten ein Zuschlag von jeweils 10 Prozent auf die Vergütung, bei mehr als durchschnittlich fünf Diensten ein Zuschlag von weiteren 10 Prozent und so fort auf jeweils diese Dienste fällig. Krankenhäuser sollen sich in diesem Zusammenhang sehr gut überlegen, inwieweit die Überlastung von Ärztinnen und Ärzten die Patientensicherheit gefährdet. Die andernfalls gefährdete Patientensicherheit darf jedenfalls nicht die Standardbegründung für unzureichende Personalvorhaltung werden.

Als weiterer echter Fortschritt wird sich der Grundsatz erweisen, wonach die Anwesenheit im Krankenhaus als Arbeitszeit anzusehen ist. Was auf den ersten Blick wie eine Selbstverständlichkeit wirkt, ist bisher nicht der Fall. Insbesondere jenseits der Regelarbeitszeit müssen viele Ärztinnen und Ärzte beweisen, dass sie nicht nur anwesend waren, sondern auch tatsächlich gearbeitet haben. Wer nach einem guten Beispiel für eine Misstrauens(un)kultur sucht, wird hier trefflich fündig. Grundlage hierfür wird eine Zeitdokumentation, welche die Wirklichkeit präzise abbildet. Nachträgliche Erfassungen – egal ob auf Papier oder elektronisch – werden das jedenfalls nicht leisten. Bedurfte es erst des kürzlich ergangenen Urteils des Europäischen Gerichtshofes um zu begreifen, dass sich allfällige Überstunden ebenso wie die Einhaltung von Höchstarbeitszeitgrenzen und Mindestruhezeiten nur dann nachvollziehen lassen, wenn die gesamte Arbeitszeit tatsächlich erfasst ist? Warum wird vor dem Hintergrund der heutigen Leistungsfähigkeit von Computern und Programmen hier (wiederum) der bürokratische Aufwand beklagt? Zugegeben: es ist einfacher, Leistungen unter den Tisch fallen zu lassen, wenn sie nachträglich erfasst werden. Kein Arbeitgeber will und soll Arbeit bezahlen, die nicht erbracht wurde. Umgekehrt muss aber ebenso gelten: kein Arbeitnehmer will und soll Arbeit leisten, die nicht bezahlt wird. Dieser Grundsatz muss endlich auch für Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus Geltung haben!

Für die größte Gruppe unter den angestellten Ärztinnen und Ärzten – also jenen an kommunalen Krankenhäusern in Deutschland – gibt es einen grundlegend verbesserten Tarifvertrag. Dies war überfällig. Der rückwirkend zum Beginn dieses Jahres in Kraft tretende Tarifvertrag erlaubt den kommunalen Krankenhäusern ihre Zukunftssicherung als attraktiver Arbeitgeber. Diese Chance sollten sie nutzen!

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