Die besten Lösungen kommen aus der Praxis

Wenn Demokratie ein Fundament hat, dann ist die ärztliche Selbstverwaltung einer ihrer tragenden Pfeiler – besonders in Bayern. Hier hat das Prinzip der Selbstbestimmung eine lange Tradition, verankert im bayerischen Heilberufe-Kammergesetz (HKaG). Dieses Fundament lebt, wenn die Ärztinnen und Ärzte es aktiv stützen.
Gerade jetzt, in Zeiten gesellschaftlicher Spannungen, wachsender Reformdynamik und schwindenden Vertrauens in staatliche Strukturen, zeigt sich, wie wertvoll dieses Modell ist. Ohne Beteiligung der Ärzteschaft bliebe Gesundheitspolitik ein technokratisches Projekt. Mit Beteiligung wird sie zu gelebter Demokratie – verantwortungsvoll, patientennah und aus der Praxis heraus gestaltet.
Demokratische Selbstverwaltung lebt von Beteiligung, Diskurs und der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Sie beruht auf der Überzeugung, dass die besten Lösungen aus der Praxis kommen, und nicht aus der Ferne.
Selbstverwaltung als Fundament
Die ärztliche Selbstverwaltung ist gelebte Demokratie. Sie ermöglicht es, dass Ärztinnen und Ärzte über die Rahmenbedingungen ihres Handelns selbst entscheiden: durch gewählte Vertreterinnen und Vertreter, durch Kammerarbeit und durch aktive Beteiligung an berufspolitischen Prozessen.
Dabei nimmt die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) nach dem HKaG eine Schlüsselrolle ein. Sie vertritt die beruflichen Belange und Interessen, regelt Fort- und Weiterbildung, wacht über die Einhaltung der Berufspflichten und wirkt an der Sicherstellung der Versorgung mit. Damit verbindet sie die Selbstbestimmung der Profession mit einem gesetzlichen Auftrag im Interesse der Patientinnen und Patienten sowie der gesamten Gesellschaft.
Selbstverwaltung ist kein Selbstzweck. Sie ist Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige, ethisch fundierte und patientenzentrierte Versorgung. Gerade in Zeiten, in denen politische Entscheidungen zunehmend unter ökonomischem Druck stehen, wird sie zum Bollwerk gegen Fremdbestimmung. Sie schützt die ärztliche Unabhängigkeit, sichert Versorgungsqualität und ermöglicht Innovationen aus der Profession heraus – nicht über sie hinweg.
Selbstverwaltung als Gestaltungsort
Selbstverwaltung bedeutet für die Ärzteschaft nicht nur Verantwortung, sondern auch Schutz und Gestaltungsspielraum. Sie garantiert berufliche Unabhängigkeit und bewahrt vor einer einseitigen Fremdbestimmung durch Politik oder ökonomische Interessen.
Darüber hinaus schafft sie Verlässlichkeit im Alltag: klare Weiterbildungsstrukturen, einheitliche Berufsordnungen, transparente Regeln für die Berufsausübung. Ärztinnen und Ärzte wissen, dass sie auf Standards vertrauen können, die von der Profession für die Profession entwickelt wurden.
Nicht zuletzt ist Selbstverwaltung ein Forum der kollegialen Mitgestaltung. Wer sich einbringt, findet hier die Möglichkeit, die Zukunft des eigenen Berufs aktiv zu beeinflussen – vom Ausbildungscurriculum über Fragen der Ethik bis hin zur Sicherstellung der Versorgung. Die ärztliche Selbstverwaltung ist nur so stark wie ihre Mitglieder. Sie braucht Engagement, kritische Reflexion und den Willen zur Mitgestaltung. Wer sich einbringt, gestaltet mit. Und wer gestaltet, übernimmt Verantwortung.
Berufspolitische Herausforderungen
Die gesundheitspolitische Agenda zeigt deutlich, wie unverzichtbar die ärztliche Stimme ist. Die notwendige Reform der Approbationsordnung ist unbestritten doch die Umsetzung bleibt unklar. Ohne verlässliche Finanzierung und klare Zuständigkeiten droht weiterhin Stillstand. Hier muss die ärztliche Selbstverwaltung als Garant für Qualität und Praxisnähe wirken.
Die Debatte um das vom Deutschen Ärztetag 2024 geforderte Primärarztsystem dreht sich im Kreis. Dabei besteht Einigkeit, dass die weiterhin ungebremste Inanspruchnahme des Gesundheitswesens nicht mehr finanzierbar ist. Da helfen Angebote gesundheitsdienstlicher Leistungen in Apotheken nicht weiter und auf gar keinen Fall die in Drogeriemärkten geplanten Haut-, Augen oder Laboruntersuchungen, die fernab einer partizipativen Entscheidungsfindung zwischen Arzt und Patienten stattfinden. Hier werden rote Linien überschritten, die die Ärzteschaft im Sinne der Patientensicherheit nicht mittragen kann.
Besonders kritisch ist die zunehmende Kommerzialisierung durch investorengetragene Medizinische Versorgungszentren. Renditeorientierte Strukturen gefährden die flächendeckende Versorgung und die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen. Notwendig sind gesetzliche Begrenzungen, Transparenzpflichten und eine Rückbesinnung auf die Versorgungslogik.
Gesetzesinitiativen und Reformdruck
Die politische Lage ist geprägt von Reformdruck und einer Vielzahl komplexer Gesetzesinitiativen. Die geplante Notfallreform mit der Einführung Integrierter Notfallzentren soll zwar die Patientensteuerung verbessern und Notaufnahmen entlasten, doch ohne Einbindung ärztlicher Expertise droht eine Fehlsteuerung.
Gleiches gilt für die Krankenhausreform, für die Entwicklung einer sektorenübergreifenden Versorgung, für die Digitalisierung und nicht zuletzt die Krisenfestigkeit unseres Gesundheitswesens. Diese Felder lassen sich nicht ohne die Perspektive der Ärzteschaft gestalten. Die ärztliche Selbstverwaltung ist dabei keine Bremserin, sondern Brückenbauerin – zwischen Politik, Praxis und Patient.
Ohne Ärzteschaft geht es nicht
Die Herausforderungen sind groß: Reformen müssen umgesetzt, Fehlentwicklungen korrigiert, neue Wege gestaltet werden. Doch eines ist klar – ohne die Ärzteschaft geht es nicht. Seit fast einem Jahrhundert bildet das Bayerische Ärztegesetz von 1927 das Fundament einer berufsständischen Ordnung, die auf dem Prinzip der funktionalen Selbstverwaltung basiert. Es war ein Meilenstein – ein Ausdruck des Vertrauens in die Fähigkeit der Ärztinnen und Ärzte, staatliche Aufgaben im Bereich der Gesundheitsversorgung eigenverantwortlich, effizient und gemeinwohlorientiert wahrzunehmen. Die gesetzlich verankerte Mitgliedschaft aller Ärztinnen und Ärzte in der BLÄK ist bis heute Ausdruck dieses Vertrauens. Sie sichert eine qualitätsgesicherte und ethisch fundierte ärztliche Versorgung – getragen von einer demokratisch legitimierten Institution, die im Auftrag der Gesellschaft handelt: unabhängig, verantwortungsbewusst und mit Haltung.
Jetzt gilt es, die anstehenden Aufgaben mit Mut und Entschlossenheit anzupacken. Für unsere Patientinnen und Patienten. Für unsere Profession. Für unsere Demokratie.
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