Ärztetag in der Freiheitshalle

Auftaktveranstaltung 80. Bayerischer Ärztetag in Hof

Ein außergewöhnliches Erscheinungsbild, ein durchdachtes und sehr großzügiges Raumkonzept – das ist die Freiheitshalle in Hof, Austragungsort des 80. Bayerischen Ärztetags – trotz anhaltender pandemischer Lage.


Univ.-Professor Dr. Dr. med. habil. Dr. phil. Dr. theol. h. c. Eckhard Nagel, Eva Döhla, Dr. Gerald Quitterer und Klaus Holetschek (v. li.).

Dank an Ärztinnen und Ärzte

Hofs Oberbürgermeisterin Eva Döhla (SPD) betonte in ihrer Grußadresse die gute Zusammenarbeit mit den Ärztinnen und Ärzten in der Pandemie und sprach den Medizinern ihren außerordentlichen Dank aus. Es sei nochmal deutlich geworden, welche Bedeutung eine gute Gesundheitsversorgung habe. Abseits der Pandemie müssten Antworten gefunden werden, wie die flächendeckende Versorgung aufrechterhalten werden könne. Kreative Ideen und Aktionen zur Niederlassungsförderung, wie beispielsweise das Programm „Superhelden“, zeigte erste Erfolge.


Eva Döhla (SPD) begrüßte die Gäste im Namen der Stadt Hof.

Mut für Veränderungen

Auch Klaus Holetschek, Bayerischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege, dankte eingangs den bayerischen Ärztinnen und Ärzten für „die großartige Unterstützung in der Pandemie“, für das Geleistete und sprach von einer Allianz, die zwischen allen Beteiligten im Gesundheitswesen entstanden sei. Nach der Pandemie brauche es „Mut für Veränderungen“. Eine Lehre aus Corona müsse sein, dass die Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung, die seit Jahren wichtiges Thema ist, besser umgesetzt werden müsse. Das Versorgungsmodell, das in Bayern grundsätzlich gut funktioniert, seien Belegärzte und Beleg­abteilungen der Krankenhäuser. Zu den MVZ äußerte sich der Minister kritisch: „MVZ wachsen dynamisch.“ Der Einfluss von Finanzinvestoren berge Risiken, dass es zu Monopolisierungs­tendenzen kommen könne. Dies gelte besonders für investorengetragene Medizinische Versorgungszentren (iMVZ). Die MVZ bieten vielfältige Vorteile, allerdings auch Risiken: Möglichkeit der Beteiligung renditeorientierter Finanzinvestoren und sie nehmen Einfluss auf die Versorgung. Zur Digitalisierung sagte Holetschek: „Die Pandemie hat deutlich gemacht, bei Digitalisierung in Gesundheit und Pflege müssen wir noch gewaltig anpacken. Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten und Chancen! Und eines ist klar: Pflege und Gesundheit werden uns auch nach der Pandemie noch sehr beschäftigen.“ Erleichterung von Arbeitsabläufen und kein Mehraufwand für Ärzte müsse dabei herauskommen. Patienten und Ärzte sollten davon profitieren. Der Gesundheitsminister thematisierte die Medizinstudienplätze und zeigte auf, dass Bayern jährlich 350 neue Plätze schafft. Auch sprach Holetschek die Förderprogramme im ländlichen Raum, die Landarztprämie, das Stipendienprogramm für Medizinstudierende sowie die Landarztquote, an.



Rund 250 Gäste aus Politik, Medizin, Gesundheitswesen und Wirtschaft nahmen an der Eröffnung des Ärztetags teil.

Begriff der Priorisierung

„Priorisierung orientiert sich an Schutzbedürftigkeit“, titelte der Impulsvortrag von Univ.-Professor Dr. Dr. med. habil. Dr. phil. Dr. theol. h. c. Eckhard Nagel, Universität Bayreuth, Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften. Zu Beginn der COVID-19-Pandemie mangelte es an Masken, Schutzkleidung und Tests, danach an Impfstoffen. „Wo medizinische Ressourcen knapp sind, müssen wir Ärztinnen und Ärzte priorisieren. Das verunsichert und weckt Misstrauen bei den Menschen“, sagte Nagel und berichtete nebenbei von persönlichen Gesprächen, in denen es immer wieder um die Angst vor einem Behandlungsausschluss ging. Dabei gehöre Priorisierung längst zum ärztlichen Alltag, beispielsweise in der Transplantationsmedizin. Die Pandemie konfrontiere uns erstmalig in den zurückliegenden 70 Jahren mit einem Thema, das eigentlich in den klassischen Strukturen unserer Sozialgesetzgebung nicht vorgesehen sei. Die SARS-CoV-2-Pandemie habe sich mit ihren Bildern des Ressourcenmangels, der Knappheit an Versorgungsmöglichkeiten und der Dramatik der Überforderung fest in unsere Köpfe eingebrannt. Das gelte materiell und personell.

Nagel führte aus, dass der Begriff der Priorisierung in Deutschland unverändert negativ konnotiert sei. Grund sei das wiederholt geäußerte Missverständnis, dass die Bestimmung von Vorrangigkeit einer ethisch nicht akzeptablen Vernachlässigung anderer Notwendigkeiten entspreche. Das sei aber nicht so. Priorisierung beschreibe eine reflektierte und begründete Ordnung von Behandlungsfällen, Patienten(-gruppen) und Interventionen, die darauf abziele, eine gerechte Verteilung auch in Mangelsituationen zu erreichen. So folge zum Beispiel das Absagen oder Aufschieben elektiver Operationen zugunsten der Verfügbarkeit intensivmedizinischer Kapazitäten für die Behandlung von schwer erkrankten COVID-19-Patienten – wie es in Deutschland in den zurückliegenden Monaten praktiziert worden sei – der Logik einer systematisch vorbereiteten Priorisierung (mehr dazu lesen Sie auf Seite 522 f.).

Einen weiteren Glanzpunkt der Ärztetags-Eröffnung stellte die Ehrung von Professor Dr. ­Michael von Cranach mit der Paracelsus-Medaille der Bundesärztekammer dar. Stellvertretend für den Präsidenten der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, überreichte der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK), Dr. Gerald Quitterer, die Auszeichnung an den hochverdienten ­Psychiater (ausführliche Laudatio: Bayerisches Ärzteblatt 6/2021, Seite 281).


Professor Dr. Michael von Cranach erhielt die Paracelsus-Medaille der Bundesärztekammer.

Leistungsfähiges Gesundheitswesen

In seinem Schlusswort nahm BLÄK-Präsident Quitterer das Auditorium zunächst auf eine Gedankenreise mit: „Das Gesundheitssystem beim Arzt“ (siehe Seite 524 f.). „Unser solidarisch getragenes und weltweit anerkanntes Gesundheitssystem ist leistungsfähig, wie wir es, nicht zuletzt auch während der Pandemie, erleben“, so Quitterer weiter. Es geht dem Präsidenten um den Erhalt des Gesundheitssystems, das sich über Jahre hinweg bewährt habe. Natürlich brauche es Verbesserungen und Reformen, aber nicht dergestalt, dass man das System aufbricht oder Sektorengrenzen einreißt. „Was sich bewährt hat, erhalten, und das, was sich nicht bewährt hat, verbessern, statt es zu ersetzen. Es bedarf einer gemeinsamen Reflektion vor allem mit denen, die in der Versorgung tätig sind und nicht mit Experten in den Hinterzimmern!“, so Quitterers Credo. Von der künftigen Regierung forderte Quitterer, sich für den Erhalt unseres Gesundheitssystems einzusetzen und die bewährten Strukturen auszubauen, die notwendigen Reformen zu finanzieren und zusammen mit der Ärzteschaft weiterzuentwickeln. Damit war der 80. Bayerische Ärztetag eröffnet und klang noch bei einem gemeinsamen „Get-together“ im weitläufigen Foyer der Freiheitshalle aus.



Das Bläser-Quintett der Hofer Symphoniker begleitete die Eröffnung.

Musikalisch begleitet wurde die feierliche Eröffnungsveranstaltung vom Bläser-Ensemble der „Hofer Symphoniker“ unter der Leitung von Alan Korck. Das „Atrium Quintett“ spielte die Stücke Trois pièces brèves (Jaques Ibert), Antiche Danze Ungheresi (Ferenc Farkas), Bläserquintett Es-Dur (Anton Reicha) und Five Easy Dances (Denes Agay) und sorgte mit dieser Programmauswahl für eine beschwingte Stimmung im Festsaal.


Autor

Dagmar Nedbal (BLÄK)

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