S3-Leitlinie: Unkomplizierte Harnwegsinfektionen

Harnwegsinfektionen

Unkomplizierte Harnwegsinfektionen, am häufigsten durch die Erregerspezies Escherichia coli verursacht, zählen zu den häufigsten Infektionen und führen daher fachübergreifend zu einem hohen Antibiotikaverordnungsvolumen. Das höchste Antibiotikaverordnungsvolumen nach Tagesdosen pro Arzt weisen HNO- und Kinderärzte auf, gefolgt von Urologen, Haut- und Hausärzten [1].

Das Resistenzniveau von Erregern unkomplizierter Harnwegsinfektionen, vor allem Gram-negativer Erreger ist in den vergangenen Jahren signifikant gestiegen. Zudem ist bekannt, dass verschiedene Antibiotikasubstanzen einen unterschiedlichen Selektionsdruck auf die an der Infektion beteiligten bakteriellen Erreger ausüben, aber auch auf die nicht an der Infektion beteiligte Standortflora. Antibiotikaresistenzen stellen daher ein steigendes globales Problem dar, das zu erheblichen Herausforderungen und Kosten im Gesundheitssystem führt [1-4].

Ziele der aktualisierten Leitlinie

Die aktualisierte S3-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich Medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) mit ihren auf aktueller wissenschaftlicher Evidenz sowie konsentierten Expertenmeinungen basierenden Empfehlungen und Statements verfolgt daher das Ziel, einen rationalen Einsatz antimikrobieller Substanzen bei Harnwegsinfektionen zu forcieren, einen unangemessenen Einsatz bestimmter Antibiotikaklassen und damit die Entwicklung von Resistenzen zu vermeiden. „Antibiotic-Stewardship-Aspekte“ haben die therapeutischen Empfehlungen der Leitlinie wesentlich geprägt. Eine breite Implementierung in alle behandelnden Fachgruppen ist notwendig, um eine vorausschauende Antibiotikapolitik zu gewährleisten und damit eine Versorgungsverbesserung zu erzielen.

An wen richtet sich die aktualisierte Leitlinie?

Diese Leitlinie richtet sich damit an alle Arztgruppen, die sich mit der Diagnose, Therapie und Prävention akuter unkomplizierter Harnwegsinfektionen befassen.

Wie erfolgte die Leitlinien-Aktualisierung?

Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) war federführend bei der Aktualisierung der interdisziplinären Leitlinie. Auf eine Finanzierung durch die pharmazeutische Industrie wurde bewusst verzichtet, Themen und Inhalte der Leitlinie wurden so in keiner Weise beeinflusst. Die vollständige konsentierte S3-Leitlinie hat eine Gültigkeit bis 2022 und steht auf der Webseite der AWMF und anderen beteiligten Gesellschaften zum kostenlosen Herunterladen in Kurz- und Langversion zur Verfügung [5]. Die Leitlinienarbeitsgruppe setzt sich aus Vertretern der beteiligten Fachgesellschaften zusammen: DGU, UroEvidence(at)Deutsche Gesellschaft für Urologie, Berlin, Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM), Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI), Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG), Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL), ICA-Deutschland e. V., Förderverein Interstitielle Zystitis (ICA), Arbeitskreis Krankenhaus- und Praxishygiene der AWMF sowie dem Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA).

Die Empfehlungsgrade (je nach Stärke der Empfehlung: soll/soll nicht, sollte/sollte nicht, kann) wurden von den Mitgliedern der Leitliniengruppe unter Bezugnahme auf die Einteilung nach Abbildung 1 ausgesprochen.


Abbildung 1: Von der Evidenz zur Empfehlung – Visualisierung der klinischen Beurteilung als Prozess der kriteriengestützten Konsensus-Entscheidung.

Wesentliche Neuerungen der aktualisierten S3-Leitlinie

» Überarbeitete Empfehlungen zur antibiotischen Therapie unkomplizierter Harnwegsinfektionen. Diese erweitern einerseits das therapeutische Spektrum durch die Aufnahme neuer Antibiotika, gleichzeitig verstärken sie die Empfehlungen gegen den unkritischen Einsatz nicht indizierter Reserveantibiotika (insbesondere der Fluorchinolone und Cephalosporine).

» Die Empfehlung zur symptomatischen Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfektionen konnten aufgrund neuer Evidenz bestärkt werden.

» Mögliche Kollateralschäden durch unterschiedliche Antibiotika sind umfangreicher dargestellt und wurden in den Empfehlungen explizit berücksichtigt.

» Die Bedeutung einer asymptomatischen Bakteriurie bei Schwangeren konnte durch neue Studien differenzierter dargestellt werden.

» Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und Prophylaxe (nicht antibiotische- und antibiotische Maßnahmen) rezidivierender Harnwegsinfektionen wurden implementiert.


Welche Patientengruppen sollten voneinander unterschieden werden?

Patientengruppen mit unkomplizierten Harnwegsinfektionen (wichtige Definitionen der Leitlinie siehe Infokasten) sollten hinsichtlich Diagnostik, Therapie und Prävention unterschieden werden:

» Nicht-schwangere Frauen in der Prämenopause ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen (Standardgruppe),

» Schwangere ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen,

» Frauen in der Postmenopause ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen,

» Jüngere Männer ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen,

» Patienten mit Diabetes mellitus und stabiler Stoffwechsellage ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen.

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Wie diagnostiziere ich eine unkomplizierte Harnwegsinfektion?

Trotz ihrer Häufigkeit und Bedeutung in der täglichen Praxis stellt die korrekte Diagnose einer behandlungsbedürftigen Harnwegsinfektion eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Die Sicherung der Diagnose allein aufgrund klinischer Kriterien ist mit einer Fehlerquote von bis zu einem Drittel behaftet [6, 7]. Nur die Durchführung einer Urinkultur mit Bestimmung auch niedriger Erregerzahlen, Differenzierung und Empfindlichkeitsprüfung, könnte in der Zusammenschau mit den klinischen Symptomen die diagnostische Ungenauigkeit verringern (Goldstandard). Eine solche Maximaldiagnostik bei nicht selektierten Patienten ist jedoch weder ökonomisch sinnvoll [8], noch im Alltag praktikabel.

Praktisch (außerhalb von Studien) ist eine möglichst präzise Diagnose kein Selbstzweck, sondern dient zur Therapieentscheidung. Diese soll einerseits den individuellen Patienten vor Komplikationen schützen und Symptome beheben, andererseits das Risiko einer Übertherapie mit unnötiger Induktion von Resistenzen minimieren. Indikationen für die Durchführung einer Urinkultur sind Abbildung 2 zu entnehmen.


Abbildung 2: Entscheidungsbaum – Diagnostik und Therapie bei symptomatischen Patienten (klinisch-mikrobiologischer Diagnostikpfad).

Empfohlen werden daher – je nach Patientengruppe – spezifische diagnostische Strategien, da sich Art und Häufigkeit von Komplikationen in einzelnen Patientengruppen unterscheiden. Im Folgenden werden nur die Statements/Empfehlungen für die Standardgruppe genannt (nicht schwangere Frauen in der Prämenopause). Für die anderen definierten Patientengruppen sind die aktuellen Empfehlungen und Statements der Leitlinie zu entnehmen.

Eine einmalige moderate bis starke Hämaturie (sichtbares Blut im Urin) kommt bei ca. 20 Prozent der Patientinnen beim Vorliegen einer hämorrhagischen unkomplizierten Zystitis vor. Trotzdem kann es sich dabei um eine unkomplizierte Zystitis handeln, wenn die sonstigen Kriterien dafür erfüllt sind.

Nicht schwangere Frauen in der Prämenopause (Standardgruppe)

Diagnostik der akuten unkomplizierten Zystitis
Bei Frauen, die keine Risikofaktoren für komplizierte Harnwegsinfektionen aufweisen, typische Symptome (Schmerzen beim Wasserlassen, Pollakisurie, imperativer Harndrang) beklagen, keine vaginalen Beschwerden (Juckreiz, veränderter Ausfluss) haben, bei denen kein Fieber und kein Flankenschmerz vorliegt, kann das Vorliegen einer unkomplizierten Zystitis mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden (Evidenzgrad – EG – IIa). Eine Urinkultur ist bei Frauen mit eindeutiger klinischer Symptomatik einer unkomplizierten, nicht rezidivierenden oder therapierefraktären Zystitis nicht erforderlich. Bei der Erstmanifestation einer akuten Harnwegsinfektion oder, falls die Patientin dem Arzt nicht bekannt ist, sollte daher eine Anam-nese und gegebenenfalls eine symptombezogene ärztliche Untersuchung erfolgen (EG V-B). Mit dem validierten Fragebogen ACSS (Acute Cystitis Symptom Score) [9, 10] kann aufgrund klinischer Kriterien die Diagnose einer unkomplizierten Zystitis mit hoher Sicherheit gestellt, der Schweregrad der Beschwerden eingeschätzt, der Verlauf beobachtet und der Therapieeffekt messbar gemacht werden (EG IIb).

Diagnostik der akuten unkomplizierten Pyelonephritis
Bei Verdacht auf eine akute unkomplizierte Pyelonephritis, also dem Vorliegen von zum Beispiel Flankenschmerz, einem klopfschmerzhaften Nierenlager und/oder Fieber (> 38 °C) folgt die Anamnese den allgemeinen Grundsätzen. Zusätzlich soll eine körperliche Untersuchung und Urinuntersuchung einschließlich Kultur durchgeführt werden (EG V-A). Zudem sollen zum Ausschluss von komplizierenden Faktoren weitergehende Untersuchungen (zum Beispiel Sonografie) erfolgen (EG V-A).

Diagnostik der asymptomatischen Bakteriurie
Bei nicht schwangeren Frauen ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen soll kein Screening auf eine asymptomatische Bakteriurie erfolgen (EG Ia-A).

Diagnostik rezidivierender Harnwegsinfektionen
Bei Patientinnen mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen sollte eine Urinkultur und einmalig eine Sonografie erfolgen. Eine weitere invasive Diagnostik sollte nicht erfolgen (EG Ib-B). Jedoch sollten bei Patientinnen mit einer persistierenden Hämaturie oder persistierendem Nachweis von anderen Erregern als Escherichia coli weitere Untersuchungen zum Beispiel Urethrozystoskopie sowie eine weitere Bildgebung erfolgen (EG V-B).

Wie behandle ich eine unkomplizierte Harnwegsinfektion?

Im Folgenden werden nur die Therapieempfehlungen für die Standardgruppe genannt (nicht-schwangere Frauen in der Prämenopause). Für die anderen definierten Patientengruppen sind die aktuellen Empfehlungen und Statements der Leitlinie zu entnehmen.

 

Behandlung der akuten unkomplizierten Zystitis (Standardgruppe)
Die Spontanheilungsraten der akuten unkomplizierten Zystitis sind hoch und liegen nach einer Woche bei etwa 30 bis 50 Prozent. Bei der Therapie geht es deshalb im Wesentlichen darum, die klinischen Symptome rascher zum Abklingen zu bringen. In den wenigen placebokontrollierten Studien konnte gezeigt werden, dass mit einer Antibiotikatherapie im Vergleich zu Placebo die Symptome signifikant rascher abklingen [11]. In einer aktuellen Studie von Gágyor et al. [13] wurde der Effekt einer primär symptomatischen Behandlung mit Ibuprofen mit einer sofortigen antibiotischen Behandlung verglichen. Etwa zwei Drittel der Patientinnen mit der rein symptomatischen Behandlung haben kein Antibiotikum benötigt [12]. Vor diesem Hintergrund kann Patientinnen mit einer akuten unkomplizierten Zystitis eine nicht-antibiotische Behandlung angeboten werden. Bei der Entscheidung für eine Therapie sollten die Präferenzen der Patientinnen angemessen berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für die primär nicht-antibiotische Behandlung, die mit der Inkaufnahme einer höheren Symptomlast einhergehen kann. Eine partizipative Entscheidungsfindung mit den Patientinnen ist notwendig.

Management der asymptomatischen Bakteriurie
Für die Therapie der asymptomatischen Bakteriurie ergeben sich folgende Aspekte: Bei Patienten, die sich einer erwartungsgemäß schleimhauttraumatisierenden Intervention im Harntrakt unterziehen müssen, erhöhen asymptomatische Bakteriurien das Infektionsrisiko. Deshalb soll in diesen Fällen nach einer asymptomatischen Bakteriurie gesucht und diese gegebenenfalls behandelt werden [13]. Die Evidenz liegt vor allem für die transurethrale Prostataresektion vor. Bei Eingriffen mit niedrigem Risiko, wie zum Beispiel flexibler Urethrozystoskopie, gibt es keine derartige Evidenz.

Kazemier et al. zeigten, dass sich das Risiko für eine Harnwegsinfektion bei Schwangeren mit einer nicht oder mit Placebo behandelten asymp-tomatischen Bakteriurie von ca. 7,9 Prozent auf 20,2 Prozent erhöht (Pyelonephritis von 0,6 Prozent auf 2,4 Prozent) [14]. Bei den nicht therapierten Patientinnen wurde das Risiko für eine Frühgeburt durch eine asymptomatische Bakteriurie jedoch nicht erhöht [15].

Aspekte der Antibiotikatherapie
Bei der Auswahl eines Antibiotikums sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:

» individuelles Risiko des Patienten,

» Erregerspektrum und Antibiotikaempfindlichkeit,

» Effektivität der antimikrobiellen Substanz,

» unerwünschte Arzneimittelwirkungen,

» Auswirkungen auf die individuelle Resistenzsituation beim Patienten (Kollateralschaden) und/oder die Allgemeinheit (epidemiologische Auswirkungen),

» Beachtung der Grundprinzipien eines rationalen Einsatzes von Antibiotika (Antibiotic Stewardship – ABS). Hierunter werden Strategien bzw. Maßnahmen verstanden, die die Qualität der Antiinfektivabehandlung bezüglich Auswahl, Dosierung, Applikation und Anwendungsdauer sichern, um das beste klinische Behandlungsergebnis unter Beachtung einer minimalen Toxizität für den Patienten zu erreichen.

Aus der Gruppe der für die Therapie der unkomplizierten Zystitis prinzipiell geeigneten oralen Antibiotika bzw. Antibiotikaklassen – Amino-penicilline in Kombination mit einem Betalaktamase-Inhibitor, Cephalosporine der Gruppe 2 und 3, Fluorchinolone, Fosfomycin-Trometamol, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam, Trimethoprim bzw. Cotrimoxazol – ist die Gefahr für mikrobiologische Kollateralschäden in Form von Selektion multiresistenter Erreger oder einem erhöhten Risiko für eine Clostridium-difficile-assoziierte Colitis bei Fluorchinolonen und Cephalosporinen am höchsten.

Die klinische Konsequenz einer vermehrten Resistenz gegenüber Fluorchinolonen und/oder Cephalosporinen sollte im Hinblick auf die notwendige Verwendung dieser Substanzen auch bei anderen Indikationen zudem als gravierender eingestuft werden als die der anderen genannten Antibiotika. Fluorchinolone und Cephalosporine sollen nicht als Antibiotika der ersten Wahl bei der unkomplizierten Zystitis eingesetzt werden (Tabelle 1). Ärzte, die sich mit der Therapie von Harnwegsinfektionen befassen, sollten sich über das Erregerspektrum und die Resistenzentwicklung in ihrer Region informieren. Quellen dafür sind nationale Studien, Auswertungen des betreuenden Labors (hier ist der Selektionsbias zu beachten, der in der Regel zu einer Überschätzung von Resistenzen führt), sowie eigene Auswertungen.

Vom Robert Koch-Institut (https://ars.rki.de/) wurde die Infrastruktur für eine flächendeckende Surveillance der Antibiotika-Resistenz etabliert, die sowohl die stationäre Krankenversorgung als auch den Sektor der ambulanten Versorgung abdeckt. Damit sollen belastbare Daten zur Epidemiologie der Antibiotika-Resistenz in Deutschland bereitgestellt sowie differenzielle Aussagen nach Strukturmerkmalen der Krankenversorgung und nach Regionen möglich werden.

Bei der Entscheidung über die differenzierte Auswahl eines Antibiotikums zur Therapie der akuten unkomplizierten Zystitis sollen Erreger- und Resistenzlage, Gefahr einer Resistenzinduktion sowie individuelle patientenbezogene Faktoren (zum Beispiel Schwere der Symptomatik, Risiko von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (Tabelle 1), Rezidiven, aszendierenden Infektionen) beachtet werden.


Tabelle 1: Empfohlene empirische Antibiotika-Kurzzeittherapie der unkomplizierten Zystitis bei Frauen in der Prämenopause (Standardgruppe). Listung in alphabetischer Reihenfolge.

Behandlung der akuten unkompliziertenPyelonephritis (Standardgruppe)
Es besteht Konsens, dass bei der akuten unkomplizierten Pyelonephritis in jedem Fall eine wirksame Antibiotikatherapie so früh wie möglich zum Einsatz kommen soll, denn mögliche, wenn auch nicht häufige Nierenschädigungen, können durch die Zeitdauer, die Schwere und die Häufigkeit solcher Infektionen begünstigt werden. Bei der Entscheidung über die differenzierte Auswahl eines Antibiotikums zur Therapie der akuten unkomplizierten Pyelonephritis sollen Eradikationsraten, Empfindlichkeit, und Besonderheiten im Hinblick auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen berücksichtigt werden (Tabelle 2). Aufgrund der im Vergleich zur akuten unkomplizierten Zystitis deutlich niedrigeren Prävalenz der akuten unkomplizierten Pyelonephritis stellt der Faktor Resistenzinduktion bei der Empfehlung der Antibiotikatherapie einen weniger wichtigen Faktor dar.


Tabelle 2: Empfohlene empirische Antibiotikatherapie der unkomplizierten Pyelonephritis bei Frauen in der Prämenopause (Standardgruppe).
1 Niedrige Dosierung untersucht, hohe Dosierung von Experten empfohlen. 2 Nicht bei akuter unkomplizierter Pyelonephritis als Monosubstanz untersucht. 3 Hauptsächlich für Gram-positive Erreger. 4 Gleiches Protokoll für akute unkomplizierte Pyelonephritis und komplizierter Harnwegsinfektion (Stratifikation nicht immer möglich).5 Nur bei ESBL-Resistenzen > zehn Prozent. 6 Nur hohe Dosierung untersucht. 7 In Deutschland nicht mehr im Handel.

Welche präventiven Maßnahmen kann ich bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen ergreifen?

Bei rezidivierender Zystitis der Frau soll vor jeder medikamentösen Langzeitprävention eine ausführliche Beratung der Patientin zur Vermeidung von Risikoverhalten erfolgen (EG Ib-A): Unterkühlung; ausgewogenes Trinkverhalten mit dem Ziel einer Urinmenge von ca. 1,5 l/Tag; übertriebene Intimhygiene; Gebrauch von Spermiziden; Rate von Harnwegsinfektionen korreliert mit Genitalkontakten; BMI > 30 erhöht das Risiko für Harnwegsinfektionen. Wurden diese Präventionsmaßnahmen adäquat umgesetzt und bestehen weiterhin rezidivierende Harnwegsinfektionen, sollte vor Beginn einer antibiotischen Langzeitprävention das Immunprophylaktikum UroVaxom® (OM-89) oral über drei Monate eingesetzt werden (EG Ia-B), ebenfalls kann das Immunprophylaktikum StroVac® (vormals Solco-Urovac®) parenteral mit drei Injektionen in wöchentlichen Abständen verwendet werden (EG Ib-C). Bei häufig rezidivierender Zystitis der Frau kann darüber hinaus Mannose empfohlen werden (EG Ib-C). Alternativ können verschiedene Phytotherapeutika (zum Beispiel Präparate aus Bärentraubenblättern – maximal einen Monat, Kapuzinerkressekraut/Meerrettichwurzel), erwogen werden (EG Ib-C).

Bei hohem Leidensdruck der Patientin sollte nach Versagen von Verhaltensänderungen und nicht-antibiotischen Präventionsmaßnahmen eine kontinuierliche antibiotische Langzeitprävention über drei bis sechs Monate eingesetzt werden (EG IV-B). Die empfohlenen Wirkstoffe sowie die Einschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen bei einem Langzeitgebrauch sind der Langfassung zu entnehmen. Besteht ein Zusammenhang mit dem Geschlechtsverkehr, sollte als Alternative zur antibiotischen Langzeitprävention eine postkoitale Einmalprävention erfolgen.

 

Die Zusammensetzung der Leitliniengruppe sowie die Interessenskonflikte aller Autoren finden Sie unter www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044l_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf

Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-ärzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.

Autoren


Dr. Jennifer Kranz
Klinik für Urologie und Kinderurologie, St. Antonius-Hospital, Akademisches Lehrkrankenhaus der RWTH Aachen, Eschweiler,
UroEvidence(at)Deutsche Gesellschaft für Urologie, Berlin


Dr. Stefanie Schmidt
UroEvidence(at)Deutsche Gesellschaft für Urologie, Berlin


Apl. Professor Dr. Dr. h. c. Kurt Naber 
Ehem. Chefarzt Urologische Klinik St. Elisabeth, Straubing (Urologische Klinik, Technische Universität München)

Korrespondenzadresse:
Dr. Jennifer Kranz, FEBU, Klinik für Urologie und Kinderurologie, St. Antonius-Hospital, Akademisches Lehrkrankenhaus der RWTH Aachen, Dechant-Deckers-Str. 8, 52249 Eschweiler, Tel. 02403 761261, E-Mail: jennifer.kranz(at)sah-eschweiler.de

 

 

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