Kampf gegen Omikron: Ohne Booster-Impfung geht es nicht

Professor Dr. Christian Bogdan

Mit der zunehmenden Verbreitung der Omikron-Mutante steht die bayerische Corona-Impfkampagne vor ihrer nächsten großen Herausforderung. Gleichzeitig ist es für die Ärztinnen und Ärzte im Freistaat angesichts der bereits anstehenden 15. und 16. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) innerhalb eines Jahres nicht immer leicht, auf dem aktuellen Wissensstand zu bleiben. Mitte Dezember bot die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) deshalb für interessierte Ärzte ein Onlineseminar an, im Rahmen dessen insbesondere über die COVID-19-Impfempfehlungen der STIKO für Kinder, Jugendliche, Schwangere sowie immundefiziente Patientinnen und Patienten aufgeklärt wurde. Daneben stand im Fokus, in welchem Maße die bisher gegen COVID-19 eingesetzten Impfstoffe gegen die neue Omikron-Mutante von SARS-CoV-2 schützen. Als Referent konnte die BLÄK Professor Dr. Christian Bogdan, Direktor am Institut für Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene des Universitätsklinikums Erlangen und Mitglied der STIKO, gewinnen. ­Moderiert wurde das mit ca. 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gut besuchte Seminar von Dr. Gerald Quitterer, Präsident der BLÄK.


Dr. Gerald Quitterer

Zu Beginn seines Vortrags informierte Bogdan die Zuhörer allgemein über die aktuellen COVID-19-Impfempfehlungen der STIKO für die verschiedenen Altersgruppen. Dazu gehörte ein Überblick über die verschiedenen zur Grundimmunisierung geeigneten homologen und heterologen Impfschemata, über die für Auffrischimpfungen empfohlenen Vakzine sowie über die jeweiligen von der STIKO vorgeschlagenen Impfabstände (Tabelle 1). Auch auf die notwendigen Dosierungen der einzelnen Impfstoffe machte Bogdan aufmerksam.


Tabelle 1: Von der STIKO empfohlene Impfstoffe und Impfabstände zur Grundimmunisierung und Auffrischimpfung von Immungesunden gegen COVID-19 (Stand: 21.12.2021) [1]. Quelle: Epidemiologisches Bulletin 2/2021, nicht geändert

STIKO: Zunächst keine generelle COVID-19-Impfempfehlung für Kinder

Detailliert erläuterte der Institutsdirektor die beschlossene COVID-19-Impfempfehlung für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren (15. Aktualisierung, publiziert am 17. Dezember 2021). Die STIKO spricht sich darin für eine Impfung von Kindern mit Vorerkrankungen sowie von Kindern mit direktem Kontakt zu vulnerablen Personen in ihrem Umfeld – etwa immunsupprimierten Angehörigen – aus. Eine generelle Impfempfehlung für die gesamte Altersgruppe wird derzeit nicht ausgesprochen. Auf Grund der begrenzten Anzahl an Probanden in der Zulassungsstudie

(n = 1.528 im Impfarm) könne das Risiko seltener Nebenwirkungen momentan nicht eingeschätzt werden. „Wir werden eine universelle Empfehlung erst dann veröffentlichen, wenn ausreichende, wissenschaftlich fundierte Daten vorhanden sind. Das ist derzeit nicht der Fall“, so Bogdan. Auf individuellen Wunsch könnten allerdings schon jetzt auch Kinder ohne Vorerkrankungen geimpft werden – nach einem ärztlichen Aufklärungsgespräch. Die Impfung der fünf- bis elf-jährigen Kinder erfolgt mit zwei Dosen des mRNA-Impfstoffs Comirnaty (jeweils zehn Mikro­gramm) im Abstand von drei bis sechs Wochen.

Den derzeit in den Medien kursierenden Gerüchten, eine akzidentielle COVID-19-Impfung im ersten Drittel einer Schwangerschaft führe zu einer erhöhten Abortrate, trat Bogdan während seines Vortrags entschieden entgegen. Dafür gebe es keinerlei Hinweise. Im besten Fall seien Patientinnen bereits im Vorfeld ihrer Schwangerschaft grundimmunisiert. Alternativ empfehle die STIKO Schwangeren Corona-Impfungen ab dem zweiten Trimenon und zwar ausschließlich mit Comirnaty. Auffrischimpfungen für Schwangere sollten ebenfalls ab dem zweiten Trimenon erfolgen – sechs Monate nach der Grundimmunisierung.

Bei Patienten mit Immunschwäche müsse im Hinblick auf die COVID-19-Impfung unbedingt zwischen leicht immungeschwächten und schwer immundefizienten Personen, beispielsweise Transplantatempfänger oder Hämodialysepatienten, unterschieden werden. Bei Letzteren seien zwei Impfungen zur Herstellung einer Grundimmunisierung nicht ausreichend. Deshalb sollte die Grundimmunisierung vier Wochen nach der zweiten Impfung durch eine dritte Impfung mit einem mRNA-Impfstoff optimiert werden. Ab sechs Monate nach der Optimierung sei dann eine Auffrischimpfung möglich.

Überdies machte Bogdan auf Sonderfälle in Bezug auf COVID-19-Impfungen aufmerksam, welche Ärzten im Alltag immer wieder begegneten (Tabelle 2). Immer wieder stellten sich Humanmediziner etwa die Frage, ob Patienten, die einige Zeit nach ihrer Erstimpfung eine COVID-19-Infektion durchgemacht haben, überhaupt noch eine Zweitimpfung benötigten. Grundsätzlich könne in einem solchen Fall auf eine Zweitimpfung verzichtet werden, wenn die Infektion mehr als vier Wochen nach der Erstimpfung auftrete, bekräftigte Bogdan. Sechs Monate nach der Infektion sollte dann eine Auffrischimpfung vorgenommen werden.


Tabelle 2: Empfehlung zur Durchführung der Grundimmunisierung und Auffrischimpfung nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion bei Immungesunden (Stand: 21.12.2021) [2]. Quelle: Epidemiologisches Bulletin 2/2021, nicht geändert

Omikron-Mutante breitet sich rasant aus

Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten hatte im Dezember erklärt, dass die Omikron-Mutation von SARS-CoV-2 sich im Januar/Februar 2022 zur dominierenden Variante in Europa entwickeln werde. Bogdan wies während seines Vortrags auf die hohe Infektiosität von Omikron hin, was sich unter anderem an der schnellen Ausbreitung der Mutante im Vereinigten Königreich und in Dänemark zeige. In Deutschland gebe es bereits 410 Omikron-Fälle (Stand: 15. Dezember 2021). Aufgrund einer mangelnden Datenlage könnten aber noch keine validen Aussagen zur Pathogenität der Variante getroffen werden.

Problematisch sei, dass das Spike-Protein der Mutante, welches für das Andocken des Virus an Wirtszellen im menschlichen Körper entscheidend sei, eine hohe Anzahl von Mutationen (> 30) aufweise. Dies senke die Wirksamkeit der durch die bisherigen Impfstoffe induzierten Antikörper gegen die Variante. So zeige sich bei Omikron im Vergleich zur Delta-Mutation eine stark reduzierte Virusneutralisierung nach zwei COVID-19-Impfungen. Dem könne nur durch Boostern entgegengewirkt werden: „Mit den derzeitigen Vakzinen ist eine Auffrischimpfung notwendig, um einen gewissen Schutz gegen die Omikron-Variante zu erzeugen – es sieht derzeit aber so aus, als bliebe dieser dennoch deutlich geringer als gegen die Delta-Variante“, erklärte Bogdan. Eine Anpassung der bisherigen Impfstoffe sei deshalb unumgänglich. Als Sofortmaßnahme zur Verbesserung des Schutzes gegen die Omikron-Mutante empfiehlt die STIKO für alle Personen, für die bisher nach zweifacher Impfung oder Infektion eine Auffrischimpfung (3. Impfung) bzw. eine einzelne Impfung mit einem Abstand von sechs Monaten vorgesehen war, einen verkürzten Abstand von drei Monaten (16. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung).

Im Anschluss an den Vortrag beantwortete Bogdan Fragen der Seminarteilnehmer.

Die Fußnoten der Tabellen können unter www.bayerisches-aerzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.

Florian Wagle (BLÄK)

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