Flucht – Sicherheit – Reform

Präsidium der Bayerischen Landesärztekammer

Weltweit sind derzeit ca. 59,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Etwa die Hälfte von ihnen ist unter 18 Jahre alt, laut Hochkommissariat der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees – UNHCR). Hunderttausende von Flüchtlingen, Binnenvertriebenen, Asylsuchenden und Staatenlosen haben sich auf den Weg nach Europa gemacht und sind größtenteils unterwegs nach Deutschland, wobei gerade Bayern aufgrund seiner geografischen Lage und seiner Landesgrenzen ein Hauptankunftsland ist. Viele Flüchtlinge sind bei uns derzeit provisorisch in Zelten untergebracht, was bei den winterlichen Temperaturen langsam problematisch wird. Problematisch ist auch die medizinische Versorgung der Asylsuchenden. Einige Bundesländer arbeiten an der Einführung der Gesundheitskarte für alle Flüchtlinge, andere an einem niederschwelligen Zugang zur medizinischen Versorgung. Doch die Migranten sollen auch in Zukunft lediglich eingeschränkte Leistungen erhalten. Gleiches gilt für die psychologische und psychotherapeutische Behandlung und in den derzeit diskutierten „Registrierzentren“ herrscht Fehlanzeige, geht es um die medizinische Erstversorgung. Wir haben uns wiederholt gegen solche Leistungsbeschränkungen ausgesprochen. Es kann keine anderen Maßstäbe für die Behandlung asylbegehrender Menschen in unserem Land geben. Und schließlich geht es auch – epidemiologisch gesehen – um die Sicherheit all unserer Patienten in Deutschland.

Sicherheit

Dass die Patientensicherheit für Ärztinnen und Ärzte an erster Stelle steht, haben wir nicht nur anlässlich des Tages der Patientensicherheit bewiesen. In Sachen Risikomanagement und -bewältigung tut sich einiges und bewährte Verfahren, wie etwa das systematische MRSA-Screening bei Risikopatienten im Krankenhaus, kommen immer häufiger zum Einsatz. Wir setzen auf Fehlermeldesysteme und die Gutachterstelle bei der BLÄK bietet seit über 40 Jahren fachliche Unterstützung an, wenn Patienten einen ärztlichen Behandlungsfehler vermuten. Wir tun alles dafür, dass es nicht zu einem Fehler in Aufklärung, Diagnostik und Therapie kommt. Wir sorgen für einen transparenten Umgang mit Behandlungsfehlern. Und wir sind uns unserer Verantwortung darüber bewusst, dass den betroffenen Patienten schnell und professionell geholfen werden muss – medizinisch, seelisch und mitunter auch rechtlich. Dass dennoch in den Medien das unmögliche Wort „Ärztepfusch“ auftaucht, macht uns betroffen und auch ziemlich verständnislos, beinhaltet dieser Begriff doch immer eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den Auswirkungen des eigenen Handelns. Kommt es zu einem Behandlungsfehler, führt dies bei den Betroffenen häufig zu Schuldgefühlen und Ängsten – auch in Bezug auf eine mögliche Stigmatisierung. Immer ist die Situation für den betroffenen Arzt belastend.

Reform

„Unmöglich“ lautete auch unsere Bewertung des ersten Entwurfs des Kranken-hausstruktur-Gesetzes (KHSG), das inzwischen – auch auf Druck von Verbänden und Krankenhausmitarbeitern – einige Änderungen erfahren hat. Wir sind vor allem darüber erleichtert, dass die 500 Millionen Euro in Form eines Pflegezuschlags den Krankenhäusern weiterhin erhalten bleiben. Dennoch wird die Zukunft für die Krankenhäuser dadurch wirtschaftlich gesehen kein „Zuckerschlecken“ werden und an vielen wesentlichen Punkten besteht am KHSG noch immer Kritik; Stichwort „Pay for Performance“: Jetzt kommt es ganz entscheidend auf die Umsetzung des Gesetzes an; eine sektorübergreifende Qualitätssicherung ist angesagt. Statt verschiedene, nicht getestete Qualitätssicherungsinstrumente gleichzeitig einzusetzen, sollten einzelne Maßnahmen mit Bedacht erprobt werden. Darüber hinaus sehen wir die finanzielle Misere vieler Krankenhäuser auch auf Länderebene in den unzureichenden Investitionskosten begründet. Auch um Nachwuchskräfte bei den Ärzten in den Krankenhäusern sorgen wir uns. Aktive Mitarbeitergewinnung, Förderung der (Verbund-)Weiterbildung und Konzepte zur Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit sind auch in den Kliniken dringend angesagt. Ein „No-Go“ sind die geplanten Portalkliniken, die ohne Bedarfsplanung und unbudgetiert aus dem Honorartopf der Vertragsärzte finanziert werden sollen. Durch eine klare Strukturierung des Bereitschaftsdienstes – in einen Sitz- und Fahrdienst mit bedarfsgerechter Einrichtung von durch Vertragsärzte betriebenen Bereitschaftsdienstpraxen an Kliniken – kann die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung sektorübergreifend gewährleistet werden. Das regelt die Selbstverwaltung besser als die Politik!

Die ganz große Herausforderung 2015 war und ist das Asylthema. Unser ausdrücklicher Dank geht an alle engagierten Ärztinnen und Ärzte sowie an alle weiteren Helferinnen und Helfer, die – teils ehrenamtlich – hervorragende Arbeit vor Ort leisten. Ohne ihren humanitären Einsatz wären Erstscreening, Gesundheitsuntersuchung und Akut- bzw. Schmerzversorgung von Flüchtlingen undenkbar. Dass dieses Engagement keine Dauereinrichtung und kein Selbstläufer sein kann, sollte uns allen bewusst sein. 2015 ist viel passiert; 2016 stellt neue Herausforderungen. Stellen wir uns selbstbewusst den gesundheitspolitischen Herausforderungen und unseren ärztlichen Aufgaben: Heilen, Helfen, Betreuen! Zum Jahresausklang wünschen wir Ihnen, Ihren Familien und Ihren Freunden ein frohes Weihnachtsfest und für das neue Jahr 2016 alles Gute.

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