Drei Highlights aus der Sportmedizin

Drei Highlights aus der Sportmedizin

Die internistische Sportmedizin hat sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre einschneidend verändert. So hat sie sich von einem Fachgebiet mit Schwerpunkt von Screening-Untersuchungen von Athleten hin zu einem interdisziplinären Fach, eng integriert in die medizinische Klinik, entwickelt.

Diese Neuausrichtung der Sportmedizin basiert auf breiten wissenschaftlichen Erkenntnissen und entsprechenden nationalen und internationalen Leitlinien, dass eine gezielte Intensivierung von körperlicher Aktivität bei vielen internistischen Erkrankungen als ein wichtiger Pfeiler der Therapie integriert werden sollte. Das gilt besonders für metabolische, kardiovaskuläre wie auch bei Tumorerkrankungen. Diese gezielte und individuell angepasste „Sporttherapie“ sollte immer individuell auf das Krankheitsbild, die Symptomatik und den aktuellen Belastungsstatus des Patienten abgestimmt werden. Vor allem ist es hierbei wichtig, die Ziele der Sporttherapie zu definieren (zum Beispiel Verbesserung der Lebensqualität, Verbesserung der Symptomatik, Verbesserung der Prognose) und das Training daraufhin abzustimmen und im Verlauf zu kontrollieren und anzupassen. Die Sporttherapie erfolgt nicht als Alternative, sondern in Ergänzung zu einer medikamentösen Therapie.

Außerdem zeigen wissenschaftliche Daten, dass in Ergänzung zur aktuellen Standardtherapie ein gezieltes körperliches Training die Prognose verbessern kann. So belegen Daten, zum Beispiel in der Diabetologie, dass die mikrovaskulären Komplikationen wie Nephropathie entscheidend durch eine Lebensstilintervention reduziert werden können, in der Kardiologie das Risiko von Patienten mit koronarer Herzerkrankung durch zwei Stunden zügiges Spazierengehen wöchentlich innerhalb von fünf Jahren um 60 Prozent reduziert werden kann, Rezidive von Vorhofflimmern nach Erstereignis über die nächsten fünf Jahren um 35 Prozent reduziert werden, wenn ein vergleichbares Training durchgeführt wird und die Lebensqualität von Tumorpatienten, ebenso wie wohl auch die Prognose von Mamma- und Kolonkarzinom, verbessert werden kann.

Die grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesen klinischen Effekten werden allerdings bisher erst teilweise verstanden. So werden während der Aktivität der Muskulatur molekulare Mechanismen in der Muskelfaser aktiviert (Beispiel: Translokation von Glukosetransportern GLUT-4 aus dem endoplasmatischen Retikulum an die Muskelzellmembran und dadurch erleichterter Glukosetransport in die Zelle, welches zu einer Optimierung des Blutzuckers beim Typ-2-Diabetes führt) und Muskelhormone (sogenannte Myokine) während der muskulären Belastung in die Zirkulation sezerniert, die wiederum an Organen wie dem Myokard, der Leber, Knochen oder Retina entsprechende positive physiologische Effekte induzieren, die den Altersgang der Zellen reduzieren und Heilungsprozesse begünstigen.

Randomisierte-kontrollierte Studien, die zum Beispiel ein körperliches Training mit Standardtherapie vergleichen und hierbei die optimale Art des Trainings wie Art (Ausdauer, Kraft, Koordination), Intensität (moderat, hochintensiv), Dauer (mehrmals täglich oder einmal pro Woche sowie Zeitumfang) evaluieren, sind von zentraler Bedeutung. Aktuell werden in München mehrere nationale und europäische Studien dieser Art durchgeführt oder sind bereits abgeschlossen, die ca. 3.000 Patienten mit Diabetes, Koronarer Herzkrankheit (KHK), Herzinsuffizienz oder chronischen Nierenerkrankungen einschließen. Diese Resultate werden direkt in die sportmedizinischen Empfehlungen einfließen.

Im Folgenden werden drei Patientenbeispiele für eine Sporttherapie dargestellt.

Fall 1 – Sporttherapie bei Diabetes Mellitus Typ 2 und metabolischem Syndrom

Anamnese

Herr G. (53 Jahre) stellt sich erstmalig zur sportmedizinisch-internistischen Untersuchung vor, da er endlich Gewicht abnehmen und fitter werden möchte. An Vorerkrankungen ist ein Diabetes Mellitus Typ 2 bekannt, unter medikamentöser Therapie mit Metformin. Der Blutdruck sei schon immer leicht erhöht gewesen, er habe bisher jedoch keine Medikamente einnehmen wollen. Er habe sich selbst als Ziel gesetzt, nächstes Jahr an einem Halbmarathon teilzunehmen.
In der klinischen, internistischen und laborchemischen Untersuchung ergab sich folgendes kardiometabolisches Risikoprofil (Tabelle 1).


Tabelle 1: Kardiometabolisches Risikoprofil vorher und nach zwölf Wochen.

Diagnose

Metabolisches Syndrom mit Diabetes Mellitus Typ 2, arterieller Hypertonie, erhöhtem Bauchumfang und erhöhten Triglyceriden.

Untersuchung

Das Ruhe-EKG war unauffällig. Echokardiografisch zeigte sich eine geringe linksventrikuläre Hypertrophie (Septum 12 mm) und eine geringe Dilatation des linken Vorhofes. In der Karotissonografie war ein kleiner, nicht stenosierender Plaque im linken Bulbus nachweisbar. Ansonsten ergaben sich keine Auffälligkeiten.
Aufgrund der erhöhten Blutdruckwerte wurde auf eine Ergometrie an diesem Tag verzichtet und die Empfehlung für eine medikamentöse Therapie mit einem ACE-Hemmer in Kombination mit einem Kalziumantagonisten mit dem Patienten besprochen. Des Weiteren wurde die Medikation um ein Statin ergänzt.

Wiedervorstellung nach drei Wochen

Unter der antihypertensiven Medikation zeigte sich eine Verbesserung des Ruhe-Blutdrucks auf 135/83 mmHg, sodass auch die Ergometrie und eine Laktatdiagnostik durchgeführt werden konnten. Aufgrund des Patientenwunsches, längerfristig auf einen Halbmarathon zu trainieren, wurde zuerst die Ergometrie zur Beurteilung des Blutdrucks unter Belastung und zum Ausschluss von ischämietypischen Veränderungen und Rhythmusstörungen auf dem Ergometer durchgeführt. Die Laktatdiagnostik für Trainingsempfehlungen erfolgte dann am nächsten Tag auf dem Laufband (Abbildung 1).


Abbildung 1: Laktatdiagnostik des Patienten mit metabolischem Syndrom. In der Laktatdiagnostik werden in der oberen Kurve die Pulswerte auf den einzelnen Belastungsstufen angegeben. Auf der X-Achse ist die Laufgeschwindigkeit in km/h aufgetragen. Maximale Leistung von 10 km/h für 30 Sekunden. In der unteren Kurve zeigt sich ein steiler Anstieg der Laktatkurve, entsprechend einer schlechten Grundlagenausdauer.

Empfehlung

1. Ernährung: Eine Kalorienreduktion soll vorerst durch Weglassen hochkalorischer Getränke erfolgen, die bisher reichlich konsumiert wurden. Diese sollen durch vorwiegend Wasser, Tee und kalorienreduzierte Getränke ersetzt werden.
2. Sport: Ein Trainingsplan (Abbildung 2) wurde für die nächsten zwölf Wochen erstellt. Der Trainingspuls soll zwischen 100 bis 140/min. liegen.
3. Medikation: Die antihypertensive Medikation wurde in der Dosierung erhöht.


Abbildung 2: Trainingsplan.

Wiedervorstellung nach zwölf Wochen

Anamnese: „Ich bin sehr viel fitter geworden!“ Im Durchschnitt habe Herr G. fünfmal die Woche Sport betrieben und initial sogar auch morgens und abends eine Trainingseinheit absolviert.
Tabelle 1 zeigt das kardiometabolische Risikoprofil nach zwölf Wochen.
Durch Intensivierung der Medikation, körperliche Aktivität und Kalorienreduktion konnte eine deutliche Verbesserung der kardiovaskulären Risikofaktoren erzielt werden. Auch in der Laktatdiagnostik zeigte sich eine deutliche Verbesserung der maximalen Belastbarkeit und der aeroben Ausdauerleistung.

Laktatdiagnostik des Patienten mit metabolischem Syndrom nach zwölf Wochen. Die obere gestrichelte Linie zeigt die Pulswerte der Eingangsuntersuchung vor zwölf Wochen auf, die untere gestrichelte Linie die Laktatwerte der Eingangsuntersuchung. Die beiden schwarzen Linien zeigen den aktuellen Leistungszustand: Sowohl von kardialer Seite zeigt sich eine deutliche Verbesserung mit ca. zehn bis 15 Schlägen weniger auf den gleichen Belastungsstufen als auch von metabolischer Seite mit deutlich niedrigeren Laktatwerten und Verbesserung der individuellen anaeroben Schwelle (IAS) von 7,1 km/h auf 8,4 km/h. Auch die maximale Leistung hat sich von 9 km/h auf 11 km/h für 1,5 min. deutlich verbessert.


Diskussion

Dass durch körperliche Aktivität und Ernährungsumstellung eine Verbesserung von kardiometabolischen Risikofaktoren erzielt werden kann, ist bekannt. Was jedoch ist das Entscheidende, dass es zu einem längerfristigen Effekt kommt? Viele Patienten, die fitter werden und auch Gewicht abnehmen wollen, kommen zu uns in die Ambulanz, um durch einen aktiven Lebensstil die medikamentöse Therapie zu ergänzen. Das medizinische Ziel einer Sporttherapie bei Herrn G. ist es, eine Verbesserung der diabetischen Stoffwechsellage und der arteriellen Hypertonie zu erzielen. Eine Reduktion von fünf bis sieben mmHg des systolischen und diastolischen Blutdrucks kann durch regelmäßige körperliche Aktivität erreicht werden. Durch ein regelmäßiges Ausdauer- und allgemeines Krafttraining kann außerdem eine Verbesserung der diabetischen Stoffwechsellage erzielt werden.
Das sportliche Ziel ist die Teilnahme an einem Halbmarathon im nächsten Jahr. Bei Herrn G. war die eigene Motivation der entscheidende Faktor, und dies ist auch der grundsätzliche Ansatz für alle Patienten: Motivation zu schaffen und Wissen zu vermitteln, eigenständig den Lebensstil zu ändern. Die Teilnahme an einem Halbmarathon ist natürlich ein sehr ehrgeiziges und nicht für jeden Patienten passendes, sportliches Ziel. Für Herrn G. hat es jedoch die entscheidende Motivation gebracht und durch diese hat er es auch geschafft. Generell gilt, die Motivation für alltägliche Bewegung und Sport zu schaffen.
Wichtig ist es, Trainingsempfehlungen zu geben, die auch von bisher unsportlichen Patientinnen und Patienten umgesetzt werden können. Überforderungen als auch Unterforderungen sollen vermieden werden. Eine tägliche Aktivierung der Muskulatur mit geringem Umfang ist gerade zu Beginn wichtig (Abbildung 2). Geringe Umfänge von zehn bis 15 Minuten sollten optimalerweise sogar mehrmals täglich absolviert werden. Im Verlauf sollte primär erst der Umfang gesteigert werden, wobei zusätzlich noch Phasen von Tripp-Trab-Laufen (= Vorfußlaufen) in das Walking integriert werden können. Hierdurch kommt es zu einer höheren Aktivierung der Muskulatur.
Zusätzlich sollte den allgemeinen Empfehlungen zur körperlichen Aktivität entsprechend auch ein allgemeines Krafttraining zweimal pro Woche im Verlauf integriert werden. Nach regelmäßigem Training in den ersten Wochen mit niedrigen Belastungsintensitäten können auch höhere Intensitäten in Form eines Intervalltrainings in das Training aufgenommen werden.

 Zehn Tipps, durch die längerfristige Erfolge erzielt werden können

1. Realistische Ziele setzen: Was würde der Patient selber gerne erreichen?
2. Wissen vermitteln: Welche Effekte haben Sport und Ernährung?
3. Sport: Sportmöglichkeiten erörtern – Sportgruppen, Walkinggruppen, etc. Was macht dem Patienten Spaß? Was hat er in der Jugend gemacht?
4. Sport: Individuelle Beratung, Sportempfehlung für den aktuellen Leistungsstand
5. Langsam beginnen, am besten mehrmals die Woche mit geringem Umfang. Erst Steigern des Umfangs, dann der Intensität.
6. Genaue Empfehlung geben, zum Beispiel durch Trainingspläne: www.sport.mri.tum.de/files/content/slider/Projekte/Sportmedizin%20TU%20Muenchen_LAUF10-Trainingsplaene.pdf
7. Ernährung: Bewusstsein schaffen
8. Ernährung: Nicht versuchen die bisherige Ernährung komplett auf einmal umzustellen, sondern kleine Schritte gehen.
9. Ernährung: Längerfristig denken! Auf was kann ich verzichten/was kann ich reduzieren – nicht nur in den nächsten vier Wochen, sondern in den nächsten Jahren?
10. Patienten ermuntern, Erfolge zu belohnen.

Fall 2 – Intervalltraining bei diastolischer Herzinsuffizienz

Anamnese

Frau K. (56 Jahre) stellt sich zur kardiologisch-sportmedizinischen Abklärung aufgrund von Belastungsdyspnoe vor. In den vergangenen Monaten sei sie durch einfache Aktivitäten wie zügiges Walken oder auch Treppensteigen vermehrt außer Atem. An Vorerkrankungen ist seit 20 Jahren eine arterielle Hypertonie bekannt, außerdem Z. n. Pulmonalvenenisolation bei paroxysmalen Vorhofflimmern. Eine koronare Herzerkrankung wurde ausgeschlossen.
Frau K. ist berufstätig und familiär stark eingebunden. Regelmäßigen Sport betreibe sie aufgrund von Zeitmangel keinen.

Untersuchungen

Der Blutdruck lag unter der aktuellen Medikation (AT-1-Blocker, Beta-Blocker, Kalziumantagonist, Schleifendiuretikum und Thiazid-Diuretikum) im Normbereich mit 127/79 mmHg und auch die klinisch-internistische Untersuchung war unauffällig. Im EKG ergaben sich keine pathologischen Befunde. Laborchemisch konnte eine Anämie, ein Elektrolyt- oder Eisenmangel, eine Hypothyreose und ein aktueller Infekt ausgeschlossen werden. NT-proBNP war erhöht auf 330 pg/ml, außerdem Erhöhung der Triglyceride auf 180 mg/dl.
Echokardiografisch zeigte sich eine systolisch normwertige Ejektionsfraktion (EF) mit 60 Prozent und kein Anhalt für Wandbewegungsstörungen, jedoch Nachweis einer linksventrikulären Hypertrophie von zwölf Millimetern und Dilatation des linken Vorhofs. Mit einem inversen E/A-Verhältnis und E/E` (Echokardiografie-Parameter zur Bestimmung der Steifigkeit des linken Ventrikels) von 17,3 ergab sich die Diagnose einer diastolischen Dysfunktion (Abbildung 4).


Abbildung 4: Tissue Doppler Imaging; E/E`17,3.


Im Belastungs-EKG zeigten sich keine ischämie-typischen Veränderungen oder Rhythmusstörungen als mögliche Ursachen der Dyspnoe. Und auch bodyplethysmografisch konnte eine relevante restriktive und obstruktive Ventilationsstörung ausgeschlossen werden.
Die subjektiv eingeschränkte Belastbarkeit bestätigte sich in der Spiroergometrie mit einer sehr deutlich eingeschränkten Sauerstoffaufnahme unter Belastung, im Altersvergleich im Bereich der untersten 20 Prozent (VO2peak von 16 ml/kg/KG).

Diagnose

In Zusammenschau der klinischen Symptomatik mit Belastungsdyspnoe bei einfachen Aktivitäten NYHA III (New York Heart Association), erhöhtem proBNP-Wert, der echokardiografischen Befunde mit diastolischer Dysfunktion, Vorhofvergrößerung und linksventrikulärer Hypertrophie bei normwertiger linksventrikulärer EF > 50 Prozent wurde die Diagnose einer diastolischen Herzinsuffizienz (Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion) mit deutlich eingeschränkter Leistungsfähigkeit gestellt.

Therapieempfehlung

Von medikamentöser Seite war die Patientin aktuell unter der antihypertensiven Therapie gut eingestellt, sodass die Medikation beibehalten wurde. An Lebensstilmaßnahmen wurde die Empfehlung für eine Sporttherapie gegeben.

Trainingsplan

Für die ersten vier Wochen wurde ein kontinuierliches, moderates Ausdauertraining empfohlen, das am besten täglich absolviert werden sollte. Der Umfang sollte von initial zehn Minuten täglich auf bestmöglich 30 Minuten gesteigert werden (Abbildung 5).


Trainingsplan für die ersten vier Wochen im moderaten Ausdauerbereich.

Im weiteren Verlauf sollte zusätzlich zu aeroben Ausdauereinheiten ein Intervalltraining mit höheren Intensitäten mehrmals wöchentlich integriert werden. Hierdurch erfolgt eine höhere Aktivierung der Muskulatur. Nach einem Warm-up auf dem Ergometer von fünf Minuten bei 40 Prozent VO2peak kann ein Intervalltraining folgendermaßen durchgeführt werden: Vier Zyklen Belastung über zwei Minuten mit einer Intensität von 75 bis 80 Prozent VO2peak im Wechsel mit aktiver Regeneration über drei Minuten bei 50 Prozent VO2peak (Abbildung 6).

Beispiel für Intervalltraining.

Die VO2max wird in der Spiroergometrie bei maximaler Ausbelastung des Patienten bestimmt und gibt die maximale Sauerstoffaufnahme des Probanden an. Die VO2peak ist die Sauerstoffaufnahme des Patienten bei Abbruch der Belastung, wenn kein „leveling off“ nachweisbar ist. Anhand der ermittelten Werte können dann die empfohlenen Belastungsintensitäten in Prozent der VO2peak für die Trainingsherzfrequenzen ermittelt werden (siehe Tabelle 2).


Tabelle 2: Intensitätssteuerung. * VO2peak ermittelt in Spiroergometrie; ** Karvonenformel: Trainingsherzfrequenz = (maximale Herzfrequenz - Ruheherzfrequenz) x Faktor + Ruheherzfrequenz; modifiziert nach [1].

Das Training wurde über insgesamt drei Monate durchgeführt, initial überwacht in einer physiotherapeutischen Einrichtung, im Anschluss dann auf einem eigenen Ergometer zu Hause.
Wenn keine Spiroergometriedaten vorhanden sind, kann für die Trainingspulsempfehlungen auch die Karvonenformel herangezogen werden. Hierzu müssen die maximale Herzfrequenz und die Ruheherzfrequenz bekannt sein (Tabelle 2).
Die Karvonenformel kann folgendermaßen ermittelt werden: Trainingsherzfrequenz = (maximale Herzfrequenz - Ruheherzfrequenz) x Faktor + Ruheherzfrequenz.

Wiedervorstellung nach drei Monaten

Klinisch gab die Patientin an, sich körperlich wesentlich belastbarer zu fühlen. Und auch die Spiroergometrie zeigte objektiv eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit (VO2peak 18,2 ml/kg/KG). Das Training war insgesamt vom zeitlichen Aspekt her gut umsetzbar.

Diskussion

Die Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF = „Heart Failure with preserved Ejection Fraction“) wird unterschieden von der Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF = „Heart Failure with reduced Ejection Fraction“). Letztere wird sowohl durch medikamentöse Therapien als auch durch eine Sporttherapie positiv beeinflusst. Dagegen konnten bisher keine medikamentösen Studien bei HFpEF-Patientinnen und -Patienten einen Vorteil hinsichtlich der Verbesserung der Morbidität und der Mortalität zeigen [2].
Die Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion ist eine heterogene, komplexe Erkrankung, die bisher in ihrer Pathophysiologie noch nicht final geklärt ist. Verschiedenen Risikofaktoren sind jedoch etabliert:
Risikofaktoren für HFpEF:
- Arterielle Hypertonie
- Adipositas
- Diabetes Mellitus
- Weibliches Geschlecht
- Alter

Die Heterogenität zeigt sich gerade in dem Verlust/Auftreten von verschiedenen kardialen Faktoren bei dieser Erkrankung, die zu einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit führen, sich gegenseitig beeinflussen und negativ begünstigen:
Kardiale Faktoren mit HFpEF assoziiert [3]:
- Diastolische Dysfunktion
- Endotheliale Dysfunktion
- Systolische Dysfunktion
- Rechtsventrikuläre Dysfunktion
- Vorhofflimmern
- Chronotrope Inkompetenz
- Abnorme Vasodilatation

Wichtig ist es, Risikofaktoren bei HFpEF-Patientinnen und -Patienten zwingend optimal einzustellen, was bei unserer Fallpatientin vor allem eine konsequente Blutdruckeinstellung beinhaltet.
Medikamentöse Therapien konnten keine Verbesserung der Mortalität und Morbidität bei HFpEF-Patientinnen und -Patienten zeigen, dafür ist es umso wichtiger, dieser Patientengruppe eine Sporttherapie zu rezeptieren, da durch diese die Fitness erhöht und somit die klinische Symptomatik verbessert werden kann.
In den bisher durchgeführten Studien mit HFpEF-Patientinnen und -Patienten konnte gezeigt werden, dass durch das Training die Leistungsfähigkeit (VO2peak) gesteigert werden kann, wobei vor allem periphere Adaptionen diskutiert werden. Diese beinhalten unter anderem die Verbesserung des Sauerstofftransportes durch eine verbesserte vaskuläre und mikrovaskuläre Funktion, eine muskukläre Adaptation mit Verbesserung des Sauerstoffverbrauches durch erhöhte Enzymaktivität, erhöhter Kapillardichte und auch Muskelfasertyp-Anpassung. Ob auch kardiale Parameter wie die diastolische Dysfunktion durch das Training verbessert werden, bleibt abzuwarten. In den meisten bisher durchgeführten Studien wurde der Effekt eines moderaten aeroben Ausdauertrainings untersucht [4]. Bei einem Intervalltraining kommt es im Vergleich zu einem moderaten Ausdauertraining zu höherer Beanspruchung der Muskulatur. Dieses kann – wie im Falle unserer Patientin – mit moderat bis höheren Intensitäten durchgeführt werden. Jedoch gibt es auch neuere Studien, die den Effekt eines hoch-intensiven Intervalltrainings (HIIT = „High-Intensity-Intervall Training“) bei HFpEF-Patientinnen und -Patienten untersucht haben. Mit dieser Trainingsmodalität wurden noch wenige Studien durchgeführt, jedoch scheint auch ein HIIT einen positiven Effekt auf die Fitness und Leistungsfähigkeit dieses Patientenkollektivs zu haben und umsetzbar zu sein [5]. Ein wesentlicher Vorteil eines HIIT-Trainings ist die Zeitersparnis im Vergleich zu einem moderaten Ausdauertraining. Bei einem HIIT-Training handelt es sich um ein Trainingskonzept mit Phasen von sehr hoher Belastungsintensität im Wechsel mit Phasen niedriger Belastungsintensität bzw. Pausen. Im Vergleich mit einem aeroben Ausdauertraining wird in der gleichen Zeit die Muskulatur deutlich mehr aktiviert und dadurch mehr Energie verbraucht. Die bisherigen positiven Ergebnisse einer Sporttherapie bei HFpEF-Patientinnen und -Patienten mit verschiedenen Trainingsmodalitäten und die Auswirkungen auf kardiale Parameter werden in aktuellen randomisierten-kontrollierten Studien (RCTs) mit höheren Fallzahlen derzeit überprüft.

Fall 3 – Sporttherapie bei Knochenmetastasen

Anamnese

Frau L. (55 Jahre) stellt sich mit der Diagnose eines primär ossär metastasierten Mammakarzinoms (singuläre osteolytische Metastase LWK 2) in der sportmedizinischen Spezialsprechstunde „Sport und Krebs“ vor. Die Empfehlung für eine supportive Sporttherapie wurde ihr von ihrem behandelnden Gynäkologen gegeben. Seit Diagnosestellung 2017 sind eine operative Therapie, Bestrahlung und auch Chemotherapie erfolgt. Durch die Erkrankung und die bereits erfolgten Therapien sei sie in der Belastbarkeit bereits bei Alltagsaktivitäten aktuell deutlich eingeschränkt. Vor der Erkrankung sei sie regelmäßig körperlich aktiv gewesen (Nordic Walking), was aktuell aufgrund der eingeschränkten Belastbarkeit nicht möglich sei.

Diagnostik

Die kardiale Untersuchung mit Blutdruckmessung, Ruhe- und Belastungs-EKG und Echokardiografie zum Ausschluss von Kontraindikationen hinsichtlich körperlicher Aktivität ergaben einen unauffälligen Befund. Auch ergaben sich laborchemisch kein Anhalt für einen Infekt und keine relevanten Auffälligkeiten des Blutbildes.
In der aktuellen Ergometrie inklusive Laktatdiagnostik zeigte sich eine deutlich eingeschränkte Belastbarkeit mit einer maximalen Leistung von 1,1 Watt/kg (maximal 68 Watt bei 60 kg/KG;
Sollwert einer 55-jährigen Frau mit 60 kg = 100 Watt).

Allgemeine Empfehlung für Tumorpatienten

Zunächst muss das Ziel definiert werden. Eine generelle Empfehlung für eine Sporttherapie ist grundsätzlich für alle Tumorpatienten gegeben, muss aber individuell angepasst werden. Um ein zeiteffizientes Training durchzuführen und Überlastungen zu vermeiden, ist eine Laktatdia-gnostik zur Erfassung der aeroben Ausdauer sinnvoll. Anhand dieser Vorgaben kann der optimale Puls- bzw. Intensitätsbereich festgelegt werden. Zumeist wird ein moderates aerobes Ausdauertraining mit dem finalen Ziel von 150 Minuten pro Woche mit zusätzlich muskelaktivierendem Krafttraining zweimal pro Woche empfohlen [6, 7]. Diese generelle Empfehlung kann natürlich nicht von jeder/jedem Tumorpatientin/-patienten umgesetzt werden, da es eine große Variabilität durch das Tumorstadium, Alter, sportliche Vorerfahrung sowie aktueller Belastbarkeit gibt. Die Sporttherapie sollte immer individuell angepasst werden und dem Prinzip folgen, zuerst den Umfang des Trainings zu erhöhen und im Anschluss die Intensität, abhängig vom aktuellen Zustand der/des Patientin/Patienten. Inaktivität sollte in jedem Fall vermieden werden und so schnell wie möglich die Alltagsaktivität wieder aufgenommen werden.
Tumorpatientinnen und -patienten profitierten durch eine Sporttherapie hinsichtlich der Verbesserung der Belastbarkeit, Verminderung von Fatiguesymptomatik und Verbesserung der Lebensqualität [8]. Für Mamma- und Kolonkarzinompatientinnen und -patienten konnte in Beobachtungsstudien eine Verbesserung der Prognose durch regelmäßige körperliche Aktivität gezeigt werden [9]. Körperlich aktive Brustkrebspatientinnen haben ein 48 Prozent niedrigeres Risiko bezogen auf die Gesamtmortalität und ein 28 Prozent niedrigeres Risiko bezüglich der krebsspezifischen Mortalität im Vergleich zu inaktiven Patientinnen (Gesamtmortalität RR 0,52 (95 Prozent CI = 0,42 bis 0,64), brustkrebsspezifische Mortalität RR 0,72 (95 Prozent CI = 0,60 bis 0,85). Auch ähnlich positive Effekte können mit einer relativen Risikoreduktion von 42 Prozent bzw. 39 Prozent durch Aktivität für Kolonkarzinompatientinnten und -patienten gezeigt werden (Gesamtmortalität 0,58 (95 Prozent CI = 0,48 bis 0,70)), krebsspezifische Mortalität RR 0,61 (95 Prozent CI = 0,40 bis 0,92) [9].Große RCTs fehlen jedoch.
Optimalerweise sollten Tumorpatienten direkt ab Diagnosestellung auf die Möglichkeit einer begleitenden Sporttherapie aufmerksam gemacht werden. Je besser der Allgemeinzustand der/des Patientin/Patienten ist, desto besser werden auch die onkologischen Therapien vertragen. Deswegen ist bereits während Chemotherapie und Bestrahlung eine supportive Sporttherapie essenziell. Gerade die Fatiguesymptomatik, die bei bis zu 70 bis 80 Prozent der Patienten während der Therapien auftritt, kann durch eine Sporttherapie verbessert werden. Medikamentöse Ansätze gibt es dagegen nicht [8].

Sport bei Knochenmetastasen

Grundsätzlich gilt auch für Patientinnen und Patienten mit Knochenmetastasen regelmäßig körperlich aktiv zu sein, jedoch müssen die Empfehlungen individuell an den Befund angepasst werden. Hierbei ist vor allem die Ausprägung der ossären Metastasierung entscheidend, da je nach Lokalisation, Art (osteolytisch, gemischt, osteoblastisch) und Größe ein erhöhtes Frakturrisiko besteht. Im Vorfeld sollte immer ein radiologisches und onkologisches Statement hinsichtlich der Frakturgefährdung eingeholt werden [10].
Welcher Sport kann bei Knochenmetastasen durchgeführt werden?
Ein überwachtes, kombiniertes Ausdauer- und allgemeines Krafttraining wird anhand der aktuellen Studienlage für Patienten mit Knochenmetastasen als sicher eingestuft, soweit das Training an den Befund der Metastasierung angepasst wird [10]. Wichtig ist, dass die Knochen mit Metastasenbeteiligung nicht belastet werden.
Gerade nicht-gewichttragende Sportarten wie Schwimmen und Radfahren eignen sich als Ausdauersportarten, wohingegen gewichttragende Sportarten bei gewissen Lokalisationen der Metastasen vermieden werden sollten (Tabelle 3).

Tabelle 3: Ausdauertraining bei Knochenmetastasen. * Rücken keine Flexion, Extension, Rotation. Angelehnt an [11].

Auch ein allgemeines Krafttraining sollte zum Erhalt und Wiederaufbau der Muskulatur durchgeführt werden. Wichtig ist jedoch auch wie beim Ausdauertraining, dass nur Übungen durchgeführt werden, welche die betroffenen Knochen nicht belasten.
Tabelle 4 zeigt eine Übersicht, welche Muskelgruppen je nach Ort der Metastasierung belastet werden können und welche Übungen vermieden werden sollten.


Tabelle 4: Allgemeines Krafttraining bei Knochenmetastasen. * Hüfte: Keine Flexion/Extension; Knie: Flexion/Extension möglich. ** Schulter: Keine Flexion, Extension, Abduktion und Adduktion; Ellenbeuge: Flexion/Extension möglich. Angelehnt an [11].


Individuelle Empfehlung für die Patientin

Aufgrund der ossären Metastasierung im lumbalen Wirbelsäulenbereich wurde der Patientin empfohlen, ein Ausdauertraining auf dem Rad oder in Form von Schwimmen durchzuführen – auf Nordic Walking sollte verzichtet werden. Anhand der aktuellen Laktatdiagnostik ergab sich ein Trainingsbereich von 40 bis 50 Watt. Auf dem Ergometer, entsprechend eines Trainingspulses von 100/min. Aufgrund der deutlich eingeschränkten Belastbarkeit sollte die Dauer der Aktivität initial bei ca. zehn Minuten pro Tag liegen, wobei der Umfang im Verlauf kontinuierlich gesteigert wird. Das Ziel ist es, fünfmal pro Woche 30 Minuten moderat aerob aktiv zu sein. Auch ein allgemeines Krafttraining zum Wiederaufbau der Muskulatur wurde der Patientin empfohlen, wichtig ist jedoch, dass dieses überwacht in einem Physiotherapiezentrum erfolgt, damit die Übungen adäquat erlernt werden. Aufgrund der Metastasierung wird ein allgemeines Krafttraining nur der oberen und unteren Extremität empfohlen. Hierbei werden Übungen zur Aktivierung der großen Muskelgruppen der Extremitäten durchgeführt. Diese können an Geräten, mit dem Eigengewicht, oder auch mit einfachen Hilfsmitteln wie Therabändern durchgeführt werden. Koordinative Elemente zur Sturzprophylaxe stellen ebenfalls eine Komponente des Trainings dar.
Durch die Verbesserung der Fitness, der Muskelkraft und auch der Koordination soll schnellstmöglich eine höhere Belastbarkeit, gerade für Alltagsaktivitäten, erzielt werden, wodurch dann auch die Psyche und die allgemeine Lebensqualität positiv beeinflusst werden.
Regelmäßige Wiedervorstellungen zur Überprüfung der Belastbarkeit und Anpassung der Trainingsempfehlungen werden empfohlen und mit Frau L. in drei Monaten vereinbart.

Abbildung 7: Effekte einer Sporttherapie.

 

Zusammenfassung

Eine Sporttherapie sollte immer zusätzlich zu einer medikamentösen Therapie verordnet werden. Am besten auf einem Rezept, analog einem Medikament. Grundsätzlich gilt, dass Inaktivität soweit wie möglich vermieden werden sollte. Jede Aktivität ist besser als keine. Wichtig zu realisieren ist, dass bereits tägliche Bewegungseinheiten von zehn bis 15 Minuten entscheidende Effekte gerade bei dekonditionierten Patienten haben können. Oft sind Trainingseinheiten von zehn Minuten zweimal täglich sehr sinnvoll. Angestrebt wird, fünfmal pro Woche 30 Minuten moderat körperlich aktiv zu sein oder sich 75 Minuten intensiv zu belasten. Zusätzlich ist ein allgemeines Krafttraining zweimal pro Woche gerade ab dem 45. Lebensjahr, und entscheidend ab dem 60. Lebensjahr von zentraler Bedeutung. Individuelle Empfehlungen sind jedoch wichtig, um Patienten nicht zu unter- als auch überfordern und das Training auf dem aktuellen Krankheits- und Leistungsstand anzupassen.
Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-ärzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.

Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten haben, deren Interessen vom Manuskript positiv oder negativ betroffen sein könnten.

Autoren


Dr. Verena Heinicke, Fachärztin für Innere Medizin, Sportmedizin (Foto: Wiebe Peitz)

 

Universitätsprofessor Dr. Martin Halle, Ärztlicher Direktor, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Sportmedizin, Kardiovaskulärer Präventivmediziner DGPR®  (Foto: Peter von Felbert)

 

 

Korrespondenzadresse: Universitätsprofessor Dr. Martin Halle, Lehrstuhl und Poliklinik für Präventive und Rehabilitative Sportmedizin, Medizinische Fakultät, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München, Georg-Brauchle-Ring 56, 80992 München, Internet: www.sport.mri.tum.de und, www.facebook.com/sportmritum

 

 

 

 

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