Drei Highlights aus der Radiologie, Neuroradiologie und Kinderradiologie

Magnetspiel mit Kugel- und Stabelementen

Die moderne Radiologie nimmt aufgrund der enormen Fortschritte in der Bildgebung eine zunehmende Schlüsselstellung bei der Diagnosefindung, gerade bei komplexen Erkrankungen, ein. Durch die enge Zusammenarbeit mit den einzelnen Fachrichtungen können gezielt radiologische Verfahren angeboten werden und bei entsprechend spezialisiertem Personal kann auf wichtige und auch seltene Differenzialdiagnosen zurückgegriffen werden. Gerade an den Kliniken ist die Radiologie durch die Interventionelle Radiologie schon lange nicht mehr nur diagnostisch tätig, sondern mit den Gefäß-, Tumor- und Neuroradiologischen Eingriffen fester Bestandteil der Patientenversorgung. Die folgenden drei Fälle sollen das Spektrum anhand einer hilfreichen Diagnostik bei unklarer klinischer Situation, einem abwendbaren potenziell gefährlichen Verlauf aus der Kinderradiologie sowie einer typischen Notfallsituation aus der Neuroradiologie mit Interventioneller Therapie darstellen.

Erster Fall: Harnstau ist nicht gleich Harnstau

Anamnese

Eine 26-jährige Patientin wurde an unserem Haus zur grundsätzlichen Klärung einer bestehenden Harnstauungsniere urologisch aufgenommen. Bei der Patientin bestand eine distale Harnleiterenge im linken Ureter unklarer Genese und seit fünf Monaten linksseitige zyklusunabhängige Oberbauchbeschwerden. In einem auswärtigen Krankenhaus wurde im Vorfeld bei Pyelonephritis mit Harnstauungsniere eine Doppel-J-Schiene links eingelegt. Das damals auswärts durchgeführte CT zeigte keinen Konkrementnachweis.

Körperliche Untersuchung

Die Patientin befand sich in einem guten Allgemein- und schlanken Ernährungszustand. Das Abdomen war weich, es waren keine pathologischen Resistenzen palpabel. Das Nierenlager war beidseits indolent.

Diagnostik

Am ersten Tag des stationären Aufenthalts in Tag des stationären Aufenthalts in der Klinik für Urologie erfolgte ein intravenöses Pyelogramm, das einen Harnstau Grad II bis III links mit deutlich erweitertem Ureter und Abbruch im distalen Drittel zeigt (Abbildung 1). Die MAG-3-Szintigrafie zeigt eine relevante Abflussbehinderung des linken Harnleiters bzw. der linken Niere.




Abbildung 1: Intravenöses Pyelogramm der 26-jährigen Patientin nach 20 Minuten. Es zeigt sich ein Harnstau links mit Erweiterung des Nierenbeckens und deutlich erweiterten proximalen Ureter links bei fehlender Darstellung des distalen Ureterdrittels.

In der gynäkologischen Untersuchung konnte ein regelrechtes inneres Genitale und ein Druckschmerz über dem linken Ovar festgestellt werden. Zur weiteren Ursachenabklärung bei nach wie vor unklarem Befund wurde ein MRT des Abdomen mit Kontrastmittel in unserer Abteilung durchgeführt. Hier zeigte sich unmittelbar auf Niveau des abrupten Kalibersprunges des linken Harnleiters an dem kranialen Pol des linken Ovars angrenzend, und von diesem nicht vollständig abgrenzbar eine ca. 2 cm große, etwas irregulär begrenzte Gewebsvermehrung, auf den T2-gewichteten Aufnahmen relativ signalarm, intermediär auf den T1-gewichteten Aufnahmen mit mäßigem KM-Enhancement. Die Konfiguration des Prozesses wirkte damit ungewöhnlich für narbige postentzündliche Veränderungen. Der Befund wurde aufgrund der Anamnese und des Alters der Patientin sowie Erfahrungen aus dem eigenen Patientengut von unserem radiologischen Team als verdächtig auf einen Endometrioseherd am Ureter beschrieben, differenzialdiagnostisch kam eine kleine Raumforderung des Ovars mit Beteiligung des linken Ureters in Betracht. Ansonsten zeigte sich kein Anhalt für weitere Raumforderungen oder pathologische Lymphknotenvergrößerungen im Untersuchungsbereich (Abbildungen 2 a und 2 b).



Abbildung 2 a: MRT der 26-jährigen Patientin. In der koronaren T2-Wichtung zeigen sich ein erweitertes Nierenbecken links und ein konisch zulaufender Ureter links oberhalb des Ovars aufgrund einer hypointensen Weichteilvermehrung (Pfeil). Abbildung 2 b: MRT der 26-jährigen Patientin. Die Weichteilvermehrung stellt sich anschaulich als kontrastmittelaufnehmendes Gewebe in den dünnschichtigen T1-Bildern nach Kontrastmittelgabe um das komprimierte hypodense Lumen des linken Ureters dar (Kreis).

Therapie und Verlauf

Nach Zusammenschau aller Befunde wurde die Indikation zur Ureterozystoneostomie, einer Neueinpflanzung des Harnleiters nach Entfernung des Weichteilgewebes, links mit histologischer Schnellschnittuntersuchung, gestellt. Intraoperativ zeigte sich der linke Harnleiter distal von stenosierendem Gewebe ummantelt. Histologisch ließ sich eine extrauterine Endometriose nachweisen. Die Herde wurden in toto entfernt, es erfolgte die problemlose Ureterneostomie.

Diskussion

Die Endometriose, also das Vorliegen von endometrialem Gewebe außerhalb des Uterus ist eine mögliche Ursache für unklare Abdominal- oder Beckenschmerzen der Frau. In abnehmender Häufigkeit sind das Beckenperitoneum, die Ovarien, die Ligamenta sacrouterina, das Septum rectovaginale/Fornix vaginae sowie extragenitale Manifestationen (zum Beispiel Harnblase und Rektosigmoid) befallen. Typische Symptome sind Dysmenorrhoe, Dyspareunie, Beckenschmerz, Unfruchtbarkeit und, wie in unserem Fall, Symptome des Harntraktes. Die Diagnose der Endometriose wird oft spät gestellt, vor allem wenn sich, wie bei unserer Patientin, die Symptome primär unspezifisch präsentieren und eine direkte Assoziation mit dem Zyklus nicht vorliegt oder nicht gesehen wird. Die Endometriose des Harnleiters ist mit 0,08 bis ein Prozent aller Endometriosen sehr selten.
Gerade bei einer Endometriose mit Beteiligung der Ureteren sind bis zu 50 Prozent der Frauen asymptomatisch und aufgrund der insuffizienten oder irreführenden Vordiagnostik ist nur bei 40 Prozent der Frauen vor Operation die richtige Diagnose vermutet worden. Dabei wird die Gefahr eines unbemerkten Verlustes der Nierenfunktion mit bis zu 50 Prozent beschrieben. In unserem Fall konnte durch das MRT und die zusätzliche Anfertigung von dünnschichtigen Sequenzen über dem suspekten Areal die Verdachtsdiagnose gestellt werden, die sich dann sowohl intraoperativ als auch histologisch bestätigte.



Tabelle 1: Graduierung des Harnstaus.

Merke

» Eine Endometriose mit Beteiligung der Harnleiter ist mit 0,08 bis ein Prozent aller Frauen mit Endometriose sehr selten.
» Die Symptome bei dieser Lokalisation sind oft nicht spezifisch, was zu einer protrahierten Diagnose über Monate führt.
» Die MRT des Beckens als nichtinvasives Verfahren ohne Strahlenbelastung kann in vielen Fällen die Diagnose beschleunigen und erlaubt eine akkurate präoperative Planung bei einer Sensitivität von bis zu 90 Prozent.

Zweiter Fall: Ein Artefakt führt zur Diagnose

Anamnese

Vorstellung eines fast vierjährigen Jungen in das Kinder-Notfallzentrum unserer Kinderklinik mit seit mehreren Tagen bestehenden Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit und zunehmender Apathie. Am Aufnahmetag erstmals zweimaliges Erbrechen, aber kein Durchfall – im Gegenteil, der letzte Stuhlgang vor fünf Tagen sei von eher harter Konsistenz gewesen. In der klinischen Untersuchung präsentierte sich der junge Patient in deutlich reduziertem Allgemeinzustand, das Abdomen war gebläht und ubiquitär druckschmerzhaft, die Darmgeräusche eher spärlich, kein Fieber. Als Vorerkrankung bekanntes Asthma bronchiale, aber keine Dauermedikation. Vor zehn Tagen sei nach vorausgegangener Konjunktivitis ein infiziertes Gerstenkorn am linken Unterlid entfernt worden, dabei Entleerung von Pus. Unter der Annahme einer Koprostase führten die zunächst eingeleiteten abführenden Maßnahmen nur zu einer geringen Besserung der Beschwerden bei weiterhin geblähtem Abdomen.

Diagnostik

In der Abdomensonografie fanden sich flüssigkeitsgefüllte und gering dilatierte Dünndarmschlingen ohne Pendelperistaltik als Hinweis für eine Obstruktion, keine pathologische Kokarde als Hinweis für eine akute Appendizitis, zwischen den Darmschlingen sowie im Oberbauch wenig freie Flüssigkeit. Das zum Ausschluss einer Orbitaphlegmone bzw. intrakraniellen Pathologie durchgeführte MRT des Schädels ergab einen unauffälligen altersentsprechenden Befund. Im anschließend geplanten MRT des Abdomens fiel bereits auf den initialen Localizer-Schichten (Schichten zur Untersuchungsplanung) ein außergewöhnlich großes Metallartefakt mit Auslöschung fast des gesamten Abdomens auf (Abbildung 3).


Abbildung 3: MRT des Abdomens. Koronarer Localizer (Schichtplanung). Große Teile des Übersichtsbildes werden von einem außergewöhnlich großen schwarzen Metallartefakt ausgelöscht.


Ein auf der Körperoberfläche vergessener (zum Beispiel EKG-Elektrode) oder zwischen Patient und Liege versehentlich gerutschter Fremdkörper (zum Beispiel Geldmünze) konnte mit akribischer Suche ausgeschlossen werden. Die Frage bezüglich eines eventuell verschluckten Fremdkörpers wurde von der Mutter verneint. In der daraufhin durchgeführten konventionellen Übersichtsaufnahme des Abdomens bestätigte sich jedoch der Verdacht auf eine Fremdkörper-Ingestion. Zwei unmittelbar aneinander liegende röntgendichte Strukturen (eine rundlich, die andere stabförmig) von jeweils ca. 13 mm projizierten sich auf die luftgefüllten und distendierten Darmschlingen des linken Oberbauchs, aufgrund der Gruppierung der metalldichten Fremdkörper verdächtig auf zwei sich anziehende Magnete (Abbildung 4).



Abbildung 4: Abdomenübersichtsaufnahme im Liegen. Zwei scharf begrenzte, gruppierte metalldichte Fremdkörper im linken oberen Quadranten, verdächtig auf sich anziehende Magnetteile. Erweiterte Darmschlingen im gesamten Abdomen.

Therapie

In der Regel kann bei entsprechender Lage des Fremdkörpers die endoskopische Bergung versucht werden. Bei gastroskopisch nicht mehr einsehbarem Befund wurde bei dem Jungen die Indikation zur explorativen Laparoskopie gestellt. Intraoperativ fanden sich im Abstand von wenigen Zentimetern insgesamt fünf Perforationen im Ileum, die als Folge von Drucknekrosen gewertet wurden. Beide „Metallteile“ konnten separat geborgen und die Perforationsstellen übernäht werden. Postoperativ erfolgte eine prophylaktische Antibiose über sieben Tage, der weitere Verlauf gestaltete sich unauffällig.

Diskussion

Bei den geborgenen Fremdkörpern handelte es sich (wie bereits in der Abdomenübersichtsaufnahme vermutet) um Teile eines Magnetspiels (Abbildung 5). Während ein einzelner verschluckter Magnet in der Regel problemlos ausgeschieden wird, birgt die Ingestion von zwei oder mehreren Magnetteilen die Gefahr der Darmwandperforation infolge von Drucknekrosen durch die Aneinanderlagerung der Magnetteile. Gefährdet sind insbesondere Kleinkinder im Alter von drei Jahren, überwiegend männlichen Geschlechts. Die Symptome können initial sehr unspezifisch sein und so die Diagnosestellung verzögern. Zusätzlich erschwerend ist die ungewollt „falsche“ Anamnese, wenn die Ingestion von Fremdkörpern von den Eltern unbeobachtet erfolgt (im konkreten Fall im Kindergarten).


Abbildung 5: Beispielbild eines entsprechenden Magnetspiels mit Kugel- und Stabelementen.

Merke

» Bei Kindern im Vorschulalter ist bei unklaren Abdominalschmerzen an verschluckte Fremdkörper zu denken und bei entsprechendem Verdacht eine Übersichtsaufnahme anzufertigen.
» Die Anamnese ist oft nicht klar, wenn die Ingestion eines Fremdkörpers von den Eltern unbeobachtet erfolgt.
» Bei metalldichten, gruppiert aneinander liegenden Fremdkörpern ist an die Ingestion von Magneten zu denken und eine sofortige Bergung aufgrund der Perforationsgefahr notwendig.


Dritter Fall: Moderne Schlaganfalltherapie

Anamnese

Ein 75-jähriger Patient wird luftgebunden aus einem 50 km entfernten Verbund-Krankenhaus zur mechanischen Thrombektomie (MT) zuverlegt. Der Patient sei 3,5 Stunden vor Einlieferung in unsere Klinik im häuslichen Umfeld bei akut aufgetretener Schwäche der rechten Körperhälfte gestürzt. Des Weiteren sei eine Sprachstörung aufgefallen. Der herbeigerufene Notarzt stellte eine hochgradige Hemiparese rechts sowie eine globale Aphasie entsprechend der NIH-Stroke-Scale (NIHSS; siehe Tabelle 2) von 9 und Modified-Ranking-Scale (mRS) von 5 Punkten fest (Tabelle 3).



Tabelle 2: National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS).

 
Tabelle 3: Die modifizierte Ranking-Skala nach van Swieten.

Diagnostik

Ca. 1,5 Stunden nach Symptomeintritt wurde in der auswärtigen Verbundklinik ein CCT und eine CT-Angiografie durchgeführt, welche einen linksseitigen distalen Arteria cerebri media (ACM)-Verschluss ohne Ischämiefrühzeichen erkennen ließen (Abbildung 6). Zusätzlich zeigte sich eine hochgradige proximale Arteria carotis interna (ACI)-Stenose links.



Abbildungen 6 a bis d: a) CCT: Dichtes Media-Zeichen links. b) CT-Angiografie: Abbruch der Gefäßkontrastierung eines distalen ACM-Astes links (Pfeil). c) Die Darstellung mittels dreidimensionaler Bilder (Volume-Rendering-Technik – VRT) erleichtert besonders bei peripheren ACM-Verschlüssen die Diagnose. Abrupter Abbruch der Gefäßkontrastierung an einem distalen ACM-Ast links. CAVE: Hier schaut man sozusagen wie der Neurochirurg von kranial auf den Schädel! d) Perfusions-CT mit verzögerter Time-to-Peak links frontal und parietal (rot).


Nach Ausschluss von Kontraindikationen wurde eine Bridging-Lyse mit insgesamt 63 mg rekombiniertem Gewebe-Plasminogen Aktivator (rt-PA) begonnen (0,9 mg/kg Körpergewicht, zehn Prozent der Gesamtdosis als Bolus, die restlichen 90 Prozent im Anschluss als Infusion über maximal 60 Minuten bis zum Beginn der Intervention). Nach Ankunft des Patienten in unserer Klinik erfolgte unmittelbar eine Ergänzung der Diagnostik durch ein Perfusions-CT (PCT), um die Größe des gefährdeten Hirngewebes abschätzen zu können. Dieses wies mit einer deutlich verzögerten Time-to-Peak (TTP) ein großes drohendes Infarktareal („Penumbra“) im ACM-Versorgungsgebiet links auf (Abbildung 6 d, rot).

Therapie

Vier Stunden nach Auftreten der Symptome wurde die Katheterangiografie in Intubationsnarkose begonnen. Es zeigte sich der bekannte distale ACM-Verschluss links (Abbildung 7 a) und eine zusätzliche hochgradige ACI-Stenose links. Diese wurde initial mittels Karotis-Stentangioplastie versorgt.

Abbildungen 7 a bis d: a) Katheterangiografische Darstellung mit Visualisierung des peripheren ACM-Verschlusses. b) Periprozedurales Bild mit freigesetztem Stent-retriever (dicker Pfeil) und Aspirationskatheter bis an den Thrombus herangeführt (gebogener Pfeil). c) Nach Stentretrieving-Manöver mit manueller Aspiration erfolgreiche Rekanalisation des peripheren ACM-Astes links. d) Verlaufs-CCT ein Tag nach Intervention: allenfalls sehr diskrete Ischämiedemarkierung am Gyrus frontalis medius links.

In einem kombinierten Verfahren aus Aspiration und Stent-Retrieving (sogenannte „Solumbra-Technik“) gelang die vollständige Rekanalisation (optimaler Befund nach der TICI – „Thrombolysis in cerebral infarction“ – Klassifikation: 3) der verschlossenen ACM links. Hierbei wurde ein kleines Maschendrahtkörbchen (Stentretriever) auf Höhe des Embolus freigesetzt, ein Aspirationskatheter (5F) bis an den Thrombus geführt und der Stent unter kontinuierlicher Aspiration herausgezogen (Abbildungen 7 b und 7 c). Für die Aspiration wird entweder eine unter kontinuierlichem Sog laufende Vakuumpumpe oder eine konventionelle Aspirationsspritze verwendet.
Aufgrund der erforderlichen Stent-Angioplastie bei ACI-Stenose links erfolgte postinterventionell eine duale Thrombozytenaggregationshemmung mit ASS und Clopidogrel.

Verlauf

Am ersten postinterventionellen Tag zeigte sich der Patient allseits orientiert, wach und bewusstseinsklar. Es bestand eine noch leichtgradige motorische Aphasie, jedoch keine Paresen. Das Kontroll-CCT zeigte lediglich ein sehr kleines umschriebenes ischämisches Areal im Gyrus frontalis medius links. Ein dem Perfusions-CT entsprechendes großes Ausfallsareal zeigte sich nicht (Abbildung 7 d). Aus der Vorgeschichte des Patienten war ein permanentes Vorhofflimmern bekannt. Die vorbestehende Antikoagulation war jedoch wegen einer vier Tage vor dem Schlaganfall durchgeführten Hydrocelen-Operation von Phenprocumon auf eine subtherapeutische niedermolekulare Heparingabe umgestellt worden. Zusätzlich konnte in der weiterführenden Schlaganfall-Diagnostik ein Vorhofthrombus nachgewiesen werden. Somit führten wir den Verschluss der Arteria cerebri media links auf eine kardioembolische Genese bei zuvor pausierter oraler Antikoagulation mit insuffizienter Heparingabe zurück. Differenzialdiagnostisch war jedoch auch eine arterio-arteriellembolische Genese bei hochgradiger proximaler ACI-Stenose links möglich. Aufgrund des relativ hohen Blutungsrisikos bei prinzipiell erforderlicher Triple-Therapie (duale Thrombozytenaggregation nach Karotis-Stentangioplastie und Antikoagulation bei kardialem Thrombus) wurde unter Nutzen-Risiko-Abwägung auf eine duale Therapie mit ASS und Apixaban umgestellt. Der Patient konnte mit nur noch geringer motorischer Aphasie, ohne Paresen (NIHSS 1) und ohne relevante Einschränkungen bezüglich Alltagsaktivitäten, entlassen werden.

Diskussion

Der Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland und die häufigste Ursache für mittlere und schwere Behinderungen. Ca. 80 Prozent der Schlaganfälle sind ischämisch bedingt. Seit der Veröffentlichung von fünf groß angelegten Studien im Jahr 2015, die die Überlegenheit der mechanischen Rekanalisation gegenüber der alleinigen intravenösen Lysetherapie bei spezieller Indikation (4,5-Stunden-Zeitfenster, Mediahauptstammverschluss) belegten, ist die mechanische Thrombektomie bei ischämischen Schlaganfällen mit Gefäßverschlüssen von ACI, ACM und Arteria basilaris bei dieser Patientengruppe etabliert. Die besten Ergebnisse werden bei strengem Patienteneinschluss (kleiner Infarktkern, vorhandenes „Tissue at Risk“ bzw. Penumbra und guten Kollateralgefäßen, Therapiebeginn < sechs Stunden) erzielt. Ein Nutzen der mechanischen Thrombektomie ist jedoch auch bei großzügigerem Patienteneinschluss (unabhängig von Patientenalter und Größe des Infarktkerns) möglich. Bei Symptombeginn < sechs Stunden, „Wake-up Stroke“ oder bei größeren ischämischen Arealen (Alberta Stroke Program Early CT score-ASPECTS < 5 = Beschreibung des sichtbaren Infarktareals im CT mit Maximalwert 10) sollte ergänzend eine Perfusions-CT oder MRT-Bildgebung (Diffusions-/FLAIR-Mismatch) erfolgen, um Patienten mit Risikogewebe zu identifizieren, die möglicherweise noch von einer mechanischen Thrombektomie profitieren können.

Merke

» Patienten mit Symptomen des Schlaganfalls (Paresen, Aphasie) sollten so schnell wie möglich neurologisch vorgestellt werden und eine adäquate Bildgebung (CCT nativ, CT-Angiografie, gegebenenfalls Perfusions-CT) ohne zeitlichen Verzug erhalten.
» Patienten mit Verschluss der großen intrakraniellen Gefäße (ACI, proximale ACM, Arteria basilaris) sollten schnellstmöglich in einer Klinik mit Stroke-Unit und neuroradiologischer Interventionsmöglichkeit vorgestellt werden.
» Muss ein Patient in ein Zentrum zur mechanischen Thrombektomie verlegt werden, beträgt das Zeitfenster < 4,5 Stunden. Wenn keine Kontraindikationen bestehen, soll eine Bridging-Lyse durchgeführt werden.
»  „Time is brain“ – je früher die rekanalisierenden Maßnahmen erfolgen, desto höher die Chancen auf ein gutes funktionelles Ergebnis.
Das Literaturverzeichnis kann im Internet unter www.bayerisches-ärzteblatt.de (Aktuelles Heft) abgerufen werden.

Die Autoren erklären, dass sie keine finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten haben, deren Interessen vom Manuskript positiv oder negativ betroffen sein könnten.

Autoren


Professor Dr. Niels Zorger

 
Dr. Peter Niederle

 
Dr. Roland Brandl

 
Dr. Thomas Borgmann

 
Larissa Ranft

alle Institut für Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin, Abteilung für Kinderradiologie, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Regensburg/Klinik St. Hedwig, Prüfeninger Straße 86, 93049 Regensburg

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