Bayerischer Ärztetag und Realpolitik

Dr. Max Kaplan, Präsident der BLÄK

Vom 23. bis 25. Oktober findet in Deggendorf der 74. Bayerische Ärztetag statt, zu dem ich Sie ganz herzlich einlade. Für die Auftaktveranstaltung haben wir Grußworte der Bayerischen Staatsministerin für Gesundheit und Pflege, Melanie Huml, und des Oberbürgermeisters der Stadt Deggendorf, Dr. Christian Moser und ein Statement von Professor Dr. Armin Nassehi, Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, zum Thema „Perspektivenvielfalt der modernen Welt – eine Herausforderung“ vorgesehen. Globalisierung, Digitalisierung, neue Mobilität, demografischer Wandel, Urbanisierung – all dies sind Trends, die die heutige Welt und unser Leben prägen, bereits seit Längerem wirksam sind und voraussichtlich auch unsere Kinder noch beschäftigen werden. Es handelt sich um grundlegende und tiefgreifende Veränderungen, die den Rahmen bilden für viele andere, davon beeinflusste Entwicklungen. In Nassehis Vortrag wird es darum gehen, Antworten auf die Frage: „Warum rechts und links keine Alternativen mehr sind und die Gesellschaft ganz anders beschrieben werden muss“ zu finden. Rechts oder links, progressiv oder konservativ, liberal oder sozialdemokratisch – diese Kategorien scheinen nicht mehr zu gelten. Die Alternative sieht der Soziologe in einem neuen „vernetzten Denken, das mit Instabilität rechnet und Abweichungen liebt“. Was bedeutet dies für uns Ärztinnen und Ärzte, für die ärztliche Tätigkeit in Kliniken und Praxen jedes Einzelnen, aber auch kollektiv für unser Gesundheitswesen und für unsere ärztliche Berufsausübung per se? Nassehi beschreibt den eigentlichen Grundkonflikt der Moderne zwischen ökonomischer Dynamik und politischer Regulierung.

Realpolitik

Spannende Themen bietet derzeit die Realpolitik mit der medizinischen Versorgung der Asylbewerber oder dem anstehenden Krankenhausstrukturgesetz (KHSG), um nur zwei zu nennen. Gerade bei der medizinischen Flüchtlingsversorgung möchte ich zunächst allen Ärztinnen und Ärzten danken, die hier hervorragende Arbeit leisten. Probleme bereitet jedoch der Mangel an Ärztinnen und Ärzten im Öffentlichen Gesundheitsdienst, um die Untersuchungen nach § 62 Asylverfahrensgesetz vorzunehmen. Kritisch ist ferner, dass erkrankte Flüchtlinge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz derzeit nur eine Akutversorgung ohne Dolmetscherleistungen erhalten, wobei zu hinterfragen ist, wie eine Diagnosestellung ohne Verständigung erfolgen soll. Dieser Mindeststandard bedeutet zudem, dass wir Flüchtlinge anders behandeln müssten als inländische Patienten, was für uns ethisch nicht vertretbar ist. Ein sogenanntes Beschleunigungsgesetz soll Abhilfe schaffen.

Als enttäuschend ist der Gesetzentwurf für das KHSG zu bewerten. Die Große Koalition versprach, dass mit der Reform die Situation der Krankenhäuser verbessert werde. Doch beim detaillierten Blick ins Gesetz wird deutlich, dass die Länder die bundespolitischen Eingriffe in ihre Planungshoheit abwimmeln konnten. Beispiel Investitionen: Sie werden im Gesetz auf den Durchschnitt der Jahre 2012 bis 2014 festgeschrieben, was völlig unzureichend ist. Ohne Nachbesserung kann von einer zukunftsweisenden Krankenhausreform nicht die Rede sein, setzt doch die Bundesregierung damit lediglich die Unterfinanzierung der vergangenen Jahre fort. Die schmerzvollen Konsequenzen müssen unsere Patienten sowie die Beschäftigten in den Kliniken tragen. Was wir brauchen sind klare und einklagbare Investitionsverpflichtungen der Länder und gegebenenfalls eine Bund-Länder-Kofinanzierung. Insbesondere im Hinblick auf die Patientensicherheit ist eine deutlich stärkere Berücksichtigung der notwendigen Personalausstattung und -finanzierung erforderlich. Wir vermissen Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsverhältnisse, zur Reduktion der Arbeitsverdichtung, zur Refinanzierung der Tarifabschlüsse sowie zur Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Noch ein Wort zu „Pay for Performance“: Einigkeit herrscht wohl auf allen Seiten, die Qualität als ein zentrales Kriterium der Krankenhausplanung und -vergütung einzuführen. Zu- und Abschläge für die Qualität medizinischer Versorgung zu zahlen, sehe ich kritisch: Die bisherigen Erfahrungen mit solchen Pay for Performance-Ansätzen sind alles andere als überzeugend. Die Kliniken, die statistisch eine schlechtere Qualität haben, sind oftmals diejenigen, die ihre Fehler und Probleme besser dokumentieren und intern thematisieren.

Arbeitstagung

Zurück zum Bayerischen Ärztetag: Am Samstag und Sonntag werden in Deggendorf die Berichte des Präsidiums und der Ausschüsse von Interesse sein sowie der Bericht aus der Bayerischen Ärzteversorgung. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, die 180 Delegierten über die gesundheits- und berufspolitischen Herausforderungen, aber auch über die geleistete Arbeit in der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) zu informieren und gemeinsam zu diskutieren. Wichtige Punkte auf der Agenda der Arbeitstagung sind zweifellos Änderungen an der Weiterbildungsordnung, die Einführung einer Satzung über den Nachweis zu erfüllender Fortbildungspflicht von Ärzten im öffentlichen Rettungsdienst, Änderungen an der Berufsordnung, der Meldeordnung oder der Gebührensatzung oder die Neufassung der Wahlordnung sowie die BLÄK-Finanzen. Im Vorfeld des Ärztetages bieten wir für die Delegierten wieder vier thematische Workshops zu den Themen:
I. „Neugestaltung der ambulanten Notfallversorgung in Klinik und Praxis“,
II. „Krankenhaus 2016 – quo vadis?“ mit den Arbeitsgruppenthemen „Pay for Performance“ – sinnvolles Anliegen oder Irrweg?“, „Krankenhaus 2016 – die Sicht des Patienten“ und „Angestellt als Arzt/Ärztin – Lebensperspektive oder Albtraum?“,
III. „Zukunft der Hochschulmedizin“ sowie IV. „Aktuelle Gesetzgebung und Selbstständigkeit“ an, um die Arbeitstagung auch inhaltlich mit Entschließungsanträgen gut vorzubereiten. Ich erwarte spannende und informative Tage in Deggendorf, bei denen insbesondere die aktuellen gesundheitspolitischen Themen für Aufmerksamkeit sorgen werden. Ich freue mich auf einen interessanten 74. Bayerischen Ärztetag mit anregender Diskussion und heiße Sie alle herzlich willkommen.

 

 

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